Kraftwerk-Leistung im freien Feld messen
19.02.2012 -
Kraftwerk-Leistung im freien Feld messen: Ende der neunziger Jahre begann der heute 37-jährige Ingenieur Sterling Lapinski in den USA mit Versuchen zur Messung der Ausgangsleistung von Kraftwerken, Realtime direkt am Ausgang der Überlandleitungen. Dies hat ihn inzwischen zum Millionär gemacht. Strom mal Spannung korrigiert um φ gibt die Leistung des betreffenden Kraftwerkes, wie man weiß. Der Strom lässt sich zum Beispiel über das Magnetfeld anhand von Referenzspulen oder von Hall-Sonden erfassen, und die Spannung durch die Messung des elektrischen Feldes. Lapinski und seine Partner halten den Enertech Consultants Emdex II Recorder für brauchbar.
Die Sensoren sollen am besten nicht weiter als 20 Meter von den Ausgangsleitungen der Kraftwerke entfernt angebracht sein. Das bedeutet, beispielsweise kleine Böschungen und ähnliches auszunutzen, was immer im Gelände anzutreffen ist. Die Ergebnisse werden per Handy an Auswerte-Rechner übertragen. Meist ist das Umland agrikulturell genutzt. In vielen Landwirten steckt ein kleines bisschen Robin Hood, und sie spielen gerne mit im Spiel gegen die Stromkonzerne. Die eventuell vorhandenen Kühe haben meist weniger Verständnis und können zu einer realen Bedrohung des sensiblen Messapparates werden. Auch die Solarzelle wird gerne geklaut.
Die Stromkonzerne sind von den Versuchen nicht begeistert. Nach Installation eines Sensorsystems im offenen Gelände in der Nähe eines EnBW-Kraftwerkes wurde der Kampfmittel-Räumdienst vorbei geschickt, der erst einmal von der Harmlosigkeit überzeugt werden wollte. Wer diesen schickte, ist bis heute unbekannt. Ein Versuch, die Messungen per Gericht wegen unerlaubter Betriebsspionage verbieten zu lassen, scheiterte. Weil jeder interessierte Laie mit einem besseren Elektronik-Baukasten die Messungen vornehmen kann, sahen die Richter keine Rechte der Konzerne beeinträchtigt. In den USA kam es laut Genscape, der Firma Lapinskis, noch nie zu einem Gerichtsverfahren.
Um einen Überblick über die Stromerzeugung einer Region wie Deutschland zu gewinnen, genügt es nicht, ein einziges Kraftwerk zu überwachen. Erst ab einigen 10-prozentigen Überwachungen erhält man ein vernünftiges Bild der Stromerzeugung. In Deutschland werden etwa 100 Kraftwerke betrieben, plus diversen Strom-Import-Leitungen. Seit die Messergebnisse vorliegen, sind ernste Zweifel an der Zuverlässigkeit der Strommeldungen der Energie-Konzerne entstanden.
Wenn auch nur 500 MW abgeschaltet werden, beginnen die Preise sich in Bewegung zu setzen. Beispiele aus den USA: Genscape meldete am 26. Januar eine Lastreduktion des Kraftwerkes Cooper auf 60 Prozent. Später stellte sich eine Pumpen-Fehlfunktion heraus. An den Strombörsen stieg der Preis pro MWh innerhalb desselben Tages um 8,50 US-$ – das ist ein Wort für Stromspekulanten! Am 21. Februar bemerkte Genscape, das das Kraftwerk Crystal River 3 herunter gefahren wurde. Der Strompreis stieg in Florida innerhalb eines Tages von etwa 50 US-$/MWh um 4,50 US-$; beinahe 10 Prozent!
Genscape setzte 2005 13 Mio. US-$ um. 2006 wurde die Firma für 130 Mio. US-$ an die britische BMG verkauft. Während es in Nordamerika bisher anscheinend keine echte Konkurrenz gibt, begann in Deutschland Diplom-Ökonom Christian Kunze mit dem Verkauf seiner Messergebnisse, und in den skandinavischen Ländern agiert die Firma Montel. Kunze verkauft seine Messergebnisse für etwa 3.000 Euro im Monat; weit weniger als für die Genscape-Messergebisse verlangt werden.
Inzwischen wird bereits an einem Messnetzwerk für die Kühlwasser-Temperaturen gearbeitet. Nähern diese sich im Sommer gewissen Grenzen, müssen die Leistungen heruntergefahren werden – mit Folgen für die Strompreise an den Börsen.
US-Patente US 6,714,000 ; US 6,771,058, WO 2006/11283; J.Optimization Theory 114, pp.171–188 (2002)
Ihr Dr. Tec