Temperaturmessung und Signalerfassung in der Klimakammer bei Miele
17.06.2011 -
Qualität, Innovationskraft, Tradition - das sind Werte, denen sich die Miele & Cie. KG seit der Unternehmensgründung im Jahr 1899 verpflichtet hat. Getreu der Leitlinie „Immer besser" steht der Name Miele für die Entwicklung und die Produktion von Hausgeräten und Geräten für gewerbliche Anwendungen, die höchsten Qualitätsansprüchen genügen. Die Qualitätssicherung und die Rückkopplung von Mess- und Prüfdaten in sämtliche relevanten Prozesse gehören zu den Erfolgsfaktoren der Marke Miele. Seit rund zwei Jahren ist die „Scientific Automation" von Beckhoff in diese Teilprozesse eingebunden.
Das Familienunternehmen Miele, mit dem Hauptsitz in Gütersloh in Deutschland, fertigt seit Generationen Premium-Hausgeräte und hochwertige Gewerbegeräte, die auf hohe Qualität, lange Lebensdauer und nachhaltige Ressourcenschonung ausgelegt sind. Zum umfangreichen Produktportfolio gehören Waschmaschinen, Wäschetrockner, Einbauherde und -Backöfen, Geschirrspüler, Kühl-/Gefriergeräte, Kaffeevollautomaten, Mikrowellengeräte und vieles mehr.
Entwicklungscenter mit 11 Klimakammern
Zum Zentralbereich im Miele-Werk Gütersloh gehört auch die Grundlagenentwicklung des Geschäftsbereichs „Cooling & Coffee International" (CCI). „Das CCI-Test- und Entwicklungscenter umfasst 11 Klimakammern mit insgesamt 14 eigenständigen Messsystemen, in denen Kühl- und Gefriergeräte, Kaffeevollautomaten sowie Mikrowellengeräte auf ‚Herz und Nieren' geprüft werden", berichtet Benjamin Held, Entwicklungsingenieur in der CCI-Grundlagenentwicklung. In einer Klimakammer befindet sich üblicherweise ein Messsystem mit vier Messplätzen. Einige Klimakammern wurden jedoch mit der doppelten Anzahl ausgestattet, so dass für die CCI-Grundlagenentwicklung insgesamt 56 Messplätze zur Verfügung stehen.
Alle Messplätze sind mit Automatisierungs- und Messtechnik von Beckhoff ausgerüstet. So sind pro Messsystem 80 Messkanäle für die hochpräzise Temperaturerfassung mit PT100-Sensoren vorhanden. Hinzu kommen Anschlüsse für 80 Thermoelemente und jeweils 20 analoge und 20 digitale Ein- und Ausgänge. Sämtliche Anschlusspunkte sind auf Basis von EtherCAT-Klemmen realisiert. Als zentrale Steuerung der Klimakammer dient jeweils ein Industrie-PC C6650. Über ein in die Schaltschranktür eingebautes Control Panel CP6903 erfolgen die Visualisierung der Anwendung und der Dialog mit der SPS. Als Software-SPS ist TwinCAT PLC im Einsatz.
Einsatzorte in aller Welt erfordern Klimaprüfungen
Klimaprüfungen haben bei Miele einen sehr hohen Stellenwert, weil die Kältetechnik äußerst sensibel auf klimatische Verhältnisse reagiert. Da die Kühlgeräte weltweit eingesetzt werden und rund um die Uhr und Jahr für Jahr unterbrechungsfrei laufen müssen, sind sämtliche Betriebsbedingungen zu evaluieren. Hierzu führt Benjamin Held an: „Unsere Kühl- und Gefriergeräte werden ja nicht nur in europäischen Haushalten eingesetzt. Abhängig vom Aufstellungsort, z. B. in Asien oder in der arabischen Welt, können Temperaturen bis zu +43 °C und eine Luftfeuchtigkeit bis zu 90 % rF herrschen. Deshalb wurden sogenannte Klimaklassen spezifiziert, deren Einhaltung normgerecht abgeprüft wird. Zudem werden z. B. Transportbedingungen simuliert, wobei Geräte einem Temperaturbereich von -20 °C bis +60 °C ausgesetzt werden."
Neben den flexiblen Prüf- und Testmöglichkeiten ist eine präzise Temperaturmessung besonders wichtig für Miele. Das erklärte Ziel ist die hochgenaue Temperaturmessung in den Geräten sowie die präzise Regelung der Temperatur in den Klimakammern. Die Temperatur ist grundsätzlich eine kritische Prozessgröße, die während der ein- bis dreiwöchigen Prüfzeiträume durchgängig erfasst und ausgewertet wird.
Auf der Basis von „Scientific Automation", der Erweiterung der Automatisierungstechnik für messtechnische Aufgaben, hat Beckhoff spezielle Feldbusklemmen für hochgenaue Temperaturmessung entwickelt. Die übliche Genauigkeit von PT100-Klemmen in Industrieanwendungen beträgt etwa ±1 °C. Die bei Miele eingesetzten EtherCAT-Temperaturmessklemmen liefern eine Genauigkeit von ±0,1 °C, was eine Verbesserung um den Faktor 10 darstellt. Michael Jost, Produktmanager EtherCAT und I/O-Systeme von Beckhoff, beschreibt den Zusammenhang folgendermaßen: „Bei den hochgenauen Temperaturklemmen EL3201-0020 handelt es sich um eine messtechnische Baugruppe, die in der Fertigung einem speziellen Abgleich unterliegt. Wie bei hochpräziser Messtechnik notwendig, wird die werksseitige Kalibrierung in einem individuellen Zertifikat protokolliert. Diese systemkonforme Messtechnik ist Grundlage zur Integration hochperformanter und hochgenauer Messtechnik ohne spezielle Baugruppen. Wenn Klimaklassen sehr genau zu prüfen sind, dann müssen auch die Toleranzen eingehalten werden. Um dies sicherzustellen, muss die Regelungstechnik immer noch einen Schritt besser sein: Aus unserer Sicht muss das Messmittel um den Faktor 10 besser sein als das, was man hinterher damit abgleichen will."
