Frisch aus dem Ofen
Prüfung technischer Keramiken in Ofenprozessen
Wer seinen Backofen anheizt, profitiert heute von den modernen Bauteilen aus technischer Keramik. Der Werkstoff verträgt extreme Temperaturschwankungen, besitzt eine hohe Festigkeit und zeigt wenig Verschleiß. Allerdings können bei der Produktion Haarrisse, Verunreinigungen oder Lufteinschlüsse auftreten, die die Qualität mindern. Automatisierte optische Qualitätsprüfungen sind also unerlässlich.
Als im 19. Jahrhundert mit dem Bau elektrischer Leitungsnetze begonnen wurde, entdeckten die Ingenieure Porzellan als korrosionsbeständigen Isolator: Die technische Keramik war geboren. Festigkeit, Temperaturwechselbeständigkeit, Oberflächengüte und unterschiedliche elektrische Eigenschaften machen Keramiken heute je nach Herstellungsprozess vielseitig verwendbar. Der Produktionsprozess dieses Werkstoffs ist entscheidend: Anders als etwa bei Metallen sind die Materialeigenschaften nicht von Beginn an vorgegeben, sondern entstehen ausschließlich durch die Art und Weise der Herstellung. Die Leistung der Hersteller liegt darin, diesen Prozess so zu steuern, dass jeweils die gewünschten Werkstoffeigenschaften entstehen. So wie ein Porzellanteller in Form und Eigenschaften nach dem Brennvorgang kaum noch zu verändern ist, gilt dies auch für Bauteile aus technischer Keramik.
100 % Zuverlässigkeit bei 900 Teilen pro Stunde
Keramik-Bauteile können gepresst oder per Spritzguss in Form gebracht werden. Rotationssymmetrische Teile wie Achsen oder Rohre lassen sich zudem per sog. Extrusion herstellen, ein Prinzip ähnlich der Töpferscheibe. Bei allen Herstellungsverfahren steht am Ende des Prozesses immer die Qualitätsprüfung. Die Beschaffenheit der Oberfläche der Werkstücke muss entsprechend der späteren Belastung - etwa als Brennkammer in einem Motor - beispielsweise auf feine Haarrisse untersucht werden. Auch Verunreinigungen oder kleinste Lufteinschlüsse im Material können die Qualität entscheidend mindern. Gesucht sind daher automatisierte Prüfverfahren mit Hilfe von Bildverarbeitungssystemen. Darauf hat sich das Augsburger Ingenieurbüro ICW Christian Wölz, Systemintegrator von Omron, spezialisiert. Für einen Kunden aus der Keramik-Industrie hat das Unternehmen jetzt eine komplette Prüfanlage realisiert, die auch bei hohen Taktzahlen von bis zu 900 Bauteilen pro Stunde eine 100 %-ige Zuverlässigkeit bei der Detektion von fehlerhaften Stellen garantiert.
Herzstück der Prüfanlage ist das Bildverarbeitungssystem Xpectia von Omron. Es kann derzeit die Signale von bis zu vier Fünf-Megapixel-Kameras verarbeiten und ist sowohl für zwei-, wie auch dreidimensionale Prüfungen von Bauteilen geeignet. Wie das menschliche Auge kann dieses System beliebige Objekte jeder Größe mit beliebigen Farbkombinationen (16 Millionen Farben) aus jeder Entfernung erkennen. Die Kamerabilder können in Echtzeit entsprechend der vorgegebenen Parameter ausgewertet werden. Diese Parameter sind auf einer IPC Plattform frei konfigurierbar. So lassen sich individuelle Prüfsequenzen und Entscheidungsbaumstrukturen definieren, die am Ende dazu führen, dass jedes Werkstück insgesamt nach diesen Qualitätsmerkmalen als gut oder schlecht bewertet werden kann. Das Ingenieurbüro ICW hat nicht nur auf der informationstechnischen Ebene die Anpassung der Anlage vorgenommen, sondern auch die Mechanik der vollständigen Prüfanlage konzipiert, so dass sich die Qualitätsprüfung direkt in den Herstellungsprozess der Keramik integriert.
