Positionierlösung zur Untersuchung großer Glasproben mit dem Rasterkraftmikroskop
20.12.2020 -
Für die Untersuchung besonders großer Glasproben hat Nanosurf, Hersteller von Rasterkraftmikroskopen, gemeinsam mit einem Dresdner Positionierspezialisten zwei individuelle Lösungen entwickelt, die sich durch hohe Präzision und Steifigkeit auszeichnen. Details über die Besonderheiten dieser Konstruktion erfahren Sie in folgendem Artikel.
Anfang der 80er Jahre entwickelten die Physiker Gerd Binnig und Heinrich Rohrer das Rastertunnelmikroskop (Scanning Tunneling Microscope, STM) – und legten damit den Grundstein für die Rastersondenmikroskopie (Scanning Probe Microscopy, SPM). Die Funktionsweise lässt sich gut mit der eines Plattenspielers vergleichen: Ähnlich einer Nadel auf einer Schallplatte tastet eine Sonde die Oberfläche einer Probe ab und sammelt dabei Informationen über deren Beschaffenheit. Dabei nutzt die Rastersondenmikroskopie Wechselwirkungen zwischen Sonde und Probe und ermöglicht so Auflösungen bis in den subatomaren Bereich. Das Ergebnis sind hochgenaue Aufnahmen sehr kleiner Strukturen, die mit optischen beziehungsweise elektronenoptischen Verfahren wie Licht- oder Rasterelektronenmikroskopen nicht realisierbar wären. Für die Analyse, Erforschung und Bearbeitung von Oberflächen ergaben sich damit völlig neue Möglichkeiten – die Nanotechnologie nahm ihren Lauf.
1986 wurden die beiden Wissenschaftler für ihre Erfindung mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Im selben Jahr entwickelten Gerd Binning, Calvin Quate und Christoph Gerber das Rasterkraftmikroskop (Atomic Force Microscope, AFM), mit dem sich – im Gegensatz zum Rastertunnelmikroskop – auch nichtleitende Materialien untersuchen lassen. Das AFM macht sich die zwischen Sonde und Probe auftretenden atomaren Kräfte (unter anderem Van-der-Waals- und Kapillarkräfte) zunutze und ist heute aufgrund seiner zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten der meistgenutzte Typ von SPM.
Auf Erde und Mars gleichermaßen bewährt
Einer der Hersteller solcher Rasterkraftmikroskope ist das Schweizer Hightech-Unternehmen Nanosurf. Eines ihrer AFMs war 2007 an Bord der NASA-Raumsonde Phoenix und half nach Leben auf dem Mars zu suchen. Auch bei der Entwicklung zweier kundenspezifischer Lösungen zur Untersuchung von besonders großen Glassubstraten waren die Schweizer Ingenieure gefragt. Die dafür nötigen großen Steintische, die das AFM von Nanosurf bewegen und halten, wurden von Steinmeyer Mechatronik gebaut. Neben Standardprodukten gehört insbesondere die Entwicklung von individuellen Sonderprojekten zu den Kernkompetenzen des Dresdner Unternehmens für hochgenaue Positioniersysteme. „Mit Steinmeyer Mechatronik haben wir einen kompetenten Partner an unserer Seite, der es uns mit seiner Flexibilität und seinem Ideenreichtum ermöglicht, auch hochkomplexe Einzelanfertigungen zu realisieren“, so Nanosurf-Marketingleiter Dr. Björn Pietzak. Weiterer Pluspunkt: Die Dresdner übernehmen auch die Logistik. Wenn der Positioniertisch fertig ist, kommen die Ingenieure von Nanosurf zu Steinmeyer Mechatronik, bauen gemeinsam das AFM ein und führen vor Ort die notwendigen Tests durch. Von Dresden wird das fertige System dann direkt zum Kunden geschickt. „Das ist für uns von großem Vorteil“, erzählt Pietzak. „Denn derartig große Tische wie im vorliegenden Fall würden wir bei uns noch nicht einmal durch die Tür bekommen. Deshalb kommt Steinmeyer Mechatronik bei uns vor allem immer dann ins Spiel, wenn die Proben besonders groß und schwer werden.“