Hochgenaue Signalerfassung mit skalierbarer Präzision
Als zweite Klima-Kenngröße wird bei Miele die Luftfeuchtigkeit erfasst. „Wir verwenden dazu externe Messmittel, d.h. wir haben Feuchtefühler im Einsatz, die ebenfalls im hohen Präzisionsbereich arbeiten. Deren analoges Ausgangssignal wird auf Analog-Eingangsklemmen geschaltet", sagt Benjamin Held. Auch für diese Anwendung gibt es mit der EtherCAT-Klemme EL3602 eine präzise Zwei-Kanal-Analog-Eingangsklemme, wie Michael Jost berichtet: „Die analoge EtherCAT-Eingangsklemme EL3602 verarbeitet Signale in den Bereichen: ±10 V, ±5 V, ±2,5 V und ±1,25 V. Die Spannung wird mit einer Auflösung von 24 Bit digitalisiert und galvanisch getrennt als Messwert zur übergeordneten Steuerung übertragen. Die Eingangskanäle sind Differenzeingänge und besitzen ein gemeinsames, internes Massepotential."
Die Leistungsfähigkeit der EtherCAT-Klemmen geht über eine hochpräzise Signalerfassung hinaus, denn letztlich ist auch die mögliche Frequenz der Messwerterfassung bei den Klemmen sehr hoch. „Unsere Prüfabläufe erfolgen überwiegend mit relativ niedrigen Taktraten von 30 Sekunden bis zu einer Minute", erläutert Benjamin Held. „Somit nutzen wir hauptsächlich die Präzision der Messklemmen und weniger deren Schnelligkeit. Andererseits müssen wir unterschiedlichste Prüfbedingungen und Vorgaben umsetzen, insbesondere für Normprüfungen und Energieverbrauchsmessungen, und dabei eine absolut zuverlässige und genaue Ergebniskurve garantieren." Deshalb setzen die Miele-Experten ihre Schwerpunkte auf Grundfunktionen und, je nach Bedarf, auf Spezialfunktionen. Grundsätzlich werden Normprüfungen mit umfangreicher Vorbereitung durchgeführt, mit Prüfbeladung und mit ausgiebiger Messtechnik. „Bei solchen Vorgängen werden schnell mal 20 bis 30 Temperatursensoren in dem zu prüfenden Gerät verteilt eingesetzt. Des Weiteren werden auch dynamische Prüfungen gefahren, z. B. bei der ersten Inbetriebnahme", erklärt Benjamin Held: „Wir bringen auch Störgrößen in Prüfabläufe ein. Beispielsweise verwenden wir warme oder gefrorene Lebensmittel bzw. genormte Prüfpakete, oder das Kühlgerät wird auf- und zugemacht. Das sind beliebige Variationen, die abzubilden und zu prüfen sind."
Automatisierte Prüfebene
Die Sensorebene ist bekanntlich nur ein Teil einer prüf- und regelungstechnischen Aufgabe; die Ansteuerung von Stellgliedern oder Reglern macht einen weiteren Teil aus. „Die Aktoren sind nicht einheitlich. So können einfache Stellglieder, wie Lüfter, direkt angesteuert werden. Andere Stellglieder, z. B. Verstärker oder Regler, werden über Analog-Ausgangsklemmen angesteuert", sagt Benjamin Held mit dem Hinweis, dass Kühlgeräte heutzutage nicht nur mit einem Kompressorkreislauf bzw. einem Kälteerzeuger oder Verdichter ausgestattet sind, sondern teilweise über zwei kombinierte Verdichter verfügen. Des Weiteren setzt Miele auch drehzahlgeregelte Verdichter ein, wodurch umfangreiche Arbeits- und Forschungsmöglichkeiten bestehen. Zusätzlich können - je nach Klimaklasse und Gerät - auch sogenannte Winterschaltungen implementiert sein. Oder es sind in einem Gerät Lüfter integriert, die eine dynamische Kühlung mit genauer Temperaturverteilung ermöglichen.
Benjamin Held bewertet diesen Zusammenhang folgendermaßen: „Es sind sehr viele Parameter vorhanden, mit denen die Mess- und Prüfaufgaben gesteuert werden. Wichtig ist für uns, dass wir mit der automatisierten Mess- und Prüftechnik möglichst variabel sind, um schnell und genau die Stellgrößen variieren zu können. Durch die eingesetzte Beckhoff-Plattform können wir diese Anforderungen programmtechnisch einbinden und die Messabläufe quasi automatisieren. Das hat insbesondere für die Qualitätsprüfungen einen sehr hohen Stellenwert, weil wir es mit den Programmabläufen schaffen, den großen Durchsatz an zu prüfenden Geräten zu realisieren."
Die Sensordaten der Mess- und Prüfaufgaben der Klimakammern werden über die standardisierte OPC-Schnittstelle von TwinCAT an das überlagerte Messdatenerfassungssystem von Miele übertragen. „Auf diese Weise können wir andere, externe Messgeräte, wie z. B. unsere mobilen Energiemessgeräte, problemlos ankoppeln", berichtet Benjamin Held.(pe)