Automatisierung

Signalaufzeichnung in Schachtförderanlagen: Ein System für die Protokollierung von Messdaten, Fehlersuche und Ursachenanalyse

09.12.2015 -

Schachtförderanlagen transportieren nicht nur Materialien, sondern auch Menschen. Entsprechend hoch sind die Sicherheitsanforderungen. So fordern Prüfinstitute die lückenlose und unabhängige Signalaufzeichnung. Praktisch, dass der Betreiber das hier eingesetzte Messdatenaufzeichnungssystem auch zur Ursachenanalyse einsetzen kann.

Schachtförderanlagen sind das Herzstück eines Bergwerks. Aus bis zu 3.000 Metern Tiefe heben die Anlagen fossile Brennstoffe, Erze, Salze, Industriemineralien – aber auch Personen. Aufgrund des weltweit steigenden Bedarfs an Bodenschätzen wird das Erschließen immer tieferer Rohstoffbergwerke erforderlich. So werden effiziente Anlagen in immer höheren technischen Dimensionen gefordert. Die Maschinen des Systemanbieters Siemag Tecberg zum Beispiel bewegen Nutzlasten von 60.000 Kilogramm bei einer Geschwindigkeit von bis zu 20 Metern pro Sekunde mit Hilfe von zehn Förderseilen aus der Tiefe an die Erdoberfläche. Doch mit den technischen Ansprüchen steigen auch die Anforderungen an die Betriebssicherheit der Seile, Fördergerüste, Führungseinrichtungen und anderer maschinentechnischer und elektrotechnischer Anlagenteile. Das gilt vor allem für sicherheitsrelevante Komponenten, an denen das Leben von Personen hängt, wie den Fahrtregler. Für die komplexen Systeme der Schachtfördertechnik sind laut Verordnungen wie der „Technischen Anforderungen an Schacht- und Schrägförderanlagen“ (TAS) oder der „Bergverordnung für Schacht- und Schrägförderanlagen“ (BVOS) umfangreiche Prüfungen bei der Inbetriebnahme wie auch die Dokumentation und Langzeitarchivierung von Anlagendaten während des laufenden Betriebes gefordert. Diese Vorschriften gelten auch für die jeweiligen Auftragspartner. Das Unternehmen Fest, Lösungsanbieter für die Automatisierungs- und Antriebstechnik von Industrieanlagen, liefert einen Teil der elektrotechnischen Ausrüstung für die Schachtförderanlagen von Siemag Tecberg, zum Beispiel in die Türkei und nach Deutschland. Von Fest kommen beispielsweise die Hauptantriebe sowie Bereiche der Leistungselektronik. Für die gesetzlich vorgeschriebene Signalregistrierung hat der Antriebstechnik-Spezialist das Messdatenaufzeichnungssystem von Iba installiert. Dieses dient in erster Linie der Protokollierung der Prozessdaten aus der Steuerung und dem Antrieb und wird in einem zweiten Schritt zur Ursachenanalyse bei Störungen, zur Qualitätskontrolle sowie zur Optimierung von Inbetriebnahmen genutzt. „Aus unserer Sicht gibt es kein System, das den Leistungsumfang von Iba bietet. Mit dem Iba-System lassen sich nicht nur Prozessdaten archivieren, es können zudem auch Berechnungen angestellt werden, um eine Anlage zu optimieren. Diese Anforderungen sind über die Steuerung allein oft nur schwer zu bewerkstelligen“, berichtet David Peters, Projektingenieur bei Fest.

