3D-Bilderfassungssystem für die Zuginspektion
Chromasens hat Ideen, wie man Weichen stellt
Angesichts immer komplexerer Schienennetze und immer kürzerer Taktzyklen, hat die Sicherstellung des störungsfreien Betriebs von Schienenfahrzeugen für Bahnbetreiber höchste Priorität. Der Einsatz neuer Messverfahren in Form hochpräziser 3D-Bilderfassungssysteme, die, an beliebigen Stellen des Gleisnetzes fest montiert, das komplette Fahrwerk von Zügen während der Durchfahrt automatisiert scannen, eröffnet Bahnbetreibern jetzt neue Wege für zukunftsweisende Instandhaltungskonzepte.
Nicht nur in großen Flächenländern wie China oder den USA stellen Zugausfälle Bahngesellschaften vor erhebliche Probleme. Auch in Ländern wie Deutschland, wo Züge auf Fernstrecken teilweise im 15-Minuten-Takt verkehren, können liegengebliebene Züge hohe Kosten zur Folge haben.
Bahngesellschaften haben deshalb weltweit großes Interesse an der Identifizierung technischer Probleme, bevor sie Auswirkungen auf die Funktionalität des Zuges und damit auf den Bahnbetrieb haben. Rechtzeitig erkannt, können Reparaturen dann durchgeführt werden, wenn es logistisch am sinnvollsten ist und der Passagiertransport nicht beeinträchtigt wird.
Intelligente Diagnosetechnik leistet bereits seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Effizienz bei Kontroll- und Wartungsarbeiten an Schienenfahrzeugen. Stationäre Diagnosesysteme gehören zur Standardausstattung in bahneigenen Wartungszentren. Parallel zur Entwicklung der digitalen Informationstechnologie wurden zudem integrierte Onboard-Diagnosesysteme für die Schadenserkennung entwickelt, die mittels intelligenter Kommunikationstechnik erkannte Fehler automatisch an die Wartungszentren melden. Auf diese Weise können benötigte Ersatzteile bereits im Vorfeld disponiert und die durch die Instandsetzung entstehenden Ausfallzeiten reduziert werden.
3D statt 2D
Ein vom Bildverarbeitungsspezialisten Chromasens entwickelter Komplettscanner aus 3D-Kamera und Spezial-Beleuchtung ergänzt die bestehenden Diagnosetechnologien um eine weitere wichtige Komponente: Eine präzise, stereoskopische Sichtprüfung der Zugunterseite. Neben der hohen Genauigkeit der erzielbaren Darstellung zeichnet sich die Lösung dadurch aus, dass zur Bilderfassung der Zug nicht außer Dienst gestellt und in ein entsprechend ausgestattetes Wartungszentrum gefahren werden muss. Die digitale Abtastung kann an beliebigen Stellen des Schienennetzes geschehen, und der Zug kann die Kontrollstellen in typischer Reisegeschwindigkeit passieren.
Das neu konzipierte technologische Messverfahren geht deutlich über die Fähigkeiten bisher eingesetzter Systeme hinaus. Die hochauflösende, stereoskopische Darstellung erkennt eine Vielzahl möglicher Defekte, nicht nur an Kupplungen, Schläuchen, Druckbehältern oder Radreifen, sondern sogar lose Verschraubungen, die in einer 2D-Darstellung komplett unerkannt geblieben wären.
Wirklichkeitsnah und detailgenau
Kernstück der Erfassungslösung ist die 3D-Stereo-Zeilenkamera 3DPIXA. Durch die Fusion zweier hochwertiger tri-linearer Zeilenkameras mit einer Bildauflösung von bis zu 7.300 Pixel pro Zeile und modernster Grafikprozessor-Technologie ist es gelungen, mittels stereoskopischer Erfassung nahezu beliebiger Objekte und anschließender Bildkorrelation, Höheninformationen in höchster Genauigkeit in Echtzeit zu ermitteln und darzustellen.
