Automatisierung

Schnelle, großflächige und automatisierte Prüfung der Klebebereitschaft oder Lackierfähigkeit von Oberflächen

22.06.2018 -

Ein neues Prüfsystem ermöglicht die zuverlässige Beurteilung von Oberflächen, die in nachfolgenden Prozessschritten geklebt, lackiert oder anderweitig behandelt werden sollen. Es basiert auf einem Patent sowie fortschrittlichen Bildverarbeitungskomponenten.

Für Überprüfungen zur Bestimmung der Benetzungseigenschaften von Oberflächen existieren bereits verschiedene Verfahren wie zum Beispiel Prüftinten, der so genannte Water-Break-Test oder Kontaktwinkelmessungen. Im Vergleich zu diesen herkömmlichen Verfahren zeichnet sich das neue Verfahren bonNDTinspect jedoch durch eine Reihe von Vorteilen aus. So erlaubt das System zum ersten Mal schnelle, großflächige und automatisierte Messungen an unterschiedlichen Oberflächen wie Kunststoff, Metall oder Faserverbundwerkstoffen. Das System von Automation W+R ist darüber hinaus im Gegensatz zu anderen Verfahren objektiv und arbeitet vollautomatisiert mit einer Bildverarbeitungssoftware. Zudem ermöglicht es eine sofortige Verarbeitung des geprüften Bauteils direkt im Anschluss an die Prüfung und kann somit nahtlos in Produktionsprozesse implementiert werden.
„Unser System zur Inline-Prüfung der Benetzungsfähigkeit von Materialoberflächen eignet sich unter anderem dazu, die Klebebereitschaft oder Lackierfähigkeit von Oberflächen zu prüfen. Es weist im Vergleich zu bisher bekannten Verfahren zahlreiche Vorteile auf”, erläutert Célian Cherrier. Der Applikationsingenieur von Automation W+R betreut die Entwicklung des kürzlich in Vorserie gegangenen Systems als Projektleiter bereits seit den ersten Schritten vor rund zwei Jahren und beschreibt die grundlegende Idee am Beispiel des Klebens wie folgt: „Um ein gutes Klebeergebnis zu erreichen, ist es unerlässlich, den Zustand der Fügeteiloberflächen vor dem Verkleben zu überwachen und die Oberflächenvorbehandlung zu kontrollieren, um Verschmutzungen, beispielweise durch Trennmittel oder Fingerabdrücke, zu erkennen. Oberflächen müssen gewisse Kriterien erfüllen, um eine sichere Klebeverbindung zu ermöglichen.“

Feinste Tröpfchen zur Oberflächenprüfung
Das Verfahren basiert auf einem Patent des Fraunhofer-Instituts IFAM zur Auswertung der Benetzbarkeit von Oberflächen. Automation W+R hat die exklusive Lizenz zur Nutzung dieses Patents. Die Funktionsweise von bonNDTinspect erklärt Célian Cherrier so: „Ein Ultraschallzerstäuber erzeugt ein definiertes Wasseraerosol aus Reinstwasser, das mit einer Breite von ca. 10 cm auf die Probenoberfläche aufgesprüht wird. Die Probe wird dabei zum Beispiel über einen Linearantrieb mit üblicherweise rund 100 mm/s unter dem Zerstäuber hindurchbewegt, um einen gleichmäßigen Auftrag des Aerosols zu gewährleisten.“
Die erforderliche relative Bewegung zwischen Probe und Zerstäuber lässt sich laut Cherrier je nach den vorliegenden Einsatzbedingungen auch über einen Roboter realisieren, der das System über das zu prüfende Bauteil führt. „Pro cm² entstehen auf diese Weise 1.000 bis 2.000 Tröpfchen mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 100 µm.“
In Abhängigkeit von der Oberflächenenergie der zu prüfenden Oberfläche bildet sich bei diesem Vorgang ein charakteristisches Tropfenmuster, das automatisch von einem Kamerasystem erfasst und mittels Bildverarbeitung sekundenschnell ausgewertet wird. Ob eine Oberfläche die Kriterien der nachfolgenden Prozessschritte erfüllt, lässt sich dann anhand der Tropfenverteilung erkennen. Durch die Angabe von Sollwerten ist es somit möglich, die Wirksamkeit einer Vorbehandlung wie beispielsweise einer vorangegangenen Reinigung oder Oberflächenaktivierung auszuwerten oder Verschmutzungen auf der Oberfläche zu erfassen. Solche Kontaminationen können beispielsweise durch Trennmittelreste, Öle, Fette oder sogar einfach nur durch Fingerabdrücke entstehen und dafür sorgen, dass Klebungen nach einer gewissen Zeit versagen oder Lackierungen vorzeitig abblättern. Mögliche Folgen sind visuelle oder funktionale Defekte des Endprodukts wie zum Beispiel Lackblasen an Fahrzeugen oder nicht haftende Bedruckungen, wie sie zum Beispiel bei Etiketten für Medikamente in der Pharmaindustrie auf keinen Fall auftreten dürfen. Im Extremfall kann ein Klebefehler sogar Personen gefährden.

