Automatisierung

Um die Ecke geschaut

Zerstörungsfreie optische 3D-Inline-Analyse an gehonten Zylinderoberflächen

22.12.2015 -

Die Motoren im Automobilbau werden immer leistungsfähiger, das Drei-Liter-Auto wird Realität. Neben der Leistung sind geringer Verbrauch, niedrige Schadstoffemissionen und eine lange Lebensdauer wichtige Auswahlkriterien für den Kunden. Entscheidend hierfür ist die Qualität der Zylinder. Ein wichtiger Arbeitsschritt der Motorenfertigung ist daher die Qualitätsprüfung der Oberflächenbeschaffenheit.

Durch gezielte Mikrostrukturierung der Zylinder-Laufflächen während des Herstellungsprozesses, z.B. durch Honen, wird Platz für einen Schmierfilm aus Öl geschaffen, welcher die Verschleißfestigkeit des Motors erhöht und die Laufeigenschaften verbessert. Die Mikrostruktur muss auf der Nanometerskala so optimiert werden, dass nicht zu viel Öl in den Zwischenraum eindringen kann, da überschüssiges Öl verbrennt und so die Emissionswerte des Motors verschlechtert. Da die Zylinderinnenfläche der Bohrungen für mikroskopische Aufnahmen schwer zugänglich ist, wird noch immer das Bauteil zerstört oder ein Abdruck der Zylinderoberfläche erstellt und die Probe im Labor untersucht. Gesucht wird das optimale Konzept eines Designwerkzeuges für die Entwicklung von Verbrennungsmotoren, das mit der Optimierung der QS bei der Herstellung von Kurbelgehäusen bzw. Laufbuchsen einhergeht. Ziel ist die Qualifizierung und Quantifizierung von Reibeigenschaften, dem tribologischen Verhalten im Einsatz, sowie eine „Closed-Loop“ Werteermittlung und Bewertung an den Oberflächen mit integrierter Dokumentation und Archivierung.
Mit den neuartigen „Cylinder Inspectoren“, die oft auch als „Borescope“ oder „Periskope“ bezeichnet werden, stehen seit einiger Zeit Mikroskope für die Zylinderinspektion zur Verfügung. Hierbei wird ein motorgesteuertes Winkelmikroskop in die Zylinderbohrung eingeführt, das fertigungsnah die Oberflächen zerstörungsfrei im Zylinder visualisiert und mikroskopische Analysen und 3D-Messungen ermöglicht. Somit können an allen Stellen des Zylinders Aufnahmen unterschiedlicher Größen erzeugt und Z-Messungen mit einer Höhenauflösung von ca. 20 nm gemacht werden.

Neue Lösungsansätze gefragt
Idealerweise könnte man die Hauptfunktionsmerkmale eines Zylinderkurbelgehäuses bereits während der Fertigung erfassen und bewerten, um so den Fertigungsprozess optimiert zu steuern. Hier sind neue integrierte Lösungsansätze in allen Etappen des Fertigungsprozesses gefragt. Diese sollen sowohl das Handling der Proben und Systeme, die Visualisierung und Messung der Oberflächenstruktur als auch die Auswertung und Analyse der Messergebnisse beinhalten. Diese Integration in die Linie kann nur von Systemintegratoren und den Herstellern zusammen realisiert werden. Die Herausforderung ist eine zeitnahe Datenanalyse und Kostenoptimierung durch standardisierte Kontrollabläufe. Dagegen sprechen die sich immer häufiger ändernden Herstellungsverfahren für Oberflächen, welche die Optik an ihre physikalischen Grenzen stoßen lässt.
Um Reibung, Verschleiß, Leistung und Abgasverhalten über existierende Kennwerte wie Ölrückhaltevolumen, mittlere Freilegungstiefe oder Zerstörungsanteil zu ermitteln, bedarf es unbedingt einer Nanometer-genauen Erfassung. Nur diese Methode, z.B. über die Weisslicht-Interferometrie (WLI) ermöglicht es unabhängige und wiederholbare Messergebnisse zu erzielen. Andere optische Verfahren müssen individuell an die Reflexeigenschaften der einzelnen Oberfläche angepasst werden, was einen universellen Einsatz erschwert.

Kleine Messfelder, lange Taktzeiten
Die kleinen Messfelder und die noch langen Taktzeiten stellen eine weitere Herausforderung dar. Um diese Untersuchungen effektiv zu gestalten, ist es von Vorteil diese nur an den relevanten Stellen des Zylinders durchzuführen. Es ist sinnvoll so früh wie möglich diese Bereiche einzugrenzen. Hier kann man über die Röntgen-Tomographie schon frühzeitig feststellen, ob Einschlüsse oder störende Verdichtungen in der Tiefe des Gusses später zu fehlerhaften Oberflächen führen können. Rundheitsmessungen und die visuelle 360°-Analyse der Oberflächen ermöglichen die automatische Bestimmung von sogenannten „Regions of Interest“. Diese Bereiche werden mit hochvergrößernden 90°-Sensoren auf Unregelmäßigkeiten und Anomalien überprüft und bewertet. So lassen sich kritische Flächen von ca. 20 mm² ermitteln, an denen dann mittels 3D-Verfahren die Topographie bestimmt wird, was zweifelsfrei eine Katalogisierung der Eigenschaften erlaubt.
Somit wäre der komplette Messzyklus und eine wichtige Anforderung der QS von Automobilzylindern bedient. Die schon lange gewünschte Realisierung dieser Vision scheint näher zu kommen. Neue preisgünstige Sensoren auf den Markt ermöglichen eine schnellere Bildverarbeitung und zeitnahe Ergebnisse im Fertigungstakt. Ebenfalls konzentrieren sich Systemintegratoren, durch günstigere und genauere Automatisierungslösungen und neue Robotergenerationen, auf diese auflösungskritischen Applikationen. Es bleibt zu hoffen dass diese Technologien im Hinblick auf niedrige Ölpreise und das autonome Elektroauto vielleicht die Brücke zu neuen Lösungen darstellt. Neue Wege und Kooperationen sind hier gefragt.

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