Modular, effizient, vielseitig
Plattformstrategie für das automatisierte Materialhandling
Die Teile-Entnahme aus Behältern oder die robotergestützte Behälter-Depalettierung sind gefragte Anwendungen in der Industrie, um Produktionsabläufe zu automatisieren, die Kapazitäten zu steigern und die Kosten zu senken. Liegen unbekannte Teile chaotisch in ihrem Behälter, ist das Bildverarbeitungs-System gefordert, die Lage der Teile in 3D zu erfassen und die Objekte zu identifizieren.
Die Entnahme von Bauteilen aus einem Behälter, z. B. vor einem Montageprozess, ist für den Menschen eine einfache Aufgabe. Schwieriger wird es, wenn diese Aufgabe ein Roboter übernehmen soll. Ist bekannt, wie die Teile aussehen und wie sie im Behälter einsortiert sind, ist das eine in der Robotik übliche Pick-and-Place- Aufgabe. Hat der Roboter hingegen keine Informationen darüber, welche Form die Teile haben und befinden sich diese auch noch in chaotischer Lage im Behälter, ist die technologische Herausforderung groß und die Randbedingungen sind komplex. Im anspruchsvollsten Fall muss das Bildverarbeitungs-System ein unbekanntes Lageschema erkennen, um einen ebenfalls unbekannten Teile-Typ zu identifizieren. Die Problemstellung ist in der Fachwelt bereits seit vielen Jahren als „Griff in die Kiste" bekannt. Dafür ist spezielles Know-how auf unterschiedlichsten Gebieten der Messtechnik gefordert, wie Optik, Beleuchtung, Sensorik und Algorithmik. Beim Einsatz in der Praxis stehen vor allem Instandhaltungsaspekte im Vordergrund, wie Neukalibrierung und Neueinrichtung, Nachvollziehbarkeit, Fehleranalysemöglichkeiten, Prozessdokumentation, Systemhandhabung, Verfügbarkeit und Vermeidung von Pseudofehlern. Im Störfall soll der Sensor zudem schnell und einfach auszutauschen sein.
Die konkrete Aufgabe des Sensor-Systems beim „Griff in die Kiste" ist es, die 3D-Lage der zu greifenden Teile mit der erforderlichen Genauigkeit und Geschwindigkeit zu ermitteln. Daraus werden Positionskorrekturen berechnet und die Daten an das Handlingsgerät übertragen.
Einheitliche Systemplattform
Dank der schnellen Entwicklung auf dem Gebiet der Sensorik steht heute eine Vielzahl leistungsfähiger Sensor-Technologien zur Verfügung. Zum einen gibt es klassische Grauwert- und Farbkameras, die Bilder bzw. Bildmatrizen aufnehmen. Zum anderen detektieren Triangulations-Sensoren Abstände und Höhenlinien, ermitteln aber auch 3D-Höhenprofile. Schließlich ermöglichen TOF-Sensoren (Time of Flight) Licht-Laufzeitmessungen, aus denen wie bei den Triangulations-Sensoren Abstand, Höhenlinie und 3D-Höhenprofil berechnet werden. Zudem ermöglicht die mittlerweile leistungsfähige Hardware den Einsatz rechenintensiver Algorithmen, so dass auch komplexe mathematische Ansätze umgesetzt werden können. Bisherige Systeme sind auf Lösungen einzelner Aufgabenklassen fokussiert. Ändern sich die Aufgabenstellungen oder auch nur die Randbedingungen (Fremdlicht, neue Transportbehälter, Teilespektrum wie Geometrie, Farbe), so sind in den meisten Fällen umfangreiche Eingriffe, Änderungen und Erweiterungen notwendig, um das auf eine Aufgabenstellung spezialisierte Sensorsystem an die neue Aufgabenstellung anzupassen. Die Systemphilosophie des Unternehmens Vision Machine Technic Bildverarbeitungssysteme (VMT) verfolgt deshalb einen modularen Ansatz. Dieser setzt einerseits auf die industrietauglichen Funktionalitäten bisheriger Systemlösungen von VMT auf, bindet andererseits dank einer offenen Systemarchitektur aber auch neue Applikationen ein. Der zweite wichtige Bestandteil dieser Plattform ist die durchgängige Verwendung möglichst weniger, jedoch ausgewählter Hardware-Komponenten namhafter Hersteller. Dies vermeidet Kompatibilitätsprobleme bei nachträglichen Anlagenanpassungen.
In die Praxis umgesetzt
Zur Lösung unterschiedlichster Aufgabenstellungen hat VMT Multisensor-Systeme mit leistungsfähigen Funktionalitäten entwickelt, und dabei darauf geachtet, dass das System für den Kunden transparent und bedienbar bleibt.
