Multitouch & Cloud Computing: Bedienkonzepte in der Produktion
Siemens und die Möglichkeiten der Zukunft
Aus der Consumer- und IT-Welt sind uns Trendthemen wie Multitouch-Bedienung oder Cloud Computing bereits weitgehend bekannt. Welchen Nutzen bringen diese neuen Technologien für die Produktionsautomatisierung? Eine Konzeptstudie zeigt Einsatzmöglichkeiten auf Basis von PC-basierten Automatisierungssystemen und Windows-Embedded-basierten Betriebssystemen.
Den Anstoß für die Entwicklung der gemeinsamen Konzeptstudie der Innovativen Produktionslinie (IPL) waren die Markteinführung von Microsoft Windows 7, die 2010er Intel-Core-Prozessoren sowie darauf basierende Automatisierungsprodukte von Siemens. In der zweiten Stufe der Studie, die Siemens, Microsoft und Intel während der SPS/IPC/Drives 2010 in Nürnberg vorgestellt haben, wurden die Bedieneroberflächen noch moderner und realistischer gestaltet. Basistechniken sind Silverlight, ein kostenloses Browser-Plugin für die Darstellung multimedialer Inhalte im Web, und Multitouch für die Bedienung des Systems über Gesten. Hinzu kam ein Portal für Windows Azure, der Cloud-Computing-Plattform von Microsoft, das die Produktionsdaten standortübergreifend verfügbar macht.
Die Produktionslinie umfasst drei Stationen, den Wareneingang, die Montage und die Qualitätskontrolle. Gesteuert werden die Stationen von PC-basierten Simatic-Automatisierungsgeräten wie Industrie-PCs, Software Controller Simatic WinAC und Mobile Panels. Ein leistungsstarker Simatic Box PC mit Intel-Core-i7-Prozessor und dem Betriebssystem Windows Embedded Server verbindet die Produktion mit der IT- und Enterprise-Ebene. Er stellt beispielsweise die aktuellen Fertigungsdaten in der Cloud zur Verfügung. Aus Sicherheitsgründen kommunizieren die Automatisierungsgeräte nicht direkt mit der Cloud, und die Fertigung läuft auch dann weiter, wenn keine Verbindung zur Cloud besteht.
Cloud Computing im Fertigungsumfeld
In den letzten 18 Monaten hat Cloud Computing zahlreiche Industrien erreicht und verändert. Das gilt auch für die Fertigung, einige herausragende Innovationen in der Informationstechnologie wurden in der Produktionstechnik umgesetzt. Wie der jüngste Bericht von Gartner zum Thema Cloud Computing (European Cloud Computing Adoption, Dec 2010) zeigt, planen fast 50 % der befragten Unternehmen, im Jahr 2013 mindestens 10 % ihres jährlichen IT-Budgets für Cloud-Computing-Projekte einzusetzen. Unter Cloud Computing wird im Allgemeinen das Verlagern von IT und Datencentern in das Internet verstanden. Dabei werden alle Daten, Funktionen und Anwendungen, die traditionell in hauseigenen Rechenzentren verwaltet wurden, von großen Anbietern in internationalen Rechenzentren übernommen. Das spart Investitionen und IT-Personal.
Eine Schlüsselkomponente für Cloud-Computing-Projekte im Produktionsbereich ist die zunehmende Verfügbarkeit von Smart Devices und aufgabenspezifischen Terminals mit integrierten Mensch-Maschine-Schnittstellen, um die Produktion in Echtzeit an globale Geschäftsprozesse anzubinden. Die von Generation zu Generation intelligenteren Geräte sind darauf ausgerichtet, die Kommunikation mit ihrer Umgebung stetig zu vereinfachen. Sie unterstützen auch die neuesten Plattformen und Technologien von Microsoft, wie beispielsweise Silverlight oder das .NET Framework.