Überwachung am Beispiel Fahrtregler
Grundsätzlich nutzt Fest das Iba-System mit zwei Schnittstellen – zum einen zur Steuerung der Schachtförderanlage, zum anderen zum Hauptantrieb, für den relevante Daten wie Motorströme, Momente, Drehzahlen, Betriebs- und Störmeldungen mitgeschrieben werden. Am Beispiel des Fahrtreglers wird die Aufgabe und Funktion des Systems für die technische Anlagenüberwachung deutlich. Die Fahrtregler-Funktion ist integraler Bestandteil der Steuerung für Fördermaschinen. Die Steuerungs- und Überwachungssysteme der Siemag-Tecberg-Fahrtregler sind mit Siemens-Komponenten realisiert. Jedes Teil besteht aus einer SPS und einem unterlagerten Positionierregler vom Typ Simotion C240. Die SPSen sind über Profibus sowohl untereinander als auch mit den Simotion-Geräten verbunden. Jede Positionierregelung wird von Inkremental-Gebern mit Informationen zur Berechnung der Geschwindigkeit und der Tiefe versorgt und berechnet diese unabhängig.
Der Fahrtregler steuert den Antrieb, der den Seilträger antreibt und das Fördermittel in die Tiefe und wieder nach oben fahren lässt. Dieser Antrieb gibt diverse Daten aus, die aufgezeichnet werden können: Zum einen handelt es sich dabei um die Spannung, mit der der Motor betrieben wird und um die Motorströme, zum anderen werden Werte ermittelt wie die Drehzahl, Temperatur des Motors und der Lager sowie die Frequenzen, mit denen der Motor angesteuert wird. Die Bremssteuerung der hydraulischen oder pneumatischen Bremse, die im Normalbetrieb den Seilträger im Stillstand festhält und in einem Störfall das Fördermittel geregelt zum Stillstand bringt, ist entweder im Fahrtregler integriert oder kommuniziert so mit diesem, dass das Messdatenaufzeichnungssystem die relevante Daten erfassen kann. Dies sind zum Beispiel Betriebswerte wie der Hydraulikdruck oder auch Temperaturen und Durchflussgeschwindigkeiten, so dass im Fehlerfall das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten zu erkennen ist. „Wir sehen so zum Beispiel, wo ein Lager heiß gelaufen ist, erkennen, dass daraufhin die Motorströme angestiegen sind und der Korb blockiert wurde“, so Peters.

Ursachenanalyse, Optimierung und Rückverfolgbarkeit
Das Iba-System erlaubt auch während des laufenden Betriebs eine Ursachenanalyse bei Störungen durchzuführen. Die Fahrtregler haben meist selbst eine Diagnosefunktion integriert, ein sogenanntes Statuswort, das an die Steuerung gesendet wird. Auch dieses wird von dem System erfasst, und damit auch Störsignale wie Überlast oder Übertemperatur. Diese werden digital vom Fahrtregler ausgegeben und über das Messwerterfassungssystem mitgeschrieben. Zwar reagiert die Steuerung auf diese Störmeldungen, und nicht das Iba-System. Doch Peters erläutert den Effekt: „Das Iba-System gibt die Störung an übergeordnete Leitsysteme mit exaktem Zeitbezug zu den anderen aufgezeichneten Signalen weiter, so dass wir nachvollziehen können, warum diese Störung gekommen ist. Es geht hier um die Analyse; so kann man die Ursache begreifen.“
Mit dem Iba-System lassen sich nicht nur Prozessdaten aufzeichnen, es können auch Berechnungen mit den Signalen durchgeführt und Frequenzen gefiltert werden. Auf diese Weise können die Anlagen optimiert werden. Es sind Vergleiche unter den einzelnen Fahrten der Fördermittel, zu anderen Anlagen innerhalb eines Werkes und auch zu anderen Standorten möglich. Fest hat die Erfahrung gemacht, dass Anlagenbetreiber das in den Schachtförderanlagen eingesetzte Iba-System entsprechend der Applikation erweitern. „Ist Iba einmal installiert, kann es auch zur Überwachung anderer Komponenten eingesetzt werden“, so Peters. Die Prozessankopplung des Iba-Systems ist modular und erweiterbar aufgebaut, so dass sich das Messsystem problemlos in andere Anlagenteile einklinken und auch andere Bestandteile der Anlage erfassen kann.
Entsprechend der hohen Sicherheitsanforderungen an Schachtförderanlagen gelten für die Datenerfassung besondere Vorschriften hinsichtlich der Speicherung und Archivierung der Daten. Das Iba-System schreibt rückverfolgbare Messdateien, die auf jedem Rechner mit einem Analyseprogramm betrachtet und beliebig oft auf Wechseldatenträgern kopiert, gesichert und archiviert werden können. „So lassen sich die Messdaten einzeln und bei Bedarf für bestimmte Zeiträume auch an Dritte wie etwa Prüfinstitute weitergeben“, erklärt Peters. Zur Archivierung der Daten nutzt Fest den IbaRackline-Server, einen leistungsstarken Industrierechner mit einer Hochleistungsfestplatte in SAS-Technik und Einschüben für weitere Festplatten.

