Automatisierung

Physikalische Technologieprinzipien von Geräteschutzschaltern nach IEC 60934

Geräteschutzschalternach elektronisch-hybridem Prinzip EH

13.03.2014 -

Das Spektrum von Schutzschaltern reicht von thermischen und thermisch-magnetischen Geräten über magnetische und magnetisch-hydraulische bis hin zu elektronisch-hybriden. Doch welche Applikation erfordert welchen Gerätschutzschalter? Und welches Prinzip wird sich in Zukunft mehr und mehr durchsetzen?

Geräteschutzschalter nach IEC 60934 werden in den unterschiedlichsten Branchen und Produkten eingesetzt – angefangen bei Maschinen und Anlagen, über Datencenter, Fahrzeuge, Boote, Photovoltaikanlagen bis hin zu elektrischen Geräten für Haushalt, Hobby und Garten. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage: Welche physikalischen Technologieprinzipien liegen den GS zugrunde und für welchen Bereich ist welcher Schalter am besten geeignet?

Der Schutzschalter lässt sich grundsätzlich auf sechs Funktionen reduzieren. Die Basisfunktion des Gerätes ist es, einen Energiefluss von einer Energiequelle zu einer Energiesenke (Last) zu führen. Dabei geht es darum, diesen Energiefluss abhängig von Steuersignalen ein- und ausschalten zu können. Bei diesen Steuersignalen handelt es sich um Funktionen, abgeleitet aus den Zuständen des jeweiligen Systems.

Dies heißt in der theoretischen Betrachtung, es werden N Signale von einer Erfassungseinheit aufgenommen. Als typisches Signal ist in diesem Fall der elektrische Strom als Energieträger zu sehen. Diese N Signale verarbeitet die Auswertungseinheit zu M Entscheidungskriterien. Eine oder mehrere davon lassen sich dann zur Steuerung eines Aktuators verwenden. Der Aktuator kann sowohl ein mechanisches Stellelement als auch eine Treiberstufe für rein elektronische Lösungen sein. Am Ende steht schließlich das tatsächliche Schaltelement, entweder eine mechanische Kontaktstelle, ein Leistungshalbleiter oder eine Mischung aus beidem. Nun benötigt das Gerät noch eine Mensch-Maschine-Schnittstelle MMS (HMI Human Machine Interface), um den Energiefluss unabhängig vom Systemzustand unterbrechen oder zuschalten zu können. Soll das Gerät auch bei unterbrochenem Energie­fluss ohne zusätzliche Energieversorgung betätigt oder programmiert werden, so bedarf es eines Energiespeichers. Hier sind sowohl Batterien als auch Kondensatoren denkbar.

Thermisches Prinzip TO – Überlastschutz

Die größte Verbreitung haben Geräteschutzschalter mit thermischem Auslöseprinzip, das auf einem Thermo-Bimetall basiert. Dieses besteht aus zwei bis drei aufeinander gewalzten Metallstreifen mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten, zum Beispiel Fe und Ni-Fe. Dadurch wird bei Erwärmung eine Ausbiegung erzwungen. Thermische Geräte können einen guten Überlastschutz gewährleisten, sind aber im Kurzschlussfall weniger leistungsfähig.

Außer direkt vom Strom durchflossene Bimetallstreifen können auch gewölbte Bimetallscheiben zum Einsatz kommen. Diese schnappen bei einer definierten Temperatur um (Spitzname Knackfrosch). Zudem gibt es auch ein thermisches Prinzip, das den höheren Ausdehnungskoeffizienten spezieller Metalle zur Öffnung von Kontaktstücken ausnutzt (Dehndraht-Prinzip). Anwendungen finden sich vor allem in Bordnetzen und im Motorschutz, aber auch in vielen anderen Bereichen. Der TO ist der gängigste Vertreter der Geräteschutzschalter.

Magnetisches Prinzip MO – für schnelle Kontaktöffnung

Geräte mit magnetischem Auslöser erzeugen durch eine Spule ein Magnetfeld. Dies entsperrt innerhalb weniger Millisekunden ein mechanisches Schaltschloss. Die Kontakte öffnen damit sehr schnell. In der Kennlinie dieser Geräte gibt es keinen verzögerten Bereich. Falls es um die Beherrschung höherer Kurzschlussströme geht, bedarf es allerdings zusätzlicher Maßnahmen zur Löschung des Lichtbogens. Ideal sind solche flinke Kennlinien beispielsweise bei der Absicherung von Leistungshalbleitern.

