Intelligentes Bildverarbeitungssystem senkt den Stromverbrauch von Eisschmelzkabeln auf dem Dach
08.07.2024 - Maschinelles Sehen schützt die Infrastruktur
Eisdämme auf dem Dach können in schneereichen Regionen schwere Schäden an Gebäuden verursachen. Wärmekabel verhindern sie, verschwenden aber im Dauerbetrieb Terawatt an Strom. Jetzt gibt es ein spezielles Kameramodul, das den Schnee- und Eisstand auf dem Dach überwacht und nur dann schmelzt, wenn es nötig ist – das spart bis zu 90 Prozent Energie und reduziert den CO2-Ausstoß entsprechend.
In Regionen mit rauem Winterklima können schwere Schnee- und Eisschichten, die sich auf Dächern ansammeln, erhebliche Schäden an Gebäuden verursachen. Der Albtraum vieler Hausbesitzer und Gebäudeverwalter ist die sogenannte Eissperre: Eine Ansammlung von Eis am Rand eines Daches verursacht nicht nur Eiszapfen, sondern bildet auch eine Art Damm. Dieser verhindert, dass das Wasser richtig abfließt, wenn die weicheren Schneeschichten schmelzen. Das eingeschlossene Wasser wird dadurch unter den Dachpfannen nach oben gespült und dringt in den Dachboden ein, was zu ungesundem Schimmel, kostspieligen Schäden und potenziellen Gefahren für die elektrische Sicherheit führt.
90 Prozent verschwendete Energie
Um dies zu vermeiden, werden nordamerikanische Dächer in schneereichen Regionen häufig mit Heizkabeln ausgestattet. Diese am Dachrand verlegten Kabel lassen Schnee und Eis schmelzen, um die Bildung einer Sperre zu verhindern. Dies ist zwar eine effiziente Lösung zum Schutz des Eigentums, aber aus Sicht des Energieverbrauchs und des Klimaschutzes äußerst ineffizient, da sie unabhängig von der Schnee- und Eismenge blind arbeiten. Die Heizkabel könnten daher zu 90 Prozent der Zeit abgeschaltet sein. Die Gebäudeeigentümer verschwenden also große Summen für Strom, und die verschwendete Energie ist eine unnötige Belastung für die Umwelt und das Klima. Thermometergestützte Systeme versuchen, die Verschwendung zu verringern, können aber nur Annahmen auf der Grundlage der Wetterbedingungen treffen. Sie können die tatsächliche Eisbildung auf dem Dach nicht genau genug einschätzen.
Ein US-amerikanisches Unternehmen hat sich mit Maxlab, einem in Kanada ansässigen Anbieter von Computer-Vision-Lösungen, zusammengetan, um mit Bildverarbeitungstechnologie eine Lösung für dieses Problem zu entwickeln. Das System besteht aus einem oder mehreren Kameramodulen (je nach Größe des Daches), die den Schnee- und Eisstand am Dachrand überwachen und die Heizkabel nur bei Bedarf auslösen. Die Kamera lädt die aufgenommenen Bilddaten über einen Smart-Hub zur Verarbeitung in die Cloud hoch. Die Software erkennt nicht nur die Bildung einer Eissperre, sondern führt die Daten auch mit Wetterdaten zusammen, um den Betrieb der Heizkabel weiter zu optimieren. Bei Bedarf werden die Heizkabel eingeschaltet, bleiben aber die meiste Zeit über deaktiviert, weil sie nicht benötigt werden.
Maßgeschneiderte Entwicklung für harte Einsatzbedingungen
„Das entwickelte Kameramodul musste hohe Anforderungen erfüllen, um unter solch schwierigen Bedingungen zu funktionieren“, erklärt Constantin Malynin, Mitgründer von Maxlab. Jedes Modul besteht aus zwei Full-HD-Kameras, die einen Rundumblick auf das Dach ermöglichen. Die Bildsensoren sind infrarotempfindlich und das Modul ist mit Infrarotlicht ausgestattet. So kann es auch bei schlechten Lichtverhältnissen in langen Winternächten funktionieren – und zwar auch dann, wenn die Kamera selbst mit Schnee bedeckt ist.
Das Kameramodul ist wie die Heizkabel fest auf dem Dach installiert. Das bedeutet, dass es den niedrigen Temperaturen des Winters und der Sommerhitze standhalten muss. Daher ist das Modul für den Betrieb in einem Temperaturbereich von -40 bis 80 °C ausgelegt. Das Gehäuse ist zudem UV-beständig und nach IP68 wasserdicht, um den Witterungsbedingungen zu widerstehen. Es ist außerdem so konstruiert, dass es dem Gewicht einer Person standhält, die bei der Installation und Wartung versehentlich darauf tritt.
Eine weitere Besonderheit des Maxlab-Kameramoduls ist sein niedriger Stromverbrauch. Um die Installation auf dem Dach zu vereinfachen, ist die Kamera nicht an eine Stromquelle angeschlossen. Sie wird mit einer Batterie betrieben, die von einem eingebauten Solarpanel geladen wird. Da das gesamte Modul in der Regel wochenlang mit Schnee bedeckt ist, sorgt eine Batterieladung dafür, dass das System den ganzen Winter über autark ist.
Schnelle Entwicklung mit robuster Embedded-Vision-Technologie
Die Entwicklung des Kameramoduls wurde innerhalb von neun Monaten zwischen der ersten Skizze und dem ersten Fertigungslos abgeschlossen. Ermöglicht wurde dies durch die Tokay-Kameraplattform von Maxlab. Tokay ist eine modulare Embedded-Vision-Plattform, die es den Ingenieuren von Maxlab ermöglicht, kundenspezifische Lösungen aus bereits entwickelten und validierten Bausteinen zu entwickeln. „Dieser modulare Plattformansatz ist der Schlüssel zu Maxlabs Fähigkeit, zuverlässige Lösungen wie die Dachkamera innerhalb eines kurzen Zeitrahmens zu liefern“, erklärt Malynin.
Maxlab überwachte den Produktionsanlauf während des ersten Jahres, bevor es die Fertigung an seinen Kunden übergab. Das System wurde inzwischen in Tausenden von Häusern und Einrichtungen in den Vereinigten Staaten verkauft. Der Kunde von Maxlab schätzt, dass durch diese Lösung die Heizkabel in mehr als 90 Prozent der Fälle sicher ausgeschaltet werden können, was dem Eigentümer je nach Größe der Immobilie 100 bis 400 US-Dollar Energiekosten pro Monat erspart. Außerdem entlastet das System das Stromnetz in Zeiten, in denen es am dringendsten benötigt wird. Schließlich spart ein durchschnittliches amerikanisches Haus schätzungsweise 500 bis 1.000 kg CO2 pro Monat.
„Diese Anwendung ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Bildverarbeitungstechnologie einen Beitrag zu einem besseren Planeten leisten kann, indem sie eine Lösung liefert, bei der alle gewinnen: Hausbesitzer schützen ihr Eigentum und sparen Geld, die Stromnetze werden in Stoßzeiten entlastet und das System schützt die Umwelt durch die Reduzierung der CO2-Emissionen. Wir sind stolz darauf, zu solchen Projekten beizutragen, und wir sind überzeugt, dass die Bildverarbeitung ein Teil der Antwort auf viele Umweltprobleme der Zukunft ist“, so Malynin.
Autor
Constantin Malynin, Maxlab