Greifer-Lösung zum roboterbasierten Handling im automatisierten aseptischen Abfüllprozess von Pharmazeutika
25.06.2020 -
Abfüll- und Verpackungsprozesse sind das Spezialgebiet der Bausch+Ströbel Maschinenfabrik Ilshofen (B+S). In ihrem modularen und aseptischen Produktionssystem VarioSys wird das Befüllen und Verschließen von Ampullen, Spritzen und Vials vollständig automatisiert. In puncto Nest-Handling setzt das Unternehmen auf eine mechatronische Greifer-Lösung.
Der Trend geht weiter in Richtung Individualisierung und Personalisierung von Massenprodukten. Wie bereits in der Automobil- und Lebensmittelherstellung ist diese Entwicklung nun auch im Bereich der pharmazeutischen Industrie angekommen. So werden auch die Abfüll- und Verpackungslösungen immer schneller und flexibler. Kleine Chargen, schnelle Produktwechsel und individualisierte Lösungen: Mehr Automation, weniger Benutzereingriffe und höhere Verfügbarkeit sind gefordert. Zudem soll die Technologie der Zukunft in der Lage sein, sich selbstständig an ändernde Anforderungen anzupassen. Angesichts von immer knapper werdenden Platzverhältnissen in der Produktion, hoher Lohnkosten, einem Mangel an Fachpersonal und vor allem der Sicherheit der Bediener und des gesamten Prozesses, hat der Maschinenhersteller Bausch+Ströbel (B+S) den Trend zu mehr Automation und Individualisierung mit dem flexiblen Produktionssystem VarioSys aufgegriffen: Mit diesem modularen und aseptischen Produktionssystem wird das Befüllen und Verschließen von Ampullen, Spritzen und Vials vollständig automatisiert – und das flexibel und für kleine Füllmengen. Dabei kombiniert VarioSys einen standardisierten Reinraumisolator mit einem austauschbaren Maschinenmodul.
Greifer für das Nest-Handling
Vor kurzem wurde das VarioSys-System von B+S um ein neues Maschinenmodul (DDM 9105) mit neuen Funktionen erweitert. Es erlaubt nun ein vollautomatisches Öffnen von Tubs und ermöglicht RTU-Vials (Ready-to-use) im Nest (Verpackungseinheit) vollautomatisch zu öffnen, denesten, füllen und zu magazinieren. Die Deckfolie der Tubs wird mit Hilfe eines thermischen Verfahrens gelöst, hierfür werden sie von einem Reinraumroboter bzw. Greifer in die entsprechenden Positionen transportiert. Nach dem Öffnen entnimmt ein zweiter Greifer die RTU-Vials aus dem Nest und gibt diese an das nächste Modul zur Weiterverarbeitung im Bulk. Bei einer Weiterverarbeitung der RTU-Objekte im Nest wird das Tub nach dem Öffnen auf eine Transportbahn zur Überleitung gestellt.
Herausforderung Reinraum
Für das Nest- und Tub-Handling dieser speziellen Anwendung entschied sich B+S für eine Zusammenarbeit mit der Zimmer Group. Neben dem Zusammenspiel mit dem Roboter bestand eine Herausforderung für den Greiferspezialisten aus dem badischen Rheinau darin, dass die Greifer in einer Reinraum-Anlage eingesetzt werden. Dies schloss von vornherein den Einsatz von pneumatischen Greifern – allein aus Platzgründen wegen der Kabel und Abluft – aus. Daher entschloss man sich für eine rein mechatronische Greifer-Lösung.
Aufgrund der erwähnten Reinraumproblematik mussten die Greifer, da sie mit Spritzen und Vials bzw. mit dem Nest direkt in Berührung kommen können, auf die Vorgaben der technischen Sauberkeit besonders Rücksicht nehmen. Handelsübliche Greifer sind vor einer Partikelübertragung und unliebsamer Partikelverschleppung nicht gefeit. Auch durch einen Kontaktabrieb beim Greifer selbst können lästige Fremdkörper entstehen. Für Konstrukteure sauberkeitssensibler Anlagen stellen sie daher eine besondere Herausforderung dar. Als eine der ersten Konstruktionsmaßnahmen von B+S wurden deshalb zur Vermeidung von Partikeleintrag in den Prozess gut abnehmbare und abgedichtete Einhausungen bzw. Ummantelungen mit geschlossener Oberfläche für die Greifer gewählt.
Von Bedeutung war für B+S auch die Flexibilität der Greifer, da die Anlage selbst auch sehr adaptiv bzw. modular aufgebaut ist und die Verpackungsgrößen jederzeit variieren können.
Die Greifer im Detail
So wurden mit dem GEH6180IL und dem GEH6040IL die zwei am besten passenden Greifer für die jeweilige Tätigkeit aus dem umfangreichen Portfolio der Zimmer Group ausgewählt: Beide elektrischen Greifer verfügen neben einem großen Hub über einen Servoantrieb mit integriertem Controller. Die bürstenlose Antriebstechnik stellt neben einer individuellen Krafteinstellung noch zusätzlich eine Positions- und Geschwindigkeitsregelung sicher. Auch die Sicherheit der Anlage sollte kein zu vernachlässigender Aspekt sein, da meist mit zerbrechlichem Glas und Kunststoff gearbeitet wird. So haben die Greifer auch eine mechanische Selbsthemmung, die das Herunterfallen eines Vials selbst bei einem Stromausfall verhindert.
Dass die Zimmer Group in der Lage war, auch auf notwendige Modifikationen (z. B. einen seitlichen Anschluss mittels Einbausteckverbinder beim GEH6180IL) schnell zu reagieren, kam B+S entgegen. Ebenso die Tatsache, dass die Greifer nur über einen einzigen Kabelabgang verfügen – das stellte bei den beengten Platzverhältnissen im Reinraum einen Vorteil dar. Die Ausrüstung mit IO-Link erleichterte zudem das Auslesen von spezifischen Daten, zum Beispiel Temperaturmessung, Position oder die Zyklusanzahl.
Von manuell zu automatisiert
Noch bis vor wenigen Jahren wurden das Öffnen und Denesten von Tubs manuell gehandhabt. So wurde früher eigens ein Bediener für den Reinraum beschäftigt, der das Nest- und Tub-Handling über zwei Handschuheingriffe im Modul durchführte. Heute kann dieser Fertigungsschritt mit Hilfe zweier Roboter und deren Greifer mit 100 Prozent In-Prozess-Kontrolle (IPC) bei voller Maschinenausbringung (bis zu 60 Tubs pro Stunde) gehandhabt werden. Durch die Vollautomatisierung kann nun neben einer Kosteneinsparung durch geringeren Personalaufwand, vor allem die Prozesssicherheit erhöht werden.
„Besonders die einfache Parametrisierung und die vielen Zusatzfeatures der GEH-Greifer haben uns sehr überzeugt“, so Philip Messerschmidt und Andreas Höppel, Entwickler bei Bausch+Ströbel. „Der rege und offene Austausch zwischen den Experten der Zimmer Group und unserem Team prägte die sehr gute Zusammenarbeit und bestätigte die Entscheidung für den Einsatz der Zimmer Greifer“, fügt Lukas Bindewald, Produktmanager bei B+S, hinzu. Dies führt dazu, dass für die Zukunft bereits neue potenzielle Projekte diskutiert werden.
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