Im Jahr 2013 wurden am Lehrstuhl für Hochspannungs- und Anlagentechnik der Technischen Universität München sukzessive alle Hochspannungsversuchsfelder modernisiert. Soweit möglich und wirtschaftlich sinnvoll, wurden dabei die eigentlichen Hochspannungserzeuger weiterverwendet. Die zugehörige Mess- und Steuerungstechnik musste man jedoch komplett erneuern und in den ­sicherheitstechnischen Belangen an die aktuellen Anforderungen der Norm EN 50191:2010 anpassen. Die Sicherheitsanforderungen an elektrische Prüfanlagen werden in der EN 50191 beziehungsweise BGI 891 unter anderem durch den Einsatzzweck der Prüfanlage bestimmt. Im vorliegenden Fall werden die Prüfanlagen primär zur Durchführung von Versuchen im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben verwendet, sie gelten daher als Versuchsfeld im Sinne der EN 50191. Darüber hinaus fordert die BGI 891, bei der Konzipierung von Prüfanlagen die allgemeinen Gestaltungsleitsätze zur Sicherheit von Maschinen die EN ISO 13849-1 anzuwenden. Unter Berücksichtigung aller sicherheitsrelevanten Aspekte ergab sich aus der Risikobeurteilung ein erforderlicher Performance-Level von d (PLr=d) für einige wenige Sicherheitsfunktionen.

Durchgängiges und kompatibles Sicherheitssystem

Zur Umsetzung der beschriebenen Anforderungen wurde jedes Hochspannungsversuchsfeld mit dem Sicherheitszaun Quick-­Guard, der Steuer- und Prüfbereich trennt, sowie mit der Sicherheits-SPS Pluto ausgestattet, die die Abfrage sämtlicher sicherheitsrelevanten Sensoren (Not-Aus-Taster, Türsensoren, Überwachung von Erdungseinrichtungen) und die Ansteuerung der Warnlampen und Türzuhaltungen des entsprechen Hochspannungsversuchsfeldes übernimmt. Besonderes Augenmerk wurde hierbei auf ein durchgängiges und kompatibles System aus Sicherheitszaun, Sicherheitssteuerungen und Sensoren gelegt, das zum einen den in einem Hochspannungsversuchsfeld vorherrschenden elektromagnetischen Umgebungsbedingungen widerstehen kann und zum anderen eine einfache und strukturierte Verkabelung erlaubt.
Im Idealfall erreicht man auch beim Kaskadieren von Sicherheitssensoren noch einen hohen Performance-Level. Die Sicherheitssteuerungen der Pluto-Familie von ABB Stotz-Kontakt erfüllen diese Kriterien mit den Sicherheitssensoren Eden und den Not-Aus-Tastern Inca. Die Geräte der Pluto-Familie ermöglichen zudem, mehrere Sicherheitssteuerungen miteinander zu vernetzen und diese in ein gemeinsames Projekt zu integrieren. Dadurch lässt sich im vorliegenden Anwendungsfall beispielsweise der Leistungsteil der Prüfspannungsquelle, in dem sich die redun­danten Schaltgeräte zur sicheren Energietrennung nebst deren Spiegelkontakten und einigen Erdungseinrichtungen befinden, von der eigentlichen Laborsicherheitssteuerung absetzen.

Rundum abgesichert

Die Schutzumhausung Quick-Guard besteht aus wenigen verschiedenen Komponenten, wie Aluminiumprofilen, Montagebeschlägen, Gitter-Verriegelungen, Punktschweißgittern, Polycarbonat- oder Schallabsorptions-­Platten. Durch das Schraubverriegelungssystem werden alle Beschläge vormontiert mit Befestigungsschrauben und Nutensteinen geliefert. Die zugehörige Computer-Software SafeCAD erstellt automatisch 3D-Zeichnungen sowie Komponenten- und Schnittlisten, anhand derer die Umhausung errichtet werden kann.
Die elektromagnetische Zuhaltung Magne 1B kann eine Tür oder Klappe mit einer Zuhaltekraft von bis zu 1.500 N geschlossen halten. Dabei überwacht der zusätzlich angebrachte berührungslose Sensor Eden, dass die Tür oder Klappe sicher geschlossen ist. Der Elektro­magnet enthält einen Informationsausgangskontakt, der anzeigt, dass die Zuhaltekraft die erforderliche Stärke erreicht hat.
Die 45 mm breite Sicherheits-SPS Pluto B20 verfügt über ­einen Busanschluss. Die ebenfalls mit einem Busanschluss versehene ­Sicherheits-SPS Pluto B46 wurde entwickelt, um der Nachfrage nach einer kompakten Sicherheits-SPS mit mehreren Ein- und Ausgängen gerecht zu werden. Pluto ist ein Sicherheitscontroller All Master, der den Entwurf von Sicherheitssystemen vereinfacht und den Performance Level e nach EN ISO 13849-1 sowie SIL 3 nach EN 62061 unterstützt. Die kostenfreie Programmier-Software Pluto Manager ist ein auf Windows basierendes Programmierwerkzeug, das sowohl die Nutzung TÜV-zertifizierter Sicherheitsfunktionsblöcke als auch freie Programmierung ermöglicht.

Sichere Vorlesung in Faradaykugel

Da die Pluto-Sicherheitssteuerungen zur Vernetzung den CAN-Bus verwenden, konnte hier durch LWL-Signalumsetzer des Typs PSI-MOS-DNET-CAN/FO von Phoenix Contact eine sichere galvanische Trennung und damit eine Reduzierung der EMV-Problematik erreicht werden. Die Möglichkeit der Vernetzung mehrerer Sicherheitssteuerungen innerhalb eines Projektes erlaubt auch Sonderlösungen wie zum Beispiel die Integration einer fahrbaren Faradaykugel. Die Faraday­kugel wird für Vorführungen im Rahmen von Experimentalvorlesungen für die Studierenden der Elektrotechnik und Informationstechnik benutzt und muss zu diesem Zweck mit einer Person besetzt werden. Da sich die Faradaykugel im Prüfbereich und damit innerhalb der Verbotszone nach EN 50191 befindet, musste auch diese mit Sicherheitseinrichtungen ausgerüstet werden. Zur Ansteuerung dieser Komponenten wurde ebenfalls eine Pluto-Sicherheitssteuerung in die Faradaykugel integriert, die über LWL mit der übergeordneten Laborsicherheitssteuerung vernetzt ist.

Geschlossen, wenn sich Adam und Eva gegenüberstehen

An jedem Zugang zu den Versuchsfeldern ist ein berührungsloses ­Sicherheits-Sensorpaar Eden angebracht. Es besteht aus dem aktiven, elektrisch verdrahteten Teil Adam und dem passiven, als Betätiger wirkenden Teil Eva. Ein kodiertes Signal wird von einem Sicherheitscontroller Vital oder einer Sicherheits-SPS Pluto über Adam an Eva übertragen, die das Signal verändert und wieder zurücksendet. Der Sensor ist nur bei geschlossener Tür aktiviert, wenn sich Adam und Eva gegenüber stehen. Der wartungs- und verschleißfreie Sensor hat einen Schaltabstand von 0 bis 15 mm und lässt sich rundum betätigen.