Vollständige und unbeeinträchtigte Signale in Digitalsystemen
Charakterisierung der Signalintegrität von Datensignalen
Bei der Übertragung digitaler Daten auf unter anderem digitale Schaltungen gilt es zunehmend als Herausforderung, diese sauber und schnell zu realisieren. Geringe Abweichungen und Störungen, die während der Signalerzeugung und in der schaltungsinternen Übertragung entstehen, können sich bis auf die HF-Übertragung des Signals negativ auswirken. Diese Störungen können folglich für die komplette Datenübertragung fatal sein, da sich diese zu den Störungen über die Luftschnittstelle hinzuaddieren. Im folgenden Text werden die unterschiedlichen Signalbestandteile einer digitalen Schaltung betrachtet, die ihre Information zusätzlich über die Luftschnittstelle überträgt. Hier ist das Ziel, durch gezielte Fehleranalyse Störfaktoren der einzelnen Teilkomponenten zu messen. Zudem werden die Auswirkungen der Fehler von eingebetteten Signalen auf die HF-Übertragungsqualität vermessen. Ziel der Messung ist es, dass sich der Einfluss und die Qualität der Datenübertragung ausschließlich durch die Luftschnittstelle beeinflussen lässt und somit eine komplette Signalregeneration auf der Empfängerseite wieder möglich ist.
Das Hauptziel einer digitalen Datenübertragung ist es, am Empfänger eine praktisch komplette Regenerierung des digitalen Signals zu erreichen. Die Regenerierung muss mindestens so gut sein, dass eine Schwellwertentscheidung der digitalen Einheiten möglich ist. Leider kann die Übertragung von vielen unterschiedlichen Faktoren negativ beeinflusst werden. Je höher die Datenrate ist, desto mehr wird die Qualität durch Steckverbindungen, die Leitung oder durch das verwendete Material beeinflusst. Auch sporadische Einflüsse, wie zum Beispiel hochfrequente Rauschspitzen, können die Schwellwertentscheidung verfälschen. Je unreiner eine Datensequenz ist, desto mehr Störungen und ungewollte Frequenzanteile ergeben sich dann auch bei einer möglichen HF-Übertragung. Die Planung einer digitalen Übertragung ist so auszulegen, dass die BER (Bit Error Rate) unterhalb des im Lastenheft definierten Wertes liegt. Die BER ist auch der wesentliche Qualitätsmaßstab einer digitalen Übertragung. Somit ist das Ziel während der Planung einer Datenübertragung, dass die BER sehr klein sein sollte. Eine BER-Messung hat allerdings zum Nachteil, dass diese nicht zur Fehlerlokalisierung dient.
Charakterisierung der Signalintegrität
Für die Charakterisierung der Signalintegrität wird das 2-GHz-Oszilloskop der Serie MSO8000 von Rigol verwendet. Die Architektur des Oszilloskops basiert auf der Plattform Ultra VisionII und dem von Rigol entwickelten Chipsatz. Mit dieser Serie ist es möglich, die Messung mit dem Echtzeit-Augendiagramm und der Jitter-Analysesoftware mit Trenddarstellung auszuführen. Mit diesem Gerät wird zudem der Einfluss der Bandbreite in Bezug auf die Anstiegszeit und dem Überschwingen betrachtet. Der Einfluss der Signalintegrität wird zusätzlich nach der Modulation auf einen HF-Träger verglichen. Zum einen kann der Frequenzgang mittels der im MSO8000 integrierten FFT (1 Mio. Punkte) durchgeführt werden. Zum anderen wird für die Demodulation und für den Test der Bitfehlerrate der Echtzeit-Spektrum-Analysator der Serie RSA5000N mit dem Vektorsignalanalysator-Modul eingesetzt.
Für die erste Analyse mit dem Oszilloskop wird die Korrektheit der einzelnen Bussysteme überprüft, die für die digitale Übertragung eingesetzt werden. Hierbei muss der Datenstrom mit seinem Takt richtig getriggert werden. Das MSO8000 bietet dafür eine Vielzahl an Trigger- und Dekodiervarianten für die unterschiedlichen Bussysteme (z.B. CAN, I2C, SPI, LIN, RS232, FlexRay, MIL-STD-1553B und weitere) an. In dem Beispiel von Abbildung 1 wurde ein paralleler Bus (Takt auf Kanal 3, Daten auf Kanal 1) mit einem PRBS7-Testsignal vermessen. An Kanal 2 liegt das Taktsignal an. Die Triggerung kann auf die Anstiegsflanke des Datensignals erfolgen (Edge). Alternativ lassen sich auch andere Trigger-Methoden, wie zum Beispiel die Triggerung auf den längsten Zustand (z.B. „0“ oder „1“) mit dem Zeitdauertrigger (Duration) durchführen. Eine dritte Möglichkeit ist die Verwendung von zwei zeitgleichen Zonentriggern, die auslösen sollen, wenn sie nicht durchschritten werden. Das heißt die jeweilige Zone wird in dem Bereich eingesetzt, bei der für diese Zeitdauer eine „0“ erwartet wird. Nach der Triggerung kann man das Signal dann dekodieren.
