Automatisierung

Im Interview: Marc Seeländer, Escha, über Steckverbinder für die Bahn

08.10.2019 -

Rundsteckverbinder in hohen IP-Schutzklassen zählen in industriellen Anwendungen zum Standard. Marc Seeländer, Business Development Manager bei Escha, erklärt, wie sich die Vorteile dieser Technologie auf die Bahnindustrie übertragen lassen und welche Neuheiten das Unternehmen in den vergangenen sechs Monaten vorgestellt hat.

Wie haben Sie es geschafft, die Vorteile des industriellen Rundsteckverbinders mit den hohen und spezifischen Anforderungen der Bahnindustrie zu vereinen?

Marc Seeländer: In Bezug auf Wasser- und Staubdichtigkeit sowie Vielfältigkeit und Varianz ist der industrielle Rundsteckverbinder unschlagbar. Durch seine Kunststoffumspritzung bietet er eine hohe Sicherheit und Zuverlässigkeit. Zudem lassen sich vorgefertigte Steckverbinder wesentlich schneller einbauen als eine manuelle Verkabelung über Klemmen. Letztendlich führt das zu einer hohen Kostenersparnis auf Kundenseite.
Bei Escha haben wir uns vor ein paar Jahren die Frage gestellt, wie wir diese Vorteile auf die Bahnindustrie übertragen können. Dazu haben wir uns intensiv mit den spezifischen Anforderungen der Bahnindustrie auseinandergesetzt, die sich aufgrund der hohen Sicherheitsansprüche und rauen Umwelteinflüsse ergeben. Indem wir besondere Materialien verwenden, umfangreiche Produkttests durchführen und zusätzliche Serviceleistungen anbieten, konnten wir ein Produktportfolio für Bahnapplikationen auflegen und im Markt etablieren. Alle Produkte, die diese Anforderungen erfüllen erhalten bei uns den Zusatz rail approved.

Können Sie spezifizieren, inwieweit die hohen Sicherheitsansprüche und rauen Umweltbedingungen die Produktentwicklung beeinflusst haben?

Für die Bahnindustrie gilt seit März 2013 eine europaweit einheitliche Norm in Bezug auf die Brandeigenschaften von Materialien, die innerhalb von Schienenfahrzeugen eingesetzt werden. Die entsprechende DIN EN 45545-2 gibt unter anderem Standards für die Rauchgasdichte, Brennbarkeit und Entflammbarkeit sowie das Abtropfverhalten der Materialien vor. Durch spezielle Materialien für Umspritzung und Kontaktträger sowie diverse hochwertige Kabelqualitäten tragen wir dieser Brandschutznorm Rechnung. Wir bieten unseren Kunden die dafür notwendigen Dokumentationen und Zertifikate.
Damit die Steckverbinder zuverlässig funktionieren, müssen sie den rauen Umwelteinflüssen widerstehen, denen sie innerhalb oder außerhalb eines Zugs ausgesetzt sind. Dazu zählen unter anderem starke Vibrationen sowie mechanische und thermische Belastungen. Anhand von hauseigenen Schock- und Vibrationstests stellen wir einen sicheren und zuverlässigen Einsatz unserer Produkte sicher. Zudem sind alle Bahnsteckverbinder von Escha für einen Temperaturbereich von -40 bis +90 °C ausgelegt und staub- und wasserdicht nach Schutzklasse IP67. Dadurch erfüllen unsere Produkte die für die Bahnindustrie wichtige Norm DIN EN 50155.

Worin unterscheidet sich die Bahnbranche noch von der Automatisierung?

Neben den offensichtlichen Unterschieden in Bezug auf Sicherheit und Umwelt gibt es besondere Services, mit denen wir versuchen, den individuellen Ansprüchen innerhalb der Bahnbranche zu begegnen. Da so gut wie jeder Waggon unterschiedlich ist, geben wir für unsere Rail-approved-Produkte keine Standardleitungslängen vor und liefern stattdessen zentimetergenau. Zudem fassen wir unsere Steckverbinder auf Anfrage zu kundenspezifischen Kabelbäumen zusammen und versehen sie mit Kennzeichnungen, die den Monteuren den Einbau erleichtern.
Und wir bieten auch Sonderlösungen wie einen M12x1-Steckverbinder mit Gewindekontur an. Diese Gewindekontur ermöglicht das Aufziehen eines Schutzschlauchs über geschirmte oder ungeschirmte Leitungen. Er eignet sich vor allem für Steckverbinder, die im Zugaußenbereich eingesetzt werden und daher extrem starken Verschmutzungen oder Beschädigungen durch Steinschlag ausgesetzt sind. Dabei wird eine Verbindung zwischen Steckverbinder und Schutzschlauch hergestellt, die die Dichtigkeitsanforderungen nach IP67 erfüllt. Somit kann der Schutzschlauch mittels geeigneter Schlauchdurchführungen in den Fahrzeuginnenraum oder direkt an den Schaltschrank geführt werden und das Kabel wird durchgehend geschützt.