Anspruchsvolle Bildverarbeitung
Die Herausforderungen an das eingesetzte Bildverarbeitungssystem sind bei diesem Prüfverfahren groß, so Cherrier: „Zum einen entstehen aufgrund des Ablaufs über 30.000 Tröpfchen pro Sekunde, die schnell erkannt und ausgewertet werden müssen, denn durch die Verwendung von Reinstwasser trocknet die ausgewertete Fläche innerhalb kürzester Zeit rückstandslos ab, um die weitere Verarbeitung ohne Zeitverzug zu ermöglichen. Zum anderen ist das System inlinefähig und muss im Extremfall im Dauerbetrieb 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche laufen.“
Angesichts dieser schwierigen Randbedingungen griff Automation W+R auf seinen bewährten Bildverarbeitungspartner Stemmer Imaging zurück, mit dem das Unternehmen schon seit über 20 Jahren zusammenarbeitet und in vielen Anwendungen sehr gute Erfahrungen gemacht hat. „Bei der Realisierung dieser Prüfanlage hat uns Stemmer Imaging nach einer vorangegangenen Besprechung der spezifischen Anforderungen einen Vorschlag für die Bildverarbeitungskomponenten gemacht, die diese Vorgaben erfüllen“, beschreibt Cherrier rückblickend. „Zu einem späteren Projektstadium hat uns unser Partner außerdem bei gewissen Einstellungen der Kamera unterstützt, um die erforderlichen Spezifikationen zu erreichen, und generell einen überragenden Support bei allen Fragen zum eingesetzten Bildverarbeitungssystem geleistet. Insgesamt haben wir durch die Zusammenarbeit mit den Experten auch bei diesem Projekt erneut viel Zeit bei der Suche nach den optimalen Bildverarbeitungskomponenten gespart und konnten das Prüfsystem am Ende erfolgreich und innerhalb der Zeitvorgaben umsetzen.“
Die Aufnahme der Tropfenmuster übernimmt in der aktuellsten Version des Prüfsystems eine monochrome GigE Zeilenkamera des Typs Linea von Teledyne Dalsa mit 2k Pixel Auflösung, die zusammen mit einer telezentrischen Optik von Sill Optics für Bilder mit hoher Schärfentiefe sorgt. Die erforderliche Lichtstärke konnte durch Standardbeleuchtungen nicht erzielt werden, so dass Automation W+R dafür selbst eine spezielle Dome-Beleuchtung entwickelte. Die Auswertung der Bilder erfolgt über Common Vision Blox von Stemmer Imaging und eine darauf aufsetzende Bildverarbeitungssoftware von Automation W+R auf einem Industrie-PC von Beckhoff, der zudem die SPS-Funktionalität für die Anlage zur Verfügung stellt.
Das gesamte Prüfsystem besteht aus einem PC mit Monitor und der Auswertesoftware, dem Prüfkopf mit Ultraschallzerstäuber sowie einem Schaltschrank zur Steuerung. Eine Schnittstelle erlaubt die Anbindung an eine externe SPS und somit an die übergeordnete Anlage.

