Raman-Spektroskopie misst Corona-infizierte Zellen
27.08.2020 -
Die Firma CellTool hat mit BioRam ein Raman-Mikroskop-System entwickelt, mit dem Zellen ohne Färbung oder Markierung mit Antikörpern analysiert und charakterisiert werden können. Die Raman-Methode basiert rein auf der Wechselwirkung eingestrahlter Lichtteilchen (Photonen) mit den Biomolekülen einer Zelle. Mit dem BioRam können auch Corona-infizierte Zellen erkannt bzw. Blutzellen von Patienten analysiert werden. Bildverarbeitung stellt hierbei einen wichtigen Baustein für die BioRam-Geräte dar.
litätssicherung zellbasierter Produkte sind nicht erst seit der Corona-Pandemie wichtige Eckpfeiler für die Beantwortung biomedizinischer Fragestellungen. Das Frühjahr 2020 hat aufgrund der weltweiten Covid-19-Entwicklungen verdeutlicht, wie wichtig Fortschritte in der medizinischen Analyse sind, um Krankheiten schnell erkennen und wirksam bekämpfen zu können.
Das Medizintechnik-Unternehmen CellTool hat die zweite Generation seines BioRam-Systems vorgestellt, das für biomedizinische Fragestellungen optimiert ist und unter anderem die Detektion kranker oder infizierter Zellen, die Bestimmung der Tumoraggressivität, die Entdeckung kleinster Mengen an Biomarkern, die Verfolgung von Tumorzell-Transdifferenzierungen, die Beobachtung des Differenzierungspotentials von Stammzellen oder auch die Bestimmung der Qualität von zellbasierten Produkten ermöglicht. Auch die automatisierte Analyse von Blutzellen zur Erkennung der Funktionalität zum Beispiel in Abhängigkeit von der Lagerzeit eines Blutprodukts bzw. aufgrund von bakterieller bzw. viraler Kontamination ist mit diesem Mikroskop möglich.
So einfach wie Lichtmikroskopie
„BioRam ist ein hochsensitives, konfokales Raman-Trapping-Mikroskop, mit dem die Raman-Spektroskopie so einfach wird wie die Lichtmikroskopie“, erklärt Karin Schütze, Gründerin & CSO von CellTool. Die Raman-Spektroskopie ist benannt nach ihrem Erfinder Sir C. V. Raman, einem indischen Physiker. Die Methode basiert auf der Aufzeichnung der Wechselwirkung von fokussiertem Laserlicht mit den Biomolekülen der Zelle. Die resultierende inelastische Streuung bildet ein Summenspektrum, das charakteristisch für jede Zellart oder jeden Zellzustand ist. Somit kann die Raman-Spektroskopie in der Medizintechnik zur Analyse von Zelleigenschaften eingesetzt werden.
Laut Schütze ist die Raman-Spektroskopie sehr vielseitig einsetzbar: „Überall, wo Antikörper und Marker an Grenzen stoßen oder wo nur wenig Probenmaterial zur Verfügung steht, bietet diese Methode gute Möglichkeiten. Mit BioRam stellen wir dabei ein ideales System zur Verfügung, das in der Lage ist, die gewünschten Untersuchungen nichtinvasiv und unter physiologischen Bedingungen durchzuführen. Dadurch bleiben die Zellen vital und stehen für weitere Untersuchungen zur Verfügung.“ Lebende oder fixierte Zellen in Kultur bzw. im histologischen Gewebeschnitt lassen sich nach Schützes Worten ebenso einfach untersuchen wie Zellen in 3D-Geweben und Scaffolds. Auch Feststoffe und Flüssigkeiten sowie Zellüberstände oder Impfstoffe können mit BioRam einfach analysiert werden.
Schütze hebt als eine Besonderheit des BioRam die integrierte optische Pinzette hervor, für die Art Ashkin 2018 mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde: „Sie ermöglicht die Untersuchung von beweglichen Proben in Flüssigkeiten, da die Zellen während der Raman-Analyse im Laserfokus arretiert werden. Zusätzlich kann die optische Pinzette dazu verwendet werden, um Zellen oder Partikel zu bewegen und neu zu positionieren.“ Schütze hat Art Ashkin während ihre Post-doc-Zeit in den USA getroffen. Unter seiner Anleitung hat sie ihre erste Optische Pinzette zusammengebaut und zusammen haben sie die Kräfte gemessen, mit denen Organellen in der Zelle transportiert werden (publiziert im Magazin Nature 1990).
