Automatisierung

Vorteile von Vollkunststoff-Gleitlagern bei Schwerlastanwendungen

27.11.2014 -

Vor allem bei Schwerlastanwendungen traut man Kunststoffgleitlagern wenig zu und setzt daher meist auf das Pendant aus Metall. Doch wie sich sowohl in zahlreichen Tests als auch in der Praxis herausgestellt hat, eignen sich vermeintlich weiche Materialien besser als Lagerwerkstoff, weil sie abriebfester sind und sicherer arbeiten.


Hohe spezifische Lagerbelastungen kommen nicht nur im Schwermaschinenbau, sondern auch bei kleinen Lagerungen vor. Eine genaue Trennung zwischen niedrigen, mittleren und hohen spezifischen Belastungen gibt es nicht. Doch können in der Praxis solche Lageranwendungen mit mehr als 10 N/mm² zusammengefasst werden. Die spezifische Lagerbelastung ist die mittlere Belastung des Lagers pro Flächeneinheit. Bei Gleitlagern hat sich dabei die Flächeneinheit 1 mm² durchgesetzt. Während im Radiallager die Belastungen an jeder Stelle variieren, geht die Berechnung der spezifischen Belastung von einer Verteilung der Kraft auf die projizierte Auflagefläche der Welle im Lager aus. Die spezifische Belastung (P) errechnet sich aus der Kraft (F), der Lagerbreite (B) und dem Innendurchmesser (D).

P = F / D · B

Die maximal zulässige mittlere Flächenpressung zählt zu den wichtigen mechanischen Eigenschaften von Gleitlagern. Damit wird ausgedrückt, für welche spezifischen Belastungen ein Gleitlager höchstens eingesetzt werden kann. Mit Gleitlagern aus modifizierten thermoplastischen Kunststoffen mit eingelagerten Festschmierstoffen lassen sich Lagerungen mit Flächenpressungen bis 150 N/mm² realisieren. Interessant ist, dass diese Lager auch unter solchen Belastungen Bewegungen mit geringen Geschwindigkeiten aufnehmen können. Andere Gleitlager, die Gleit- oder Schmiermittel benutzen, lassen kaum Belastungen von 50 N/mm² zu. Noch geringer ist die Belastbarkeit bei ölgeschmierten Lagern, die hydrodynamisch arbeiten.
Die Tragfähigkeit ist vom Schmierstoff selbst, aber auch von der Wellenoberfläche, der Temperatur, vom Lagerspiel und vielen anderen Faktoren abhängig. Bei Gleitbewegungen muss sich ein Schmierfilm aufbauen, der die Welle vom Lager trennt. Bei sehr langsamen Bewegungen oder im Aussetzbetrieb kann der Film reißen. Oszillierende Bewegungen können zu Kavitationsschäden an den Lagern oder der Welle führen. Oft mischen sich zu den hohen spezifischen Pressungen weitere Anforderungen, zum Beispiel Kantenbelastungen. Auf kleinem Raum, auf dem sich kein Schmierfilm bilden kann, werden Spitzenbelastungen wirksam. Misch- und Trockenreibung stellen sich ein, der Verschleiß schreitet fort. Auch Schwingungen belasten die Lagerung unverhältnismäßig. Kurzzeitige Berührungen von Welle und Lager, die nachhaltig das Tribosystem schädigen können, sind möglich.
Die Ausführungen zeigen, dass bei hohen Belastungen der Gleitfilm ausfallen und dies zu Problemen führen kann. Eine Alternative können trocken laufende Gleitlager mit selbstschmierenden Eigenschaften sein. Ohne zusätzliche Schmierung, ohne Schmierfilm zwischen Welle und Lager kann dieser auch unter hohen Belastungen weggedrückt werden. Igus entwickelt daher wartungsfreie Gleitlager. Angeboten werden aktuell sieben verschiedene Materialien für unterschiedliche Anforderungen. Zudem gibt es weitere Compounds, die für spezielle Aufgabenstellungen eingesetzt werden. Aber ein Grundprinzip ist für alle Werkstoffe gleich: Alle sind selbstschmierend und können trocken eingesetzt werden. Durch den Mikroabrieb werden die homogen verteilten Festschmierstoffteilchen freigesetzt. Sie lagern sich in den Tälern der Wellenoberfläche ein.