Die Dekodierung kann man auch an einem aufgenommenen Signal durchführen. Mittels dieser Aufnahmemöglichkeit lassen sich bei einer Einzelkanalmessung bis zu neun Frames mit je 100 Mpts (also 900 Mpts) aufnehmen und wieder abspielen. Zusätzlich lassen sich die dekodierten Daten in einer Eventtabelle darstellen und exportieren. Dieser Datensatz kann dann mit den ursprünglichen Daten verglichen werden. Statt der analogen Eingänge am Oszilloskop können auch die 16 digitalen Eingänge des MSO8000 verwendet werden, um zu testen, wie ein digitaler Empfänger diesen Bus interpretiert und die Schwellwertentscheidung durchführt.
Ein wesentlicher Bestandteil der digitalen Übertragung ist das Jitter- und Rauschverhalten, das die Schwellwertentscheidung maßgeblich beeinflusst. Jitter entsteht, wenn Phasenvariationen in den einzelnen zu übertragenen Bits gegenüber der optimalen Bitflanke vorkommen. Jitter lässt sich als eine Art der Phasenmodulation beschreiben. Für eine hochqualitative Datenübertragung ist es wichtig, die Art des Jitters zu kennen, um die Ursachen effektiv zu minimieren. Impulsstörungen, Nebensprechen oder Rauschen wirken sich als nicht-symmetrischer oder zufälliger Jitter aus. Eine ungewollte Beeinflussung durch ein anderes Taktsignal wird hingegen als symmetrischer oder deterministischer Jitter bezeichnet, dessen Einfluss dann auch dominiert. Dieser kann sich als datenabhängiger oder periodischer Jitter auswirken.
Da nicht nur der Jittereinfluss des Datensignals, sondern auch dessen Taktsignals wichtig ist, wird zuerst die Taktstabilität des Bussystems überprüft. Die Taktstabilität ist sehr wichtig, um eine gute Synchronisation zwischen Takt und der Datenübertragung zu erreichen, damit die Daten gegenüber dem Takt nicht wegdriften. Hier wird der Jitter mit dem MSO8000 vermessen. Für die Langzeitanalyse ist die Ergebnistabelle ein geeignetes Werkzeug, um die Flankenabweichung zur Idealflanke [TIE], die Pulsbreitenabweichung des Folgepulses [±width-to-±width] und die Periodenabweichung [Cycle-to-Cycle] gegenüber der nachfolgenden Periode auszumessen und darzustellen. Die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion des Jitters lässt sich im Histogramm darstellen. Das Histogramm bietet zum einen eine graphische Darstellung an, die aufgrund der Symmetrie als Hilfestellung dient, um die Art des Jitters zu beurteilen. Zum anderen lassen sich die notwendigen Messparameter aus der Ergebnistabelle herauslesen. Die zwei äußersten Histogrammbalken [bins] werden hierbei als Minimal-/Maximalwert dargestellt. Der höchste Wert wird hierbei als Modus [Mode] bezeichnet. Die Standardabweichung, in der circa 68,3 Prozent der Jitterschwankungen vorkommen, wird mit ± 1 σ [Sigma] beschrieben. Der Median-Zeitpunkt beschreibt den zeitlichen Wert, bei dem 50 Prozent der Werte unterhalb liegen. Diese Werte helfen, die genauen Zeitpunkte der Signalverteilung und die Häufigkeit der Jitterbestandteile zu vermessen.
Bei dem Histogramm wird allerdings der Gesamt-Jitter dargestellt (Faltung der Jitter-Komponenten im Zeitbereich). Einzelne Jitter-Komponenten lassen sich nicht zu 100 Prozent aus dem Histogramm ermitteln, gerade dann nicht, wenn unterschiedliche Komponenten dominierend vorhanden sind. Deshalb bietet die Jittermessung eine weitere Darstellungsfunktion der Jitterabweichung und Charakteristik mit dem Trendgraphen an. In Kombination mit dem Histogramm lässt sich daraus schließen, welche Ursache für den Jitter verantwortlich ist. In Abbildung 2 wird eine Jitterstörung durch ein anderes 10-kHz-Sinussignal verursacht. Der Trend wirkt sich als Integration des Störtaktsignals aus. Da eine Sinus-Charakteristik im Trend zu sehen ist, lässt sich auf eine Einzelfrequenzstörung schließen. Die Histogramm-Darstellung unterstreicht diese Annahme durch die maximale gleichmäßige Verteilung an den Seiten. Das heißt die größten Jitter-Ausschläge entstehen durch die Maxima/Minima des Störsignals. Das Störsignal könnte durch eine Oszillation in einer PLL-Schaltung oder durch eine Störwelligkeit eines Netzteils durch Schaltvorgänge entstehen. Rauschkomponenten sind auf den Einfluss des Jitters in dieser Messung nicht dominierend. Durch diese Messung lassen sich also Informationen aus der Schaltung ableiten, um die Fehlerursache zu entdecken und zu beseitigen.
