Absolutmessung mit magnetischen Drehgebern
17.08.2017 -
Drehgeber werden überall dort verbaut, wo rotierende Bewegungen und Drehwinkel gemessen, kontrolliert und gesteuert werden müssen. Sie sind somit ein wichtiges Element im gesamten Maschinen- und Anlagenbau, in der Automatisierung und in der Robotik.
Stand der Technik der Messsysteme
Zur Ansteuerung von Motoren oder für andere Aufgaben ist die Winkellage einer Welle zu bestimmen. In vielen Anwendungen werden heute Resolver oder optische Inkrementaldrehgeber dafür eingesetzt. Bei einem Resolver werden die Winkelpositionen in ein analoges Signal umgewandelt, bei dem jede Winkelposition einer bestimmten Signalhöhe entspricht. Damit kann jede Position der Welle eindeutig erfasst werden. Die optischen Inkrementalgeber geben eine definierte Anzahl von Impulsen pro Umdrehung aus. Durch um 90° verschobene Inkrementalsignale können Lage und Drehrichtung ausgewertet werden. Mit einer zusätzlichen Referenzmarke kann eine Absolutposition spätestens nach einer Umdrehung ermittelt werden.
In vielen Anwendungen sind Absolutpositionen erforderlich. Bei einer Absolutposition ist jederzeit eine eindeutige Winkelposition verfügbar. Mit verschiedenen Systemen – Mehrspursysteme nach den Binär- oder Greymustern – können diese absoluten Positionen optisch bestimmt werden. Typischerweise werden die aus der Anzahl der Binärspuren die Anzahl der Positionen abgeleitet. So hat ein 10 Spur-Binärsystem 210 entsprechend 1024 Positionen, also kann eine Umdrehung auf 0,35° aufgelöst werden. Für jede Spur ist ein separater Sensor erforderlich, so dass mit jeder Erhöhung der benötigten Positionen eine deutliche Steigerung der Kosten einhergeht.
Magnetische Drehgeber bieten eine höheren Gestaltungsfreiraum
Ein großer Nachteil der optischen Drehgeber sind die hohen Anforderungen an reine Umgebungsbedingungen. Häufig werden daher Drehgeber als komplett gekapselte Wellenendsysteme aufgebaut, selten als gekapselte Hohlwellensysteme. Typischerweise haben diese Drehencoder als Einkomponentensystem eine Lagerung zwischen einer Welle mit dem rotierenden Maßstab und dem feststehenden Gehäuse mit dem Sensorsystem. Um Verschmutzungen zu vermeiden, werden die optischen Systeme möglichst weit vom Geschehen entfernt montiert, z.B. häufig bei Elektromotoren auf der gegenüberliegenden Seite der Antriebswelle.
Wegen der Unempfindlichkeit gegenüber Schmutz sind magnetische Drehgeber als zwei Komponenten – Maßstab und Sensor – ausgeführt und können an zahlreichen Stellen in einem System eingesetzt werden. Bei den magnetischen Drehgebern werden die Positionen häufig durch ein Muster mit abwechselnden magnetischen Nord- und Südpolen abgebildet. Eine Referenzmarke kann mit einer zusätzlichen Spur abgebildet werden (vgl. Abb. 1). Die Pole werden durch Hall- oder magnetoresistive Sensoren ausgewertet. Alternativ kann ein Zahnrad verwendet werden, dessen magnetische Eigenschaften mit einem Magnetsensor ausgewertet werden.
Während optische Systeme typischerweise nur eine axiale Scheibe als Maßstab verwenden können, können magnetische Systeme als Wellenendsystem mit einem Dipolmagneten und als Hohlwellensystem nicht nur als Axialscheibe, sondern auch als Außen- oder Innentrommel gestaltet werden. Magnetische Drehgeber bieten daher den Konstrukteuren einen deutlich höheren Gestaltungsfreiraum.