Gute Eignung für lineare Bewegungen
Iglidur-Gleitlager bestehen aus speziell entwickelten thermoplastischen Compounds. Der Zusatz von technischen Fasern verstärkt die mechanische Belastbarkeit thermoplastischer Legierungen. Zudem übernimmt die Fasermatrix wichtige Aufgaben bei der Wärmformbeständigkeit und der Verschleißfestigkeit. Festschmierstoffe sollen die Reibwerte senken. Dadurch werden die abriebfesten Eigenschaften der thermoplastischen Legierung mit den Fasern zusätzlich verstärkt. Damit sie sich auch unter hohen radialen Belastungen nicht wegdrücken können, müssen sie mikrofein im Werkstoff verteilt sein. Es kommt darauf an, Materialeigenschaften zu verbessern, ohne auf der anderen Seite andere wichtige Eigenschaften negativ zu beeinflussen.
Bei den Iglidur-Materialien unterstützen sich alle Komponenten - thermoplastische Legierung, Fasermatrix und Festschmierstoffe - gegenseitig und haben gute Gleit- und sehr gute Abriebeigenschaften. Sobald die Lager dynamisch belastet werden, entsteht ein Mikroabrieb der Festschmierstoffe und thermoplastischen Komponenten. Dieser Mikroabrieb füllt das Rauhigkeitsprofil der Welle, der Selbstschmiereffekt entsteht. Ohne einen Film auf der Welle zu bilden entsteht so eine optimale Kombination von Gleitlager und Welle. Nach der Einlaufphase nimmt der Mikroabrieb rapide ab, es beginnt die Phase des nahezu verschleißfreien Laufs.
Iglidur-Gleitlager sind mit Festschmierstoffen homogen durchsetzt, sodass kein Schmierfilm notwendig ist. Sie sind ohne Schmiermittelvorrat selbstschmierend, laufen dadurch vom ersten Moment an geschmiert. Auch unter hohen statischen Lasten können sich keine Schmiermittel wegdrücken. Dieser Unterschied erklärt auch die gute Eignung der Gleitlager für lineare Bewegungen. Das Lager muss die Welle nicht über die gesamte Strecke dauernd mit einem Gleitfilm überziehen. Probleme mit Gleitschichten entstehen, weil das Lager diesen Film bei der nächsten Bewegung vor sich her schiebt. Oder es binden sich feine Schmutzpartikel in der Gleitschicht. Bei Kunststoff-Gleitlagern reicht es, wenn sich Welle und Lager einlaufen. Dann sind lange Strecken mit niedrigem Gleitwert und geringstem Verschleiß zu bewältigen.


Schmierstoffpartikel bleiben, wo sie hingehören: zwischen Welle und Lager
Ein Beispiel für Anwendungen, bei denen die Vorteile der homogenen Verteilung der Festschmierstoffe im Vordergrund stehen, sind Förderketten. Abhängig von den zu fördernden Lasten entstehen sehr große Zugkräfte auf die Kettenglieder und die Gelenke. An den Umlenkpunkten kommt es zu sehr kleinen Schwenkbewegungen in den Gelenken. Ein weicher Schmierfilm würde sich bei der dauernden, sehr hohen Belastung von der eigentliche Lagerstelle wegdrücken. Dadurch kommt es bei den ständig neu einsetzenden Bewegungen zum Anlaufen ohne Schmierung. Durch die kleine Schwenkbewegung wird das Schmiermittel nicht wieder an die Lagerstelle transportiert. Im Laufe der Zeit kommt es so zu einer Mangelschmierung. Iglidur-Gleitlager mit ihren homogen verteilten Festschmierstoffen bringen hier Vorteile.
Trotz hoher radialer Drücke gibt das thermoplastische Compound mit seiner Fasermatrix nicht nach. Die mikroskopisch kleinen Schmierstoffpartikel bleiben so zwischen Welle und Lager eingebettet und werden bei der kleinsten Bewegung wirksam. In den Förderketten werden Belastungen an den Gelenkstellen bis zu 50 N/mm² erreicht. Zudem werden solche Anlagen für den Transport ganz verschiedener Güter eingesetzt. Die Palette reicht von Telefonzellen, Autotüren und Damenmänteln bis zum Transport unverpackter Nahrungsmittel. In sehr vielen Fällen muss ausgeschlossen sein, dass Öle oder Fette von der Kette herabtropfen. Diese Gründe und die Kostenvorteile führten dazu, Iglidur-G-Gleitlager in diesen Förderketten einzusetzen. Ebenso kommt es bei Kantenbelastungen oder extremen Stößen und Schwingungen, die oft ein Vielfaches über der eigentlichen radialen Belastung liegen, darauf an, dass Schmierstoffe nicht von der Lagerstelle weggequetscht werden können. Hier wirken sich die elastischen Eigenschaften von Kunststoffen positiv aus, da sie verhindern, dass es zu einer bleibenden Verformung der Lager kommt.