Mit Schattensystemen unterbrechungsfrei arbeiten
Fest setzt das Messdatenerfassungssystem bereits in der Phase der Inbetriebnahme ein, um Störungen zu beseitigen und Regelkreise zu optimieren. Beispielsweise kann die Bremsensteuerung anhand der Messdaten so eingestellt werden, dass die Bremse im richtigen Moment anfängt zu reagieren und zum Stehen kommt. „Ohne Iba wäre die Inbetriebnahme deutlich komplizierter. Wir müssten mit externen Systemen wie einer Stoppuhr messen oder zusätzliche Überwachungsfunktionen in der Steuerung nachlegen. Das wäre viel Aufwand“, erklärt Peters. „Die Inbetriebnahmen werden mit dem Messsystem beschleunigt, damit die Anlage möglichst optimal arbeitet.“ Bei der Modernisierung einer Anlage lassen sich mit dem Iba-System sogenannte Schattensysteme aufbauen. Es werden Signale in der bestehenden Anlage aufgezeichnet und parallel dazu die neuen Anlagenkomponenten überwacht. Wenn die Signale deckungsgleich zueinander sind, ist der richtige Zeitpunkt, von der alten Anlage auf die neue umzuschalten. Mit der neuen Anlage lässt sich nahezu unterbrechungsfrei weiterarbeiten.

Weiteres Beispiel: Anlagenmodernisierung
Das Zusammenspiel von Steuerung, Antrieb und Messdatenaufzeichnungssystem wird am Beispiel eines Modernisierungsprojekts bei der Firma Glückauf Sondershausen Entwicklungs- und Sicherungsgesellschaft deutlich. Neben der Antriebstechnik mit zwei 500-kW-DC-Motoren wurden in der Schachtförderanlage auch der Fahrtregler, die Bremsensteuerung und die Schachtsignalanlage erneuert. Installiert ist ein IbaRackline-Industrie-PC mit dem Prozessdatenaufzeichnungssystem IbaPDA. Dieses wird in mehreren Varianten bezüglich der Signalanzahl angeboten. Zur Verfügung stehen Lizenzen für 64, 256, 1.024 und 2.048 Signale sowie für eine unbegrenzte Anzahl Signale. Die Signale werden über das Profibus-Sniffer-Modul IbaBM-DPM-S, das über Profibus die prozessrelevanten Daten erhält, erfasst. Mit einer IbaFOB-Karte werden die über Lichtwellenleiter seriell übertragenen Daten in den Mess-PC eingekoppelt und synchronisiert. Bei einer Anlagen-Modernisierung wie in Sondershausen kommt noch ein weitere Aspekt von Iba zum Tragen: die Konnektivität. Dazu Peters: „Iba ist so vielfältig, dass wir frei darin sind, was wir einsetzen. Wir müssen nicht darauf achten, welche Antriebe und Steuerungen wir implementieren.“ Die Funktion des Iba-Systems geht damit über die reine Protokollierung von Messdaten nach gesetzlichen Anforderungen hinaus.

Kontakt

iba AG

Königswarterstr. 44
90762 Fürth

+49 911 97282 0
+49 911 97282 33

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