Wo genau werden Ihre Steckverbinder in Zügen eingesetzt?

Steckverbinder werden in Zügen an unterschiedlichen Stellen eingesetzt und erfüllen dabei verschiedene Aufgaben. Diese Bereiche lassen sich grob in vier Verdrahtungsebenen unterteilen.
Als erstes gibt es die Ebene des Ethernet-Train-Backbones nach IEC 61375-3-4. Dort werden Steckverbinder eingesetzt, die extrem hohe Datenübertragungsraten bis 10 GBit/s nach Cat6A ermöglichen. Auf der zweiten Ebene, dem Ethernet-Consist-Network nach IEC 61375-2-5 werden Komponenten mit Datenübertragungsraten bis 100 Mbit/s nach Cat5e benötigt. Klassische Applikationen hierfür sind zum Beispiel Video-Überwachungsanlagen, Fahrgastinformations- oder Zugsteuerungssysteme. Aber auch Zusatzausstattungen wie Video-on-Demand, In-Seat-Entertainment und Internetversorgung lassen sich hierüber realisieren. Bei der dritten Ebene handelt es sich um die konventionelle Sensor-/Aktor-Verdrahtung von beispielsweise Türsystemen oder Sanitärbereichen. In der vierten Ebene kommen Power-Steckverbinder zum Einsatz, die die Spannungsversorgung innerhalb des Zugs sicherstellen.
Für jede dieser Verdrahtungsebenen bieten wir bereits entsprechende Steckverbinder an, beziehungsweise haben diese im vergangenen halben Jahr in den Markt eingeführt. Im Bereich der Sensor-/Aktor-Verdrahtung auf Ebene 3 hatten wir bis vor kurzem ausschließlich M12x1-Steckverbinder im Angebot. Jetzt sind kompakte M8x1-Komponenten hinzugekommen. Für die Ebene der Spannungsversorgung haben wir Anschluss- und Verbindungsleitungen mit S-Codierung aus unserem bereits bestehenden Produktprogramm namens M12x1 Power ausgewählt. Diese wurden an die erwähnten Anforderungen der Bahnindustrie angepasst und eignen sich vor allem für Wechselstromanwendungen mit bis zu 12A und 630V.

Lassen Sie uns abschließend noch einen Blick in die Zukunft werfen. Gibt es neue Trends bei den Bahnsteckverbindern?

Wir bieten unsere Rail-approved-Produkte jetzt seit fünf Jahren an und haben in der Bahnindustrie einen Philosophiewandel weg von manuell konfektionierbarer Anschlusstechnik hin zu umspritzten Steckverbindern festgestellt. Auch in der Bahnbranche werden die Vorteile vorkonfektionierter Steckverbinder mittlerweile erkannt. Diese Art der Verdrahtung ist wesentlich anwenderfreundlicher, schneller und damit kostengünstiger. Vor allem bei Steckverbindern für die Datenübertragung sind die genannten Pluspunkte nicht zu unterschätzen. Denn in diesem Applikationsumfeld ist die manuelle Konfektion besonders komplex und aufwändig. Häufig wird dafür sogar geschultes Personal eingesetzt. Demgegenüber ist ein konfektionierter Steckverbinder qualitativ geprüft, bietet zugesicherte Eigenschaften, schließt Konfektionierungsfehler aus und minimiert dadurch potenzielle Schwachstellen im Verdrahtungssystem eines Zugs.
Wir gehen also davon aus, dass sich der Trend zu umspritzten, geprüften und sofort einsetzbaren Steckverbindern in der Bahnindustrie weiter verstärken wird. Deswegen schauen wir uns weitere Applikationen an und sprechen mit unseren Kunden. Anschließend werden wir bedarfsgerecht neue Produkte anbieten, die innerhalb oder außerhalb der von mir beschriebenen vier Verdrahtungsebenen eingesetzt werden können.

Kontakt

ESCHA GmbH & Co. KG

Elberfelder Str. 32
58553 Halver

+49 2353 708 800
+49 2353 708 400

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