Weltweiter Zugriff auf Daten
Die langfristige Datenanalyse von Produktionsdaten, um daraus neue Produktionspfade und -prozesse abzuleiten, wird mehr und mehr zur Grundlage jeder Produktionsplanung. Um die Lebensdauer industrieller Endgeräte zu verlängern, werden Daten traditionell in Enterprise-Servern abgelegt und bearbeitet. Die zunehmende Verlagerung der Produktion auf andere Standorte erfordert aber eine zentrale Steuerung und Kontrolle durch die Firmenzentrale, die im Einklang mit dem konstanten Preisdruck einen optimierten, weltweit verfügbaren Echtzeitzugriff auf diese Daten notwendig macht. Die Anbindung intelligenter Endgeräte an Cloud Services erlaubt nicht nur den weltweiten Zugriff auf aktuelle Fabrikdaten, sondern auch die Verlagerung von IT-Geschäftsprozessen in die kostenoptimierte Cloud.
Die IPL zeigt beispielhaft, wie eine solche Anbindung aussehen kann. Das Highlight für die Beteiligten an der Wertschöpfungskette einer Chip-Produktion ist ein Windows Azure Portal, das den Nutzern Echtzeitdaten aus der Produktion in lebendiger Silverlight-Grafik anzeigt. Die Daten werden in Echtzeit von den verschiedenen Simatic-Endgeräten, die auf Windows-Embedded-Technologien basieren, an das Windows Azure Portal gesendet. Die Windows-Embedded-Technologien umfassen Windows Embedded Standard 7, Windows Embedded Server, Windows Embedded Enterprise 7 und Windows Embedded CE. So trägt das Cloud-Portal zur Optimierung des Produktionsprozesses bei, verringert gleichzeitig die Gefahr von Produktionsverzögerungen und steigert die Produktivität.
Multitouch für attraktive Bedienerschnittstellen
owohl für das Management als auch für den Maschinenbediener sind alle Oberflächen in der IPL mit Multitouchfunktion ausgestattet. Für diese Studie hat Siemens seinen Industriemonitor mit 19"-Widescreendisplay, Simatic SCD1900, als Prototyp mit einem 10-Finger-Multitouchdisplay ausgerüstet. Unter Nutzung von Windows-Embedded-Technologien und Silverlight 4 können damit Grafiken im industriellen Umfeld viel intuitiver und natürlicher gestaltet werden. Für die Anzeige von Bewegungsabläufen können Videosequenzen integriert werden. Semitransparenz- und Glaseffekte machen die Darstellung noch realistischer. Die Prozessbilder sind jetzt weniger abstrakt, so dass sie vom Maschinenführer schneller und leichter erfasst werden können. Das vermindert Bedienfehler und beschleunigt die Einarbeitung.
Intuitiv navigieren
In heutigen Bedieneroberflächen erfolgt die Navigation oft über Menüleisten oder Auswahltableaus, die verfügbaren Bilder und Grafiken tragen dabei Titel in Textform. Eine interessante Alternative zeigt die IPL: Die verfügbaren Bedienbilder und Grafiken werden als Kleinbilder „live" gleichzeitig in einem Übersichtsbild angezeigt. Bei Bedarf wird das gewünschte Bild mit zwei Fingern so lange groß gezogen, bis die benötigten Details zu erkennen sind. Dabei bleibt im Hintergrund das Übersichtsbild weiter erhalten. Mit zwei Fingern lässt sich das Bild ebenso schnell wieder verkleinern und ein anderes Detailbild auswählen. Diese Art der Bedienung erfordert weniger Schulung und ist obendrein sprachneutral. Die Finger können übrigens ebenfalls dazu benutzt werden, sich einzuloggen: als „Passwort" können geometrische Figuren nachgezeichnet werden.
Fazit
Mit einer wachsenden Zahl von Installationen werden die Vorteile von Cloud Computing für die produzierende Industrie immer deutlicher zutage treten. Daher können wir davon ausgehen, dass wir bereits im Laufe des nächsten Jahres immer mehr Cloud-Computing-Anwendungen in der Industrie sehen werden.
Im Vergleich zu heutigen Touchdisplays ermöglicht die Multitouchbedienung einen höheren Komfort für Navigation, Bedienen und Eingaben. Daher ist ein steigendes Interesse von Seiten der Endanwender in nächster Zeit zu erwarten. (gro)
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