Erfolgreiche Erstanwendung
Erster Anwender des Systems waren die Klebespezialisten des Fraunhofer IFAM, die zur Prüfung der Benetzungsfähigkeit von Oberflächen nach Atmosphärendruckplasmaaktivierung einen bonNDTinspect-Prototypen am Standort Bremen eingesetzt hatten. Mit durchschlagendem Erfolg, wie Christian Tornow, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IFAM, berichtet: „Ein automatisiertes, berührungsloses System für diese Aufgabe war bisher nicht verfügbar. Mit bonNDTinspect lassen sich Oberflächenzustände im Klebprozess nun automatisiert und sicher unterscheiden. Sowohl Kontaminationen wie Fingerabrücke oder Trennmittelreste als auch unzureichende Aktivierungen konnten wir damit sicher erkennen. Dies ist gerade in der Klebtechnik außerordentlich wichtig, um optimal vorbereitete Oberflächen für nachfolgende Prozesse zu gewährleisten.“

Gesamtsystem aus einer Hand
Dr. Richard Söhnchen, Geschäftsführender Gesellschafter der Automation W+R, ist davon überzeugt, dass das neue System nicht nur zur Inline-Prüfung der Klebebereitschaft von Oberflächen oder im Bereich der Lackierung, zum Beispiel in der Automobilindustrie oder bei der Beschichtung von elektronischen Bauelementen, geeignet ist: „Dies sind nur die naheliegenden Aufgabenstellungen für diese spannende Technologie, die wir mit unserer Neuentwicklung adressieren. Es gibt jedoch noch zahlreiche weitere Anwendungen für dieses Verfahren, beispielsweise in der Luft- und Raumfahrt oder in der Medizintechnik, und wir sind uns sicher, dass wir damit noch für sehr viele andere Märkte interessante Möglichkeiten zur Verfügung stellen können, an die wir heute noch gar nicht denken.”
Söhnchen nennt noch einen wichtigen Punkt, der die Möglichkeiten seines Unternehmens verdeutlicht: „Wir sind Teil der Autision Group. Wir wollen dem Roboter Augen geben. In der Autision Group kombinieren wir Robotik, Messtechnik und Oberflächenprüfung. Für jede dieser Kompetenzen gibt es unter der Autision Group eine separate Firma mit speziellen Kompetenzen: Automation W+R für die Oberflächenprüfung; Bollautomation als Roboterintegrator; Descam für optische Messtechnik. Aufgrund dieser Konstellation können wir unseren Kunden anwendungsgerechte Komplettlösungen aus einer Hand anbieten und dabei auch die Integration in bestehende Anlagen sowie die Anbindung an eventuell erforderliche Robotik realisieren”, unterstreicht der Geschäftsführer. „Falls Anpassungen des Bildverarbeitungssystems nötig sind haben wir mit Stemmer Imaging den richtigen Partner an der Seite, um auch hier flexibel auf die Kundenwünsche einzugehen.”

Hinweis:
Bildquellen: ‚Ultraschallzerstäuber‘, ‚Bewegung zwischen Probe und bonNDTinspect‘ sowie ‚Von der Bildverarbeitung analysierte Tropfenverteilung‘: Fraunhofer IFAM, aufgenommen im Rahmen des ComBoNDT Projekts. Dieses Projekt ist von der Europäischen Union im Programm:„Horizon 2020 research and innovation programm“ gefördert worden (Grant Agreement Nr 636494).


 

Kontakt

Stemmer Imaging AG

Gutenbergstr. 9-13
82178 Puchheim
Deutschland

+49 89 80902 0
+49 89 80902 116

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