Höhere Auflösungen durch magnetische Absolutsysteme
Absolutdrehgeber ermitteln und übertragen die Position als absoluten, d. h. sofort ablesbaren, Wert. Damit stehen die Messwerte unmittelbar nach dem Einschalten zur Verfügung. Auch mit magnetischen Systemen lassen sich Absolutmesssysteme aufbauen. Abhängig von den Sensoren liefern magnetische Wellenendsysteme eine Absolutposition. Typische magnetische Wellenendsysteme liefern eine Auflösung von weniger als 12 Bit, einige wenige ausgewählte Systeme liefern 16 Bit.
Für Hohlwellensysteme sind höhere Auflösungen möglich. In einigen Anwendungen werden mehrere parallele Spuren genutzt, um die gewünschte Auflösung zu erreichen. Es gibt aber auch andere Lösungen, um eine höhere Auflösung zu erlangen. Dazu bieten sich vorzugsweise Nonius-Muster an, bei dem aus dem Phasenbezug zwischen zwei ähnlichen Mustern eine Absolutposition bestimmt werden kann, analog zu einer Schieblehre. So lassen sich derzeit mit magnetischen Nonius-Lösungen eine Auflösung bis zu 223 entsprechend über 8 Millionen Positionen, also eine Auflösung von 0,15 Winkelsekunden erreichen.
Das Schreiben des Polmusters auf den magnetischen Ringen ist bei Absolut-Drehgebern allerdings wesentlich zeitaufwändiger als bei inkrementellen Systemen, da mindestens zwei magnetische Spuren geschrieben werden müssen.
Immer höhere Genauigkeit
Das grundlegende Bauteil – der rotative magnetische Maßstab – ist bei beiden Messverfahren gleich: Die Maßverkörperung besteht aus einem ringförmigen, magnetisierbaren Material (in erster Linie Ferrit-Verbindungen), in dem durch Magnetisierung eine Teilung in magnetische Nord- und Südpole vorgenommen wird. Die am häufigsten eingesetzten Polteilungen liegen dabei zwischen 0,5 mm und 5 mm. Die Entwicklung tendiert jedoch klar zu immer feineren Polteilungen und – in Kombination mit den passenden Sensoren – zu immer höheren Genauigkeiten in den Messungen. Je größer der Maßstab, desto einfacher ist eine hohe Genauigkeit zu erreichen. Die größten bekannten magnetischen Rotationsmaßstäbe haben einen Durchmesser von bis zu 2 Metern.
Magnetische Maßstäbe werden auch den Genauigkeitsanforderungen beim Einsatz in Werkzeugmaschinen oder Robotern gerecht. Nach einer Studie des Magnetspezialisten BOGEN Electronic GmbH unter zahlreichen Entwicklungs- und Applikationsingenieuren gehören die Genauigkeiten der Messsysteme, die heute im mittleren Bereich liegen, bereits im Jahr 2020 zu der unteren Genauigkeitsklasse gehören. Die heutigen hohen Genauigkeitsklassen werden in wenigen Jahren der Standard sein. Die Genauigkeiten insgesamt werden sich um eine Größenordnung verändern.
Magnetisch oder optisch?
Ein großer Vorteil von magnetischen Drehgebern gegenüber optisch arbeitenden Lösungen ist die einfache Integration in bestehende Systeme, ohne Anflanschen eines optischen Drehgebers mit einem Lager. Sie erzeugen keine Bewegungswärme und arbeiten lautlos und verschleißfrei, wodurch keine Kosten für den regelmäßigen Austausch von Ersatzteilen entstehen. Im Gegensatz zu optischen Geräten sind magnetische Drehgeber zudem äußerst unempfindlich gegenüber Verschmutzungen (z. B. durch Staub, Betriebsmittel oder Produktionsrückstände) und Umwelteinflüssen (z. B. Kondensation von Luftfeuchtigkeit). Somit sind die Konstruktion und der Bau von applikationsintegrierten Schutzgehäusen nicht immer zwingend erforderlich und später anfallende Wartungs- und Servicekosten werden reduziert. Starke Stöße oder Vibrationen haben ebenfalls keinen negativen Einfluss auf magnetische Messsysteme, so dass magnetische Drehgeber sogar in schwierigsten Umgebungsbedingungen eingesetzt werden können und auch hier stets fehlerfreie Messergebnisse liefern. Als Beispiel für solche Einsatzbedingungen seien an dieser Stelle Windkraftanlagen genannt. Hier steuern magnetische Drehgeber den Anstellwinkel der Rotorblätter und die Position der Gondel. Einflüsse auf das Messsystem, wie starke Vibrationen durch hohe Wind- und Rotorgeschwindigkeiten, eindringende Feuchtigkeit, eindringender Staub und Temperaturschwankungen im Laufe der Jahreszeiten, haben keinen Einfluss auf magnetische Messlösungen.