Qualitätsprüfung in mehreren Stufen
Zunächst wird die Maschine für die Keramik mittels des sog. Rezeptes konfiguriert, mit dem die Eigenschaften des jeweiligen Werktyps genau beschrieben sind. So lassen sich beliebig viele Stückzahlen einer Serie prüfen. Dann beginnt der automatische Prozess. Ein Wechselmagazin belädt die Anlage. Die Werkstücke können verschiedene Durchmesser und Materialstärken aufweisen. Es gibt drei unterschiedliche Magazingrößen für die Durchmesser 18 mm, 32 mm und 38 mm. Die Materialstärken können zwischen 0,1 mm und 6,35 mm variieren, die Mechanik des Gerätes ist stufenlos einstellbar und somit für die unterschiedlichsten Keramikstärken ideal konfigurierbar.
Prüfung Punkt für Punkt
Die Prüfanlage besteht aus drei Kamerafeldern. Die erste Kamera dient zur Positionsbestimmung. Durch sie erkennt das System die Struktur des Werkstücks, also die produkttypabhängigen Merkmale der Oberfläche, wie Löcher, Nuten und Vertiefungen. So wird die optimale Drehlage für die eigentliche Qualitätsprüfung festgelegt, die nacheinander mit den beiden anderen Kameras erfolgt. Dieser erste Schritt ist entscheidend, da alle Prüflinge unbedingt aus der gleichen Ausgangsposition begutachtet werden müssen. Das Bildverarbeitungssystem bestimmt die Ausrichtung mit 100%-iger Genauigkeit. Der weitere Transport des Werkstücks geschieht mittels keramisch verkleideter Rotationssauger, um mögliche Verunreinigungen durch die Anlage selbst zu vermeiden.
Im zweiten Kamerafeld erfolgt schließlich die Qualitätsprüfung - zunächst auf der Vorderseite. Dazu rastert die Kamera die Materialstruktur kleinstmöglich ab. Daraus entstehen vier hochauflösende Bilder, die gemeinsam die komplette vordere Fläche der Keramik abbilden. Die frei drehbaren Ansaugkomponenten bewegen dazu das Werkstück in jede gewünschte Lage. Eine genaue Kraftregelung des Vakuumdrucks sorgt dafür, dass die Bauteile nicht beschädigt werden.
Die Prüfung selbst erfolgt nach Maßgabe der Homogenität, denn das System arbeitet nicht nach einer Vorlage, sondern überprüft die Struktur jedes einzelnen Werkstücks. Die Oberfläche wird Punkt für Punkt mit sich selbst abgeglichen und auf Fehler untersucht. Das bildverarbeitende System ist dabei so genau, dass es Mängel bis zu einem Wert von 10 µm, und darunter, erkennt. Entsprechend der vorgegebenen Parameter, identifiziert das Omron Xpectia-System alle Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche, beispielsweise Poren, Haarrisse, Verschmutzungen, Verfärbungen und Erhebungen.
Danach wird das Werkstück sicher zum dritten Kamerafeld transportiert, wo noch einmal der gleiche Prozess, diesmal für die Rückseite des Bauteils, abläuft. Am Ende des gesamten Vorgangs werden die geprüften Teile in einem Magazin abgelegt, sortiert nach „guten" und „fehlerhaften" Produkten. Laserdistanzsensoren überwachen permanent die Füllstände der Magazine. Die komplette Anlage ist flexibel konzipiert und kann in wenigen Minuten auch für die Qualitätskontrolle völlig anders geformter keramischer Bauteile umgerüstet werden.
Kernkomponenten aus einer Hand
Bei der von ICW konzipierten Anlage handelt es sich um eine ausgereifte Komplettlösung, die zu 70 % aus Komponenten von Omron besteht und alle für den Kunden relevanten Qualitätssicherungsmerkmale in einer Maschine vereint. Neben der Bildverarbeitungstechnik hat Omron auch die Steuerungstechnik, sowie Teile der Antriebstechnik entwickelt. Beide wurden nach den Kriterien Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Präzision ausgewählt. Der hohe Anteil von Technik aus einem Haus ist demnach auch der große Vorteil der Prüfanlage.
Die Anlage ist besonders rentabel bei allen Prüfungen, die nicht nur Stichproben, sondern eine größere Stückzahl und ein 100%-iges Qualitätsergebnis, erfordern. Die Vorteile einer automatisierten Lösung liegen in der eindeutigen Definition von guter Ware gegenüber Ausschuss. So wird für alle Prüfstücke ein gleich hoher Qualitätsstandard geschaffen, der bei manueller Prüfung in dieser Form nicht erreicht werden kann.
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