Sensoren im Formula-Student-Rennwagen der Universität Stuttgart
27.11.2014 -
Bei den diesjährigen Rennen hat das Formula-Student-Rennteam der Uni Stuttgart wieder einen der vorderen Plätze erfahren. Ausschlaggebend dabei waren unter anderem Elektronik und Sensorik des neuen Fahrzeugs F0711-9. Winkel- und Wegsensoren sorgen hier für die Erfassung und Auswertung der Fahrzeugdaten.
„Die Messlatte für uns lag hoch", so Andre Graßmuck, der sich als Gesamtfahrzeugleiter zusammen mit dem 1. Vorsitzenden Manuel Bühler und Alexander Utz (Organisation) die Leitung des Rennteams teilt. „Schließlich hat das Rennteam der Uni Stuttgart im Jahr 2013 fünfmal auf dem Siegertreppchen gestanden und als erstes deutsches Team die Ziellinie bei dem Rennen in Michigan als Sieger überfahren." Zu den Erfolgen, die das Rennteam 2014 verzeichnen konnte, zählt unter anderem der 2. Platz bei der Formula Student UK in Silverstone.
Der F0711-9 verfolgt die Hauptkonzepte Leichtbau, Weiterentwicklung der Fahrdynamik sowie eine fortschrittliche Aerodynamik. Neben Verbesserungen in der Konstruktion und neuen Werkstoffen versucht das Rennteam auch die Elektronik des Wagens weiter zu verfeinern, da sie sämtliche Verbraucher wie Anzeigen und Bedienelemente im Cockpit steuert. Auch die Motorsteuerung ist davon abhängig und muss mit Strom versorgt werden. Die ständige Kontrolle der Sensorwerte über Telemetrie gewährleistet eine sofortige Diagnose und Eingriffsmöglichkeiten im Falle eines Schadens.
Weg- und Winkelsensoren für Bremsbalance und Getriebestellung
Seit 2005 existiert das Rennteam, ein eigenständiger Verein an der Universität Stuttgart. Und jedes Jahr wird ein Team zur Entwicklung eines neuen Wagens zusammengestellt. In Stuttgart hat man im FKFS (Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart) mittlerweile das 9. Formula-Student-Fahrzeug gebaut, wobei das Augenmerk stets auf der eigenständigen Konstruktion und Herstellung möglichst vieler Teile liegt. Dabei kann das Team auf Daten und Erfahrungswerte der Vorgängerfahrzeuge zugreifen sowie eigens erarbeitetes Fachwissen einbringen.
Ein umgebauter Yamaha-YZF-R6-Motor spart im neuen F0711-9 Platz und reduziert das Gewicht. Ein Hybrid-Rahmen bestehend aus einem CFK-Monocoque (Kohlenstoffverstärkter Kunststoff) vorn und einem CFK-Heckrahmen hinten verbesserte zudem die Aerodynamik. Mit einem Gewicht von unter 180 kg bringt es der neue Wagen mit einer Leistung von 85 bis 90 PS auf eine (gedrosselte) Spitzengeschwindigkeit von 125 km/h. Um auf 100 km zu beschleunigen, benötigt er 3,6 Sekunden. Winkel- und Wegsensoren von Megatron erfassen im Rennwagen die Bremsbalance sowie die aktuelle Getriebestellung.
Im Bereich Elektronik kümmern sich Anish Joshi (M. Sc. Studiengang Fahrzeug- und Motorentechnik) und Roland Herberth (Studiengang Mechatronik) um die anfallenden Aufgaben. Alle Verbraucher müssen mit Strom versorgt werden, die Sensoren benötigen ein zuverlässiges Datenübertragungssystem und eine entsprechende Fahrzeugtelemetrie. Ein robuster und möglichst leichter Kabelbaum soll die elektronische Versorgung gewährleisten. Die Kommunikation zwischen ECU und Sensoren erfolgt durch CANBus mit Hilfe entsprechend programmierter Mikrocontroller. Eine zuverlässig arbeitende Elektronik soll Ausfälle des Rennwagens vermeiden.
