Bin Picking: Software-gestützte Komponentenauswahl und Einrichtung
23.11.2020 -
Bei Bin-Picking-Anwendungen sind bereits die Auswahl der Sensorik, das Design der Greifer oder die Berechnung von Greifkoordinaten sehr komplex. Sie stellen daher hohe Hürden dar rund um die robotergestützte Teileentnahme aus einer Kiste mit unsortierten Teilen, dem sogenannten den Griff in die Kiste. Die schlüsselfertige Lösung eines Mannheimer Unternehmens hingegen ermöglicht ein einfaches Einrichten sowie einen sicheren Betrieb des Bin Pickings.
Ob bei der Zuführung von Teilen in Verbau- und Montageprozesse oder dem Bereitstellen von Artikeln in der Kommissionierung – in diesen und zahlreichen weiteren Fällen erfolgt dies oft aus Prozessgründen als Schüttgut chaotisch angeordnet in einem Kleinladungsträger oder einem Kommissionierbehälter. Oder es werden vorsortierte, gestapelte Teile angeliefert – und der Stapel fällt um und erzeugt ein beliebiges Teilemuster. Beides sind alltägliche Szenarien, die ein Mensch beim Entnehmen von Teilen intuitiv löst.
Für eine Maschine hingegen ist die Aufgabe äußerst komplex, denn die Teile müssen im Behälter sicher identifiziert, in ihrer dreidimensionalen Lage und Ausrichtung erkannt und bei unsortiertem Inhalt zudem eindeutig unterschieden werden. Das Greifmittel – die Hand des Roboters – soll zudem möglichst klein und flexibel sein, aber auch exakt auf die Eigenschaften der zu greifenden Teile abgestimmt. Die Geometrie ist dabei nur ein Aspekt – auch ein Verhaken oder Aneinanderhaften von Teilen muss greif- und prozesstechnisch berücksichtigt werden. Die zeitliche Performance der Detektions- und Greiflösung muss optimal zu Robotertakt und Prozesszyklus passen. Schließlich ist ein zuverlässiger Roboterbetrieb zu gewährleisten – frei von Kollisionen mit Kisten und der Blockade von Bewegungen.
Wohl kein PnP-System zur Roboterführung kann all dies ab Werk berücksichtigen – was dann am Maschinenbauer, Integrator oder gar dem Betreiber hängen bleibt. Die Lösung Pickfinder3D von VMT hingegen steht für die Planung und die optimierte Auslegung von Robot Vision. Das schüsselfertige Lösungskonzept aus Sensorik, MSS-Software (Multisensorsystem), Auswerte-PC, Verkabelung, Inbetriebnahme, Schulung und After-Sales-Betreuung macht die automatisierte Teileentnahme aus chaotischen Szenarien sehr integrations- und bedienfreundlich, maschinell beherrschbar und dauerhaft verfügbar.
Ganzheitliche Bin-Picking-Lösung
Vom stabilen, prozesssicheren Entnehmen von Teilen bis zur gezielten, kontrollierten und bei Bedarf auch orientierten Einzelablage berücksichtigt der ganzheitliche Ansatz dieser Bildverarbeitungslösung alle Aspekte einer automatisierten Entnahme von Teilen aus chaotischen Szenarien einschließlich der prozesssicheren Handhabung. Hierunter fällt auch die Einbeziehung der Kunden in Auslegung und Optimierung ihrer Systemlösung – vom Projektstart über die Inbetriebnahme und Schulung bis zum After-Sales-Service. VMT Pickfinder3D ermöglicht dabei ein optimiertes Design sowohl von reinen Bin-Picking-Lösungen als auch von vollständigen Applikationszellen, die sich nahtlos in Prozessketten integrieren lassen.
Das offene Konzept lässt sich dabei leicht an die Aufgabenstellung anpassen. So lassen sich nahezu beliebige 3D-Sensoren anbinden und die Greiftechnik des Roboters individuell auslegen. Das System unterstützt die Steuerungen aller großen Roboterhersteller sowie alle gängigen Feldbusstandards. Die mit Software-Modulen von VMT oder von anderen Anbietern frei konfigurierbare Auswertesoftwareplattform MSS ermöglichen es, den Griff in die Kiste an die jeweilige Aufgabenstellung wie auch an besondere Kundenwünsche anzupassen. Die PXL+-Technologie – eine eingetragene Marke von Pepperl+Fuchs, zu der VMT Bildverarbeitungssysteme gehört – eröffnet weitere Möglichkeiten der Entnahme aus chaotischen oder teil-chaotischen Szenarien, beispielsweise eine Teileselektion nach Farbauswahl, Luminophor-Markierung oder nach Wärmestrahlung.
Chaos in der Kiste maschinell beherrschbar machen
Bin-Picking-Lösungen, wie sie VMT Pickfinder3D ermöglicht, entstehen deutlich vor dem erstmaligen Griff in die Kiste. Das Wichtigste sind oftmals auch nicht der Sensor oder die Software, sondern eine sorgfältige Analyse der Anforderungen, des Prozesses und Randbedingungen. VMT, mit mehr als 25 Jahren Erfahrung in der kamerabasierten Automatisierung von Robotern, gewährleistet von Anfang an ein fehlerfreies Lösungsdesign, beispielsweise beim Layout der gesamten Zellenlösung oder dem Auslegen von Übergabeprozessen und Zwischenablagen. Letztere können der besseren Greif- und Übergabegenauigkeit dienen, eine prozessgerechte Orientierung des Teils ermöglichen oder als Teilepuffer fungieren. Entscheidend für die Performance des Bin Picking ist auch das richtig auf die Aufgabenstellung angepasste Design der Greifelemente. Zwei- oder Mehrfingergreifer, Magnet- oder Vakuumgreifer, Parallel- oder Innengreifer – die richtige Auswahl hängt von den zu greifenden Teilen, dem Behälter, in dem sie sich befinden sowie von den weiteren Prozessschritten ab. VMT projektiert für jede Applikation mit dem Pickfinder3D die passende Greiferlösung, die dann in der Folge auch bei der Berechnung der sicheren Greifkoordinaten und der optimalen Roboterbahn berücksichtigt wird.