Thermisch-magnetisches Prinzip TM – Überlast- und Kurzschlussschutz

Die Verbindung des thermischen und magnetischen Auslösesystems führt zu einem thermisch-magnetischen Gerät. Dabei wirken ein Thermo-Bimetall und ein Magnetsystem unabhängig voneinander auf die Auslösemechanik. Die beiden Auslöseelemente werden elektrisch in Reihe geschaltet. Das Ergebnis ist eine thermisch-magnetische Kennlinie mit dem typischen senkrechten Kennlinienverlauf im Bereich der magnetischen Auslösung [z.B. 6]. Zusammen mit entsprechenden Lichtbogenlöscheinrichtungen lassen sich so auch bei kompakter Bauweise hohe Kurzschlussschaltleistungen bis 5 kA bei 250 V AC erreichen. Häufig genutzt wird diese Technologie unter anderem für den selektiven Schutz von Netzteilen und Leitungen im Anlagenbau.

Hydraulisch-magnetisches Prinzip HM – für Kennlinien-Vielfalt

Ein magnetisch-hydraulisches Gerät schließt einen magnetischen Kreis durch einen in seiner Bewegung gedämpften Eisenkern unter Einwirkung eines Magnetfeldes. Nach einer gewissen Zeit löst das Gerät aus. Diese Zeit lässt sich durch die Viskosität des Öles beeinflussen. Völlig unverzögert löst das Gerät dagegen bei hohen Strömen aus. Die Kennlinien hydraulisch-magnetischer Geräte sind ähnlich denen von thermisch-magnetischen Geräten. Durch Variation der Viskosität der Dämpfungsflüssigkeit und der Amperewindungszahl können die Kennlinien an verschiedene Anwendungen angepasst werden. Grundsätzlich steht der Einsatz dieser Geräte in der Kommunikations-, Steuer- und Regelungstechnik im Vordergrund.

Elektronisch-hybrides Prinzip EH – die Zukunft der Schutzgeräte

Bislang dominieren bei Schutzschaltern noch immer mechanische Technologien. Vor allem weil bei vergleichbarer Baugröße die Verlustleistung geringer ist. Darüber hinaus bieten sie galvanische Trennung und bleiben von elektromagnetischen Störungen unbeeinflusst. Doch gerade die Kombination aus Elektronik und Mechanik in einem Gerät bietet die Chance, die Vorteile beider Prinzipien wirkungsvoll zu nutzen.

Elektronische Komponenten schalten praktisch trägheitslos und besitzen eine gewisse Intelligenz vor Ort. Eine selektive Abschaltung unter allen Betriebsbedingungen wird durch eine aktive Strombegrenzung sichergestellt. Dabei ist der Schutz von Schaltnetzteilen in der Anlagentechnik eine typische und weit verbreitete Anwendung.

Für Bordnetze mit 12 V oder 24 V DC werden schon heute busgesteuerte rein elektronische Systeme eingesetzt, die den Verkabelungsaufwand stark reduzieren. Der aktuelle Zustand der gesamten Bord­elektrik wird via Bildschirm visualisiert und über die Touch-Funktion gesteuert. Bei Ausfall der Leistungselektronik übernimmt ein parallel geschaltetes TO-Gerät den Schutz der Anlage. Auch zum Schalten hoher Gleichspannungen in Elektrofahrzeugen und PV-Anlagen lassen sich durch die technologische Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Leistungshalbleiter mit dem EH-Prinzip sichere Lösungen in kompakter Bauweise realisieren. Wenn wir nach vorne sehen und komplexe Systeme mit stark nichtlinearen Komponenten betrachten, so stehen Signalverarbeitung in Echtzeit, sehr schnelle Reaktionszeiten der Schaltgeräte, vorausschauende Schätzung des Systemzustandes im Vordergrund innovativer Schutzgeräte. Die Zukunft des Geräteschutzes liegt also mit hoher Wahrscheinlichkeit in dem elektronisch-hybriden Prinzip.

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