Sicherer, weil sichtbar - die Ganganzeige
Um eine visuelle Ganganzeige für den Fahrer zu realisieren, setzte das Rennteam einen linearen Wegsensor MMR10 von Megatron am Motor ein. Das vom Motor generierte Drehmoment wird zunächst von der aerodynamisch optimierten Kurbelwelle auf ein selbst entwickeltes 4-Gang-Getriebe übertragen. Von dort erfolgt die Transferierung über einen Kettenantrieb auf das erweiterte Drexler Differential, welches elektropneumatisch gesperrt werden kann. Der Motor verfügt über keine Ganganzeige. Über eine Umwandlung der Drehbewegung in einen linearen Weg lässt sich mit dem Linearpotentiometer aber eine genaue Position erfassen, die mit analogem Signal an einen Datenlogger weitergegeben wird. Dieser fungiert gleichzeitig als Display, sodass der Fahrer jederzeit eine visuelle Kontrolle über den gerade eingelegten Gang hat. Es wird immer der tatsächliche, absolute Wert ausgegeben, auch wenn die Elektrik neu startet. Musste der Fahrer in den Vorläufermodellen noch durch Mitzählen selber bestimmen, in welchem Gang er sich gerade befand, bedeutet die visuelle Ganganzeige nun eine Vereinfachung und zusätzliche Sicherheit.
50 bis 60 Sensoren für unterschiedliche Fahrzeugdaten
Der Wegsensor MMR10 ist ein kompakter Sensor mit kleinen Abmessungen, der unter anderem auch in Flugzeugsitzen und in Transportbändern eingesetzt wird. Er zeichnet sich durch eine lange Lebensdauer von 40 Millionen Bewegungen aus. Eine in zwei Gleitlagern gelagerte Schubstange liegt an einem exzentrischen Drehteil an und nimmt die lineare Bewegung auf. Der Sensor ist in Widerstandswerten von 1 kOhm bis 50 kOhm lieferbar. Als Ausführung MMR10 ist der lineare Weggeber mit einer Rückstellfeder ausgestattet, aber ebenso auch ohne Feder erhältlich.
Andre Graßmuck beschreibt die Anforderungen, die an die Sensorik in einem Rennfahrzeug gestellt werden: „Effizientere und schnellere Autos bedeuten auch weniger Gewicht und eine zunehmende Kompaktheit. Daher müssen sich die Sensoren zum einen teilweise in sehr kleinen Einbauräumen unterbringen lassen, zum anderen ist eine hohe Zuverlässigkeit gefragt." 50 bis 60 Sensoren erfassen mittlerweile in nur einem Wagen die unterschiedlichsten Fahrzeugdaten, die in ein komplexes Datenerfassungs- und Telemetriesystem einfließen.
Bremsen in Balance
In der Bremspedalerie wurde der Winkelsensor ENA 22 PM - ein Halleffekt-Absolutwertgeber (Multiturn) - verbaut. Die Serie ENA 22 PM gestattet die flexible und exakte Parametrierung des Winkelbereiches und des Drehsinnes in der Applikation. Der Zählerstand von bis zu 200 Umdrehungen wird in einem nicht-flüchtigen Speicherbaustein abgelegt. Im stromlosen Zustand ist ein Verdrehen von ±179° zulässig, ohne Verlust des Positionswertes. Der Absolutwertgeber ist mit einer 12-Bit-Auflösung, einer Update-Rate von 5 ms und einem Analogausgang erhältlich. Drehsinn, Nullpunkt und Drehwinkel (bis zu 200 Umdrehungen) sind kundenseitig parametrierbar.
Wichtig ist der Halleffekt-Sensor im F0711-9 vor allem für die Feststellung der Bremsbalance. Diese wiederum ist entscheidend dafür, dass das Fahrzeug bei starker Verzögerung nicht ausbricht und kontrollierbar bleibt. Die Verstellung der Bremsbalance erfolgt in den Wagen der Formula Student elektronisch mit Hilfe eines Drehservos, dessen Verdrehung mit Hilfe des in die Pedalerie eingebauten Winkelsensors erfasst wird. Hier ist der mechanisch endlose Drehwinkel des Sensors von Vorteil. Der erfasste Wert lässt sich über ein Display ausgegeben und fungiert als Richtwert für den Fahrer. Der kann auf einen Blick sehen, wie die Bremsbalance aktuell eingestellt ist.