In der Vergangenheit waren die magnetischen Drehgeber den optischen in der Genauigkeit unterlegen. Bei Applikationen, in denen sehr präzise Messungen vorgenommen werden mussten, griffen die Konstrukteure daher zwangsweise auf optische Systeme zurück. In jüngster Zeit hat sich die Genauigkeit magnetischer Messlösungen allerdings stark verbessert. BOGEN erreicht mit moderner magnetischer Messtechnologie inzwischen Systemgenauigkeiten von 5 µm und eine Auflösung kleiner als 10 nm. Diese magnetischen Systeme können mit den vielfach eingesetzten optischen Low-End-Systemen durchaus konkurrieren und bieten somit eine kostengünstigere und robustere Alternative.
Immer und überall
Auch in unserer alltäglichen, unmittelbaren Umgebung sind wir von magnetischen Drehgebern umgeben. So hat das Berliner Unternehmen BOGEN für einen der größten Waschanlagen-Hersteller Europas einen magnetischen Drehgeber entwickelt. Ziel dabei war es, ein Messsystem zu konstruieren, dass die Positionierung der Spraydüsen präzisiert und diese optimal zur Fahrzeugkontur ausrichtet. Das System musste außerdem resistent gegenüber den rauen Umgebungsbedingungen einer Waschanlage sein. Da Nässe, Schaum, Schmiermittel, Schmutz und Vibrationen hier zum Alltag gehören, waren die Anforderungen an die Schutzklasse (IP 67) und an die Haltbarkeit der Magnetringe bei starken axialen und radialen Belastungen besonders hoch. Zudem musste sich der Drehgeber in Bezug auf seine Größe in den vom Kunden vorgegebenen Bauraum integrieren lassen.
Trend zur Individualisierung
Solche kundenspezifischen Entwicklungen sind längst keine Seltenheit mehr. Nicht nur im Anlagenbau, sondern auch in allen anderen industriellen Branchen werden immer seltener Drehgeber „von der Stange“ eingesetzt. Vor allem an die Genauigkeit und die Baugröße stellen Kunden aus der Automatisierungstechnik, des Werkzeugmaschinenbaus und der Robotik individuelle Anforderungen, auf die sich die Anbieter einstellen müssen.
Wegen der einfacheren Maßstabsherstellung können magnetische Lösungen einfacher an unterschiedliche Geometrien angepasst werden und durch kleine Messköpfe können extrem platzsparende Lösungen aufgebaut werden.
Aufgrund der kostengünstigen magnetischen Messlösungen finden Absolutmessungen immer stärker ihren Weg in Anwendungen, eine Entwicklung, die auch durch immer mehr verfügbare Steuerungen, die Absolutmessungen unterstützen, vorangetrieben wird. Ein weiterer Vorteil der Absolutmessungen ist die Eignung für höhere Geschwindigkeiten bei hohen Auflösungen gegenüber Inkrementalgebern, da jederzeit eine Position abgefragt werden kann und nicht die mögliche Datenübertragungsgeschwindigkeit zwischen Sensor und Steuerung die Anzahl der übertragbaren Impulse begrenzt.
Höhere Gestaltungsfreiheit, einfachere Integration und bessere Auswertung bei niedrigeren Kosten sind wesentliche Trends, die zu einem stärkeren Einsatz von magnetischen Messlösungen beitragen werden. Wenn noch mehr Steuerungen Absolutsignale verarbeiten können, werden viele optische Drehgeber in den nächsten Produktgenerationen durch magnetische abgelöst werden.
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