Knackpunkt: Sofort einsetzende Schmierung beim Anlaufen
In maritimen Anwendungen sind Gleitlager oft hohen Drücken und Stoßbelastungen ausgesetzt. Aufgrund des Wassers, besonders des Salzwassers, ist eine Schmierung der Lagerstelle problematisch. Es kann das Fett oder Öl auswaschen und wegspülen. Hochgeschwindigkeits-Rennboote fahren mit Geschwindigkeiten bis zu 125 Meilen pro Stunde über das Wasser. In der Lenkung und Aufhängung des Außenbordmotors treten dabei Stöße bis 40.000 psi auf. Gleitlager aus Edelstahl hielten den Belastungen stand. Die Schmierung dieser Stahlbuchsen blieb weiterhin ein entscheidendes Problem. Iglidur-X-Gleitlager konnten beides lösen: Sie überstehen die radialen Drücke und Stoßbelastungen und sind selbstschmierend. Trocken eingebaut kann das Salzwasser die Schmierung der Lagerstelle nicht beeinflussen. Weitere Gründe für Iglidur-Gleitlager in dieser Anwendung sind die Schlagzähigkeit, Abriebfestigkeit und die Seewasserbeständigkeit.
Dieses Beispiel kann auch für andere Anwendungen mit kleinen oszillierenden Bewegungen bei hohen Flächenbelastungen angesehen werden. Immer ist die sofort einsetzende Schmierung beim Anlaufen ein entscheidender Gesichtspunkt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Art der Schmierstoffe. Sie müssen für den gleichen Temperaturbereich geeignet sein wie die Lager selbst. Häufig passiert es, dass Öle aus den Lagern ausfließen, weil die Umgebungstemperatur zu hoch ist. Entscheidend kann aber auch die chemische Beständigkeit sein. Einerseits können Schmiermittel durch Chemikalien angegriffen werden, wodurch sie ihre Wirksamkeit verlieren. Andererseits müssen auch die Verunreinigungen der Umgebungsmedien einbezogen werden. Gerade im Lebensmittel- und Pharmabereich dürfen nur physiologisch unbedenkliche Stoffe eingesetzt werden.


Messergebnisse lassen Skepsis gegenüber Kunststofflagern weichen
In einem Anbaugerät für Gabelstapler wurden erst alle bekannten metallischen Gleitlager getestet. Man suchte ein wartungsfreies Gleitlager für eine lineare Bewegung unter hoher Belastung. Bisher wurde ein metallisches Gleitlager eingesetzt, das in regelmäßigen Abständen nachgeschmiert werden musste. Aber auch wenn geschmiert wurde, war man mit der Lösung unzufrieden. Es wurde festgestellt, dass beim Anfahren die Reibung erheblich größer war. Während der Bewegung ging die Reibung auf den gewünschten niedrigen Wert zurück. Dadurch kam es zu ruckigem Anfahren. Zudem war der Verschleiß der Gleitlager zu hoch. Für eine Verbesserung der Lagerung testete man alle gängigen Lagertypen. Aber auch mit anderen Gleitlagern zeigte sich ein ähnliches Bild. Einige zeigten im neuen Zustand zufriedenstellende Ergebnisse. Aber nach kurzer Zeit zeigten sich doch bei allen getesteten Lagerbuchsen Probleme. Einmal war die Abriebfestigkeit nicht ausreichend, ein anderes Lager zeigte ständig zunehmende Reibwerte während des Versuchs. Oder das Stick-Slip-Verhalten führte beim Anfahren zu Problemen durch Rucken. Als man sich bereits mit der regelmäßigen Schmierung der Lagerstelle abgefunden hatte, war der Test mit Kunststoff-Gleitlagern erfolgreich. Man begegnete den Versuchen mit Iglidur-Gleitlagern zunächst skeptisch. Doch schon nach kurzer Zeit war man von den Vorteilen der selbstschmierenden Kunststoff-Gleitlager überzeugt. Die Reibwerte blieben konstant, und auch die weiteren Messergebnisse waren sehr gut.
Es war gelungen, mit gleichbleibendem Arbeits- und Anfahrdruck den Test über die gesamte Dauer zu fahren. Ein Ergebnis des konstanten Gleitreibwerts über 100.000 Zyklen - und das im Trockenlauf ohne Wartung. Ein weiterer Pluspunkt ist die Stick-Slip-Freiheit, die ruckfreies Anfahren ermöglicht und so den Einsatz der Kunststoff-Gleitlager in dieser Anwendung erst ermöglicht. Überzeugend war in dem Versuch mit 18.000 N Belastung auch die Abriebfestigkeit:

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Spicher Str. 1 a
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+49 2203 9649 0

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