Automatisierung

Piezomotoren für Vakuumanwendungen

24.06.2020 -

Für herkömmliche Motoren ist Vakuum ein Ausschlusskriterium. Miniaturmotoren eines schwedischen Herstellers aber halten dem starken Magnetfeld im Vakuum stand und werden unter anderem in Teilchenbeschleunigern und Elektronenmikroskopen verbaut.

Vakuum meint den Zustand eines Gases in einem Volumen bei Druck, der deutlich geringer ist als der normale Atmosphärendruck. Dadurch entsteht ein Raum, der weitgehend partikelfrei ist. Das Vakuum unterscheiden die Wissenschaftler nach der Menge der verbleibenden Materie und des vorherrschenden Gasdrucks – von Grobvakuum mit 300 bis 1 mbar bis hin zu Ultrahochvakuum mit bis 10-10 mbar, was in etwa den Verhältnissen im erdnahen Weltraum und im Teilchenbeschleuniger entspricht.

Herkömmliche Elektromotoren sind für Vakuum weitestgehend ungeeignet und kommen nur unter hohem Anpassungsaufwand der verwendeten Materialien in Betracht. Die Motorkomponenten gasen im Vakuum aus und zerstören die Funktionalitäten, die austretenden Materialien schlagen sich an den umliegenden Wänden und Komponenten nieder. „Viele Öle und Fette, die ein DC-Motor im Kugellager beispielsweise benötigt, verdampfen im Vakuum“, erklärt Pontus Fischer vom Suna Precision. Das Hamburger Unternehmen ist eine Ausgliederung des Forschungszentrums Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY) und spezialisiert auf Nanopositionierung, Automatisierung und Synchrotronstrahlung.

Zusätzlich zur Zerstörung des Motors führt die Ausgasung zur Verschmutzung der optischen Präzisionskomponenten und empfindlichen Materialien im Vakuum. „Wir arbeiten mit Elektronen oder Röntgenlicht, und Luft streut das Messsignal wie ein Scheinwerfer im Nebel. Elektronen würden mit Luftmolekülen kollidieren und es käme kein Signal zu den Sensoren – die Elektronen würden in einem Ein-Millimeter-Bereich gestreut.“ Auch aus den Motorblechen, Wicklungen und Metalloberflächen des Motors können noch Luftmoleküle austreten, sofern die Oberflächen nicht entsprechend behandelt wurden. Diese möglichen Leckagen haben einerseits lange Abpumpzeiten zur Folge und können andererseits langfristig zu unzureichendem Vakuum führen. Unerwünschte Koronaeffekte sind die Folge von Stromfluss zwischen ungeschützten Hochspannungsleitern durch ionisierte Luft.
Einen Motor im Vakuum zu betreiben ist für Ingenieure demnach eine besondere Herausforderung. Um Proben, Spiegel oder Sensoren in Vakuumkammern zu bewegen und zu positionieren, wurden Motoren und Antriebsmechanismen in der Vergangenheit meist außerhalb installiert. So können durch ungeeignete Motoren verursachte Ausgasung und Verunreinigung vermieden werden. Das Problem: Die externe Steuerungslösung bringt viele Nachteile mit sich und bedeutet für Positioniersysteme Einschränkungen in Genauigkeit, Wiederholbarkeit und Auflösung. Die externen Motoren treiben mittels Achsdurchführung die Mechanik im Kammerinneren an – spätestens bei mehrdimensionalen Bewegungen wird das kompliziert, hier werden Umlenk-Kupplungen und aufwändige Mechanik benötigt, die den ohnehin meist raren Platz verbrauchen. Da die Dichtung der Durchführung ein Verschleißteil ist, könnte sie selbst das Vakuum zerstören.

Piezoeffekt hebelt Nachteile aus

Daher werden für Vakuumanwendungen zunehmend spezielle Motoren verwendet, die diesen einzigartigen Umgebungsbedingungen standhalten und unmittelbar in der Kammer installiert werden können. Diese In-Vakuum-Technologien sind aufwändig und verlangen eine deutlich bessere Temperaturbeständigkeit als Standardmotoren, da die typische Konvektionskühlung entfällt. Piezomotoren indes sind prädestiniert dafür, im Vakuum zu arbeiten. Sie benötigen keine Schmiermittel, verursachen keinen Abrieb und keine Verlustwärme. Warum sind Piezomotoren noch für das Vakuum geeignet? Die Lösung ist die Piezoelektrizität, das heißt die Änderung der elektrischen Polarisation durch mechanische Belastung. Um eine Bewegung zu erzeugen, kommt der so genannte inverse piezoelektrische Effekt zum Zuge, indem an piezoelektrisches Material eine äußere Spannung angelegt wird. Diesem Wirkprinzip bedienen sich die vom schwedischen Unternehmen PiezoMotor entwickelten Piezo-Legs: Beine aus Keramik können so sowohl verlängert als auch seitlich gebogen werden. Entsprechende Antriebssignale bewirken eine synchronisierte Bewegung der paarweise angeordneten Beine. Dadurch startet eine Bewegung im Submikrometer- bis Nanometerbereich, welche die Linear- und rotierenden Motoren antreibt.

„Wir haben vor neun Jahren angefangen, mit PiezoMotor zu arbeiten“, erzählt Pontus Fischer. Das Unternehmen Suna Precision fungiert als Systemintegrator von PiezoMotor und bietet die Implementierung der Miniaturmotoren samt Motion Control in die jeweilige Anwendung an. „Für PiezoMotor haben wir uns entschieden, weil die Motoren unseren Ansprüchen an Präzision gerecht werden – und weil sie ohne Probleme im Vakuum arbeiten.“ Suna Precision stellt unter anderem Verschiebe- und Drehtische her, die für Anwendungen im Vakuum geeignet sind. „Piezomotoren im geschlossenen Regelkreis sind die idealen Stellglieder für die Stufen an Vakuum, die wir benötigen“, erklärt Pontus Fischer.

„Wir bauen die Motoren mit Materialien, die dem Vakuum entsprechen, und stellen sie so sauber wie möglich her“, bestätigt Mats Bexell, Unternehmensgründer von PiezoMotor. „Sie bestehen aus Edelstahl und Keramik, die vakuum- und weltraumtauglich ist.“ So gewährleisten die Vollkeramik-Isolieraktoren Ausgasungsfreiheit und hohe Ausheiztemperaturen – optimale Voraussetzungen für den Einsatz im Ultrahochvakuum. Ohne bewegliche Teile wie Zahnräder oder Lager sind sie zudem verschleißfrei. Langzeituntersuchungen haben die Tauglichkeit bestätigt.

Kontakt

PiezoMotor Uppsala AB

Stålgatan 14
754 50 Uppsala

+46 18 489 50 00

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