Das System punktet zusätzlich mit Sensoroffenheit – neben den 3D-Sensoren VMT LightScan und VMT DeepScan können auch die Geräte anderer Hersteller in die Lösung integriert werden. Dies stellt sicher, dass für jede Anwendung der applikations- und messtechnisch am besten geeignete Sensor zum Einsatz kommt – ganz gleich, ob er am Roboter, über dem Behälter oder seitlich montiert wird.
Bei Bedarf ist es möglich, simultan mehrere 3D-Sensoren als Sensorsystem einzusetzen, beispielsweise bei großen oder nicht gängigen Behälterformaten. Ebenfalls integrierbar ist eine 2D-Flächenkamera zur Nachkontrolle der gegriffenen Bauteile. Die Systemanbindung bietet ebenfalls zahlreiche Freiheitsgrade, unter anderem hinsichtlich unterschiedlicher Automatisierungssysteme und Robotersteuerungen sowie der industrieüblichen Feldbusschnittstellen.
Analyse von Lage und Erreichbarkeit für eine kollisionsfreie Entnahme
Jeder Griff in die Kiste beginnt mit einem Blick in die Kiste. Hierfür macht der Sensor eine Aufnahme der Bauteile-Szenerie im Behälter und ermittelt ein präzises 3D-Profil der darin befindlichen Objekte. Dabei kann PickFinder3D auch verschiedene Komponenten in derselben Szenerie unterscheiden und handhaben. Farben, Oberflächen und Reflexionseigenschaften haben keinen Einfluss auf die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Erkennung. Die Rohdaten in Form einer Punktwolke werden von der MSS-Software vorverarbeitet. Hierbei werden zum einen die Geometrie, die Position und die Ausrichtung des Behälters erkannt und die Kerndaten dieser „Region of Interest“ aus den Rohdaten gefiltert. Zum anderen werden messtechnische Ausreißer eliminiert. Die per CAD hinterlegten oder über die Kamera eingelernten Teile werden dann durch effiziente Matching-Verfahren in der Punktwolke gesucht und identifiziert. Die Software errechnet dabei für jedes erkannte Teil ein Profil seiner Griffattraktivität und erstellt daraus eine Priorisierungsliste der Greifkandidaten. Hierbei können besondere Vorgaben des Anwenders berücksichtigt werden, um beispielsweise zunächst nur Teile einer bestimmten Lage zu greifen. Für den letztlich ausgewählten Greifkandidaten werden die Koordinaten für das sichere Greifen ermittelt. Gleichzeitig wird die Roboterbahn für die Greif- und Entnahmebewegung des Roboters berechnet und auf Singularität und Greifbarkeit des Teils sowie Kollisionsfreiheit geprüft. Hierbei wird dem Roboter eine Vielpunktbahn vorgegeben, die alle Hindernisse berücksichtigt, so dass ein Anfahren an das Teil und Ausfahren aus der Kiste ohne Kollision sichergestellt ist.
Kurze Taktzeiten durch optimale Roboterbahnen
Ist das Gesamtsystem einmal eingerichtet, profitiert der Anwender von einem störungsfreien und hochperformantem Betrieb. Optimal berechnete Roboterbahnen unterstützen kurze Taktzeiten. Teileindividuell vorgegebene, optimale Greifpunkte schließen Fehlgriffe praktisch aus. Greifer-bedingte Ausfallzeiten, hervorgerufen durch blockierte Bewegungen oder Kollisionen, werden vermieden, was oftmals die Gesamteffizienz beträchtlich steigert. Werker werden von der eintönigen Routine der manuellen Teileentnahme entlastet und können zugleich mehrere Roboterzellen überwachen und bedienen.
Roboterführung über die intelligente Punktwolke
Die Komplettlösung Pickfinder3D entwickelt sich stetig weiter. Mit der Verbesserung von Kollisions- und Bahnplanungsalgorithmen wird die Gesamtlösung stetig leistungsfähiger und ausfallsicherer. Die Bedienoberfläche des Einrichtungsassistenten verbessert sich hinsichtlich Intuitivität und User Experience weiter. Neue Sensoren, die auf den Markt kommen, erschließen immer wieder bislang ungelöste Themenfelder. In Kombination mit dem hybriden Ansatz der PXL+-Technologie ist es künftig möglich, über neue Informationskanäle intelligente 3D-Punktwolken zu erzeugen. Diese bilden dann nicht nur die x-, y- und z-Messwerte von 2D- oder 3D-Kameras ab, sondern fusionieren sie mit zusätzlichen, nicht geometrischen Objektinformationen, die beispielsweise von Lumineszenz- oder Infrarot-Wärmebildkameras stammen können. Mit der so erweiterten Punktwolke wird es möglich, die Griffattraktivität weiter zu differenzieren, beispielsweise, um zuerst Teile einer bestimmten Klasse, einer präferierten Farbauswahl, mit Luminophoren markierte Teile oder solche Komponenten zu greifen, von denen eine prozessbedingte Wärmestrahlung ausgeht.
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