Als nächstes wird für den Einfluss von Jitter auch der Einfluss von Amplitudenstörungen und Rauschen mit dem Augendiagramm vermessen. Mit dem Echtzeitaugendiagramm der MSO8000-Serie können einige Tausend Übertragungssequenzen erfasst werden. Hierbei wird die Triggerung in eine geeignete Beziehung zum Takt gebracht, und die Sequenzen lassen sich mittels dem Dichtigkeitsplot so oft wie gewünscht übereinanderlegen und als Auge darstellen. Durch die Messwerte des Augendiagramms kann zum Beispiel der Q-Faktor dargestellt werden. Der Q-Faktor ist ein wichtiges Gütekriterium in der Datenübertragung, der zur Beurteilung der Datensignale dient und auch eine Aussage für die BER erlaubt (siehe Formel 1, Berechnung des BER mittels Q-Faktor, µi = ist der Mittelwert und σi = die Standardabweichungen der Amplituden der Zustände i = 0 und 1). Durch die Zuhilfenahme des Augendiagramms kann man eine Übertragung auch auf ihre Robustheit überprüfen, um gegebenenfalls Störeinflüsse von außen auf das Übertragungsmedium zu geben und das Verhalten am Auge analysieren.
Es können mit dieser Messmethode einige Parameter aus einem Lastenheft oder dem notwendigen Kommunikationsstandard überprüft und vermessen werden. Zum einen lässt sich das Rauschverhalten der Übertragung (entsteht z. B. durch Übersprechen) testen. Ein weiterer Einfluss ist die Leitungsdämpfung des Übertragungspfades, die so gewählt sein sollte, dass das Auge noch weitgehend geöffnet ist. Mit dieser Messmethode lassen sich auch sporadische Störeinflüsse (Störimpulse durch Schaltvorgänge eines Netzteils) vermessen. Das Auge dient nicht nur für die Vermessung von vertikalen Einflüssen. Es lassen sich auch horizontale Einflüsse wie Jitter visualisieren und ausmessen. In der Augendiagramm-Darstellung auf zum Beispiel Kanal 1 (s. Abb. 3) und der Taktdarstellung auf zum Beispiel Kanal 3 lässt sich auch erkennen, ob das Signal gegenüber dem Takt wegdriftet.
In Abbildung 3 ist zu sehen, dass ein verrauschtes Jitter-behaftetes Signal mit starker Bandbreitenbegrenzung zu Störungen in der HF-Übertragung (Modulation auf HF-Träger: 2FSK) führen kann, was auch die BER der Luftschnittstelle beeinflusst. Die HF-Übertragung sowie die BER wurden mit dem Vektorsignal-Analyzer-Mode und das Spektrum mit dem Echtzeit-Spektrum-Analyzer-Mode des RSA5065-TG vermessen.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der digitalen Übertragung ist die Bandbreite. Durch die Vermessung der Anstiegszeit kann man auch eine Aussage über die Bandbreite des Datensignals treffen, da diese mit der Formel 2 (Berechnung der Bandbreite durch die Anstiegszeit des Datensignals) zusammenhängt.
Bei der Messung der Anstiegszeit muss allerdings auch die Bandbreitenbegrenzung des Oszilloskops berücksichtigt werden. Das heißt, die gemessene Anstiegszeit im Oszilloskop wird dann nach Formel 3 (Minimal messbare Anstiegszeit mit dem MSO8204 (2 GHz, 1 Kanalmessung) berechnet:
Das heißt ein Signal, das ebenfalls eine Anstiegszeit von 175 nsek hat, wirkt sich im Ergebnis mit einer Anstiegszeit von 247 nsek im Messgerät aus. Allerdings bringt eine Optimierung der Anstiegszeit Nachteile mit sich. Zum einen wird wie oben beschrieben mehr Bandbreite benötigt, zum anderen können Überschwinger erzeugt werden, die ebenfalls unerwünscht sein können. Mit der FFT im MSO8000 kann mit einer sehr genauen Frequenzanalyse (FFT mit 1 Mio. Punkten) der Bandbreitenbedarf des Datensignals mit unterschiedlichen Anstiegszeiten durchgeführt werden. Gleichzeitig kann im Zeitbereich diese Messung genutzt werden, um einen Kompromiss zwischen der bestmöglichen Anstiegszeit mit dem minimalsten Überschwinger zu erreichen.
Autor
Boris Adlung, Sales/Marketing Manager, Rigol Technologies, Gilching
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