Die optische Konfiguration der Bilderfassung lässt sich an die jeweilige Einsatzumgebung anpassen. Im konkreten Fall des Zuginspektionssystems wird so eine optische Auflösung im Bereich von unter 1/2 Millimeter erzielt.
Die 3D-Stereo-Zeilenkamera wird dann mit einer Spezialbeleuchtung gepaart und in eine Scannerbox eingebaut, die gegen Schmutz und Spritzwasser schützt. Die Systemlösung besteht aus sechs solcher Scannerboxen, welche die Zugunterseite überlappend aus unterschiedlichen Blickwinkeln abtasten.
Der Beleuchtung kommt in dieser Applikation eine Schlüsselrolle zu, da mehrere Herausforderungen den Einsatz von Standardbeleuchtungen unmöglich machen:
- Der gleichmäßig auszuleuchtende Tiefenbereich ist bis zu einem Meter enorm groß und durch die Geometrie der Zugunterseite gegeben.
- Es ist eine hohe Lichtintensität auch noch bei dem großen maximalen Arbeitsabstand von über 160 cm zu erreichen.
- Der große Tiefenbereich macht eine koaxiale Anordnung von Kamera und Beleuchtung erforderlich, die noch einmal dadurch erschwert wird, dass Glasscheiben zwischen Objekt und Kamera/Beleuchtung zum Schutz vor Regen und Staub eingefügt werden müssen. Die Lichtformung darf nicht zu starken Blendungen der Kamera durch Schmutz/Wasser auf der Glasscheibe führen.
Die speziell für diese Applikation entwickelte Beleuchtung basiert auf der Reflektor-Technologie, wie sie auch in den Corona-Beleuchtungslösungen von Chromasens zum Einsatz kommt. Im konkreten Fall erlaubt das Beleuchtungssystem die extrem starke und gleichmäßige Ausleuchtung eines Quaders, dessen Kantenlänge von der Breite des Zuges und dem Tiefenbereich gebildet wird. Die dritte Kantenlänge liegt im Bereich weniger Zentimeter und ist erforderlich, um Einbautoleranzen und eventuelle Störungen durch Vibrationen abzufangen.
Intelligente Voranalyse unterstützt den Operator
Ausgelöst wird die Bilderfassung durch eine Lichtschranke, die den herannahenden Zug erkennt und seine Geschwindigkeit misst. Die mit Camera Link-Schnittstellen ausgerüsteten Scannerboxen übertragen die erfassten Bilddaten zunächst an den Gleisrand, von wo sie über Glasfaserkabel an eine im Umkreis installierte Verarbeitungsstation weitergeleitet werden. Über schnelle Prozessoren und selbst entwickelte mathematische Algorithmen werden die eintreffenden Daten in 3D-Darstellungen transformiert. Das geschieht während der Durchfahrt des Zuges nahezu in Echtzeit.
Eine komplette Bilderfassung der Zugunterseite generiert 10 bis 20 GB Daten. Anschließend werden die konsolidierten Informationen über klassische Telekommunikationskanäle an das zentrale Kontrollzentrum des Bahnbetreibers übertragen. Die Auswertung der so generierten Inspektionsdaten obliegt dem jeweiligen Betreiberunternehmen.
Technologie mit Perspektive
Die beschriebene 3D-Messtechnik für die Zuginspektion befindet sich aktuell mitten in der Pilot-Phase. Die Labortests sind im wesentlichen abgeschlossen, auch erste Messungen am Gleis mit vorbeifahrenden Zügen wurden bereits mit positiven Ergebnissen durchgeführt.
Einer der weltweit größten Bahnnetzbetreiber hat sich mittlerweile von der Funktionalität des Systems und der damit erzielbaren Produktivitätssteigerung überzeugt und plant dessen Einführung. Aktuell ist eine aus sechs Scannerboxen bestehende Komplettlösung im Schienennetz dieses Betreibers installiert und wird unter realen Praxisbedingungen getestet. In 6 bis 12 Monaten wird die Lösung voraussichtlich ihre Serienreife nachgewiesen haben und die Installation in regelmäßigen Abständen auf dem Streckennetz wird beginnen.