Die Aufgaben des „Griff in die Kiste" lassen sich in verschiedene Klassen einteilen. Daraus lassen sich zwei grundlegend unterschiedliche Erkennungsmodelle formulieren: Das zu greifende Teil ist bekannt (Fall 1) oder es ist nicht bekannt (Fall 2).
Im Fall 1 wird das bekannte Teil zunächst mathematisch beschrieben. Dazu werden Objektgeometrie und -eigenschaften, wie z. B. die Farbe, ermittelt. Eingesetzt wird dieses Modell beispielsweise bei der Entnahme von Türscharnieren aus einem Kleinteileladungsträger (KLT). Die Sensorsignale liefert ein TOF-Sensor, der an der Roboterhand oder der Linearachse befestigt ist.
Im Fall 2, in dem das zu greifende Teil nicht bekannt ist, beschreibt das Erkennungsmodell die Eigenschaften eines Objektes qualitativ, wie zum Beispiel „Das Teil enthält Flächen einer Mindestgröße". Aus diesen Angaben wird berechnet, wo genau der Saug-Greifer des Roboters anzusetzen hat. Eine andere Objekteigenschaft ist: „Das Objekt ist rund und hat in der Mitte ein Loch". In dieses Loch kann nun ein Spezial-Greifer einfahren. Ein Beispiel hier wäre wiederrum die Entnahme von Teilen aus einem KLT, diesmal jedoch Schüttgut. D.h. es handelt sich in diesem Beispiel um Teile unterschiedlichster Formen. Dazu befindet sich ein Triangulations-Sensor an der Roboterhand. Ein nachgeschaltetes 3D-Kamerasystem bestimmt die exakte 3D-Position und den Teile-Typ des gegriffenen Teils.
Eine andere wichtige Anwendung ist die Depalettierung von KLTs, also Kleinteileladungsträgern oder VDA-Kisten. Die zu depalettierenden KLTs sind gemischt in einem beliebigen Stapelschema auf einer Palette bereit gestellt. Es gibt bis zu vier unterschiedliche Typen in verschiedensten Farben. Im ersten Schritt bestimmt ein TOF-Sensor an einer Linear-achse das Stapelschema und ermittelt den Typ des als nächsten zu greifenden KLTs und dessen grobe 3D-Position. Der Greifer, den der Roboter über den KLT fährt, enthält vier Kameras. Mit einer einzigen Bildaufnahme wird so in einem Bruchteil einer Sekunde die präzise 3D-Greifposition ermittelt. Die Einlagerung der KLTs in das Hochregallager des Wareneingangs kann auf diese Weise vollautomatisch erfolgen. Die einzige Arbeitskraft ist lediglich damit beschäftigt, die KLT-Paletten mit dem Stapler vom Speditions-Lkw in die Abstellposition des AKL (Automatisches Kleinteile-Lager) zu transportieren und die leeren Paletten wieder zu entfernen.
Um diese Lösungen für den industriellen Einsatz zu qualifizieren, werden zusätzliche Basisfunktionen zur Verfügung gestellt. Dazu gehören Greifbarkeitsanalyse, „Behälter leer"-Kontrolle, Kollisionsüberwachung, Kontrolle der Behälter auf Beschädigungen, Bestimmung der Behälter- und/oder der Ablagepositionen und automatische Kali-brier-Funktionen. Oft werden vom Sensorsystem auch weitere Aufgaben aus den Bereichen Typ-Erkennung, Inspektion, Lesen (Klarschrift, Barcode/Matrixcode) übernommen. Die Integration dieser Aufgaben in ein VMT-System ist aufgrund der einheitlichen Systemplattform sehr einfach möglich.
Fazit
Aus den verschiedensten Praxis-Applikationen des Material-Handlings lassen sich Aufgabenklassen ableiten. Für die Lösung dieser Aufgaben innerhalb einer Klasse sind spezielle Funktionalitäten der Sensorik (Algorithmen, Funktionen und Sensoren) erforderlich. VMT stellt eine Plattform zur Verfügung, auf der einerseits diese Funktionalitäten mit jeder neuen Applikation erweitert werden und andererseits, je nach Komplexität, sämtliche im VMT-System vorhandene Funktionalitäten miteinander kombiniert werden können. Da es sich um eine grundlegende, applikationsunabhängige und -übergreifende Plattform handelt, werden neben oder in Kombination mit den hier beschriebenen Anwendungen der Robotersichtführung, auch Applikationen aus anderen Bereichen wie z. B. Inspektion, Typerkennung und Lesen, gelöst.
Kontakt
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