Automatisierter Blick ins Mikroskop
Die Beurteilung von Mikroskopbildern ist üblicherweise zeitaufwendig und erfordert erfahrene Mitarbeiter. Um diesen Schritt der Analyse wirtschaftlicher zu gestalten, kontaktierte CellTool während der Entwicklungsphase der zweiten BioRam-Generation die Bildverarbeitungsexperten von Stemmer Imaging. „Die dortige Beratung hat unsere Erwartungen übertroffen“, erinnert sich Schütze: „Bereits nach kurzer Zeit erhielten wir die Ergebnisse einer umfangreichen Machbarkeitsstudie, die im Anwendungslabor von Stemmer Imaging erstellt wurde und uns fundierte Empfehlungen für eine geeignete Kamera lieferte.“
Auf dieser Basis realisierte CellTool die finale Entwicklung der neuen digitalen BioRam-Generation und integrierte eine GigE-Farb-Flächenkamera des Typs Manta von Allied Vision, die mit einer Auflösung von 1.388x1.038 Pixeln die notwendigen Detailinformationen für die anschließende automatisierte Auswertung zur Verfügung stellte. „Statt eines Menschen übernimmt also in der neuen Gerätegeneration eine Kamera den Blick ins Okular und erlaubt damit eine deutlich zuverlässigere und schnellere Analyse der Proben“, verdeutlicht Schütze das positive Ergebnis der Zusammenarbeit mit Stemmer Imaging.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Von der Leistungsfähigkeit des neuen BioRam ist Schütze überzeugt: „Viele unserer Ergebnisse wurden mit gängigen Methoden wie FACS, MACS, Immunzytochemie, DNA- oder RNA-Arrays bestätigt. Diese Methoden sind jedoch wesentlich aufwendiger, zudem wird dafür ein Mehrfaches an Zellmaterial benötigt oder sie sind als Endpunktanalyseverfahren nicht für lebende Zellen anwendbar. Zudem sind Antikörper oft nicht sehr spezifisch oder es gibt sie einfach nicht für bestimmte Zellarten oder Zellzustände. Den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Neuvorstellung sind dabei kaum Grenzen gesetzt: Neben der Analyse von biologischen und medizinischen Proben für Forschung und Entwicklung kann BioRam auch zur Qualitätskontrolle von zellbasierten Therapeutika, aber auch Materialien wie beispielsweise Gerüstsubstanzen, Membranen, Zellkulturmedien oder Impfstoffen herangezogen werden.
„Wir sind uns sicher, dass medizinische Labore von den Vorteilen des neuen BioRam profitieren, weil damit eine schnellere Analyse sowie eine einfache Prozessüberwachung möglich ist“, so Schütze. Als weitere Vorzüge nennt sie die Reduzierung von Kosten und zeitintensiven Präparationsschritten sowie die Möglichkeit, schnell einen Überblick über Wirkstoffreaktionen zu erhalten und die Qualität von Zellkulturen bzw. zellbasierten Produkten überwachen zu können. In der neuen Gerätegeneration bieten wir Kunden die Möglichkeit, auch Fluoreszenz-gefärbte Proben anzuschauen und zu vermessen.“
„BioRam ist die ideale Plattform für neuartige Zell-Analysen, fortgeschrittene medizinische Diagnostik oder Qualitätssicherungen zellbasierter Produkte. Dieses System bietet insbesondere für Direktmessungen in der Zellkultur, in Gewebe, Transplantaten oder in Fluidik die notwendigen Voraussetzungen“, unterstreicht Schütze. „Wir freuen uns sehr, dass wir in Zusammenarbeit mit Stemmer Imaging eine Möglichkeit entwickeln konnten, um die Analyse von Virusinfektionen zu verbessern und auf diese Weise zur wirkungsvollen Bekämpfung der Corona-Pandemie beizutragen.“