Aufgetischt
Immerhin verfügt der größere der beiden Tische über Abmessungen von 1,45 x 2,2 m und wiegt 2,25 t. Proben bis zu einer Breite von 54 cm, einer Länge von 1,5 m sowie einer Höhe von 21 cm können so untersucht werden. Das maximale Probengewicht beträgt 500 kg. Das XYZ-System zeichnet sich durch Verfahrwege von 55 cm, 1,55 m sowie 5 cm aus. Ein Riemenantrieb sowie ein Schrittmotor sorgen für die Bewegung und erreichen Geschwindigkeiten bis zu 30 mm/s. Im Gegensatz dazu erscheint sein kleinerer Bruder fast schmächtig. Mit einer Größe von 53 x 59 cm sowie einer Höhe von 47 cm ist er ebenfalls kompakt gebaut. Der XYZ-Tisch verfügt über Verfahrwege von 15 x 27,5 cm auf der horizontalen Ebene sowie 5 cm in der Vertikalen und fasst Proben mit einer maximalen Größe von 25 x 70 x 17,5 cm. Zum Vergleich: Eine AFM-Probe ist in der Regel 1 x 1 cm groß und 1 mm hoch. Angetrieben wird das System mit einer Spindel und einem Schrittmotor. Der 130 kg schwere Tisch kann Proben mit einem Maximalgewicht von 150 kg aufnehmen.
Beide Gantry-Systeme bestehen aus Granit. Über einer u-förmigen Probenplattform befindet sich eine bewegliche Traverse, die das Rasterkraftmikroskop von Nanosurf hält. Damit lässt sich das Messinstrument des AFMs – der sogenannte Cantilever, eine elastische Blattfeder mit einer nanoskopisch kleinen Spitze (auch „Tip“ genannt) am Ende, exakt ausrichten und zu jedem beliebigen Punkt innerhalb der U-Form bewegen. Fährt der Cantilever das Oberflächenrelief einer Probe ab, führen die zwischen Cantilever und Probe auftretenden anziehenden und abstoßenden Kräfte zu einer Auslenkung der Blattfeder. Diese wird mithilfe eines Laserstrahls erfasst und aufgezeichnet. So ergibt sich ein hochgenaues Bild. Eine Auflösung von 1 µm sowie eine Positioniergenauigkeit von ±5 µm, wie sie die beiden motorisierten XYZ-Systeme aufweisen, sind dafür unerlässlich.
In der Ruhe liegt die Kraft
Das Besondere der Konstruktion: Die Traverse bewegt sich auf speziell entwickelten Luftlagern. Sie schwebt quasi auf einem rund 5 µm dicken Luftspalt und arbeitet so praktisch berührungslos und verschleißfrei. Das garantiert eine hohe Lebensdauer. Weiterer Vorteil: Mithilfe der Luftlager kann eine sehr hohe Steifigkeit erreicht werden. Sobald der Messkopf in Position gebracht ist, wird die Luft aus den Lagern gelassen und das System durch seine interne Vorspannung fixiert. Auch die gesamte Masse der Querachse liegt dann direkt auf dem Basisgranit auf und sorgt so für Stabilität. „Das ist enorm wichtig. Denn wenn das AFM steht, darf es sich nicht mehr bewegen. Schließlich sollen Höhenunterschiede von einem Nanometer oder weniger reproduzierbar gemessen werden“, erklärt Pietzak. „Dafür muss das AFM atomar stabil sein. Würde es schwingen – selbst, wenn es nur wenige Nanometer wären – wären die Messergebnisse unbrauchbar.“ Beim großen Tisch wurden zudem unter dem Granit noch sechs Füße als extra Schwingungsdämpfer montiert, um das System zusätzlich vor Gebäudeschwingungen zu schützen.
Kontakt
Steinmeyer Mechatronik GmbH
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