Multisensor-Messtechnik für chirurgische Werkzeuge und Implantate
05.11.2018 -
Keine andere Branche unterliegt so großen regulatorischen Vorgaben und Kundenansprüchen wie die Medizintechnik. Um alle Qualitätsanforderungen zu erfüllen, setzt Gebr. Brasseler auf modernste Messtechnik, die sich softwareseitig in die digitale Prozesskette des Unternehmens einfügt. Durch die Vernetzung mit CAD, CAM und CAQ gelingt es den Medizintechnikern, höchste Qualität zu liefern und trotzdem schnell auf dem Markt zu sein.
Gebr. Brasseler ist ein international operierendes Medizintechnik-Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern am Stamm- und Produktionssitz Lemgo. Bereits seit über 90 Jahren steht der Markenname „Komet“ vor allem für hochwertige Zahnbohrer. Mit solchen rotierenden Instrumenten und anderen Dentalwerkzeugen gelang es dem Unternehmen, weltweit eine Vorreiterrolle hinsichtlich Innovation und Qualität zu übernehmen. Aus dieser Stärke heraus entwickelte das Unternehmen in den 90er Jahren „Komet Medical“, einen Unternehmensbereich, der rotierende Instrumente, Sägeblätter, Fixierungs- und Navigationspins und weitere Produkte für die HNO- und Neurochirurgie sowie Orthopädie herstellt. Ab dem vierten Quartal 2017 wird das fertigungstechnologische Angebot um die Produktgruppe „Wirbelsäulenimplantate“ erweitert. Allerdings wird Komet Medical in diesem Bereich lediglich als Contract Manufacturer auftreten.
Während die Komet Medical-Markenprodukte weltweit über Händler als Katalogware verkauft werden, ist der seit 2013 als eigene Business Unit geführte Unternehmensbereich auch als Produktionspartner zahlreicher OEM (Original Equipment Manufacturer) aktiv. Jens Haverkamp, General Manager Komet Medical, erklärt: „Für manchen OEM liefern wir inzwischen sogar komplett steril-verpackte Produkte mit deren Label. Ein Zeichen dafür, dass unsere Qualität offensichtlich erstklassig ist und der Kunde Vertrauen in unsere komplette Prozesskette hat.“
Dass dies so ist, hat einen ganz konkreten Grund: Der Medizintechnik-Hersteller arbeitet durchgängig mit einem zertifizierten Qualitätsmanagementsystem gemäß den Normen EN ISO 9001 und EN ISO 13485. Die regulatorischen Anforderungen diesbezüglich sind in den letzten Jahren gewaltig gewachsen. Um alle Vorgaben sicher zu erfüllen, benötigt der Entwicklungsprozess, der stets mit einer Risikoanalyse nach DIN EN ISO 14791 beginnt, inzwischen oft bis zu einem Jahr. „Das übt enormen Druck auf das Projekt- und Produktmanagement aus“, berichtet Jens Haverkamp. „Schließlich soll die Produkteinführungszeit aus Wirtschaftlichkeitsgründen so kurz wie möglich sein.“
Optimierte Prozesse im Sinne von Industrie 4.0
Der Medizintechnik-Hersteller hat bereits vor einigen Jahren reagiert und den gesamten Prozess von der Produktentwicklung bis zur Auslieferung der fertigen Teile optimiert. Der Optimierungsprozess schloss auch die Qualitätssicherung und Messtechnik ein, die in den Augen von Jens Haverkamp in der Zukunft einen sehr großen Anteil am Herstellprozess übernehmen wird: „Um alle Vorgaben zu erfüllen, benötigen wir nachvollziehbare und jederzeit reproduzierbare Prozesse. Das gelingt nur mit einer hochgenauen Messtechnik, die den gesamten Prozess begleitet und in unser digitales Netzwerk eingebunden ist.“
Schon seit Langem steht dem Unternehmen mit Werth Messtechnik ein erfahrener Partner der Koordinatenmesstechnik mit optischen Sensoren, Multisensorik und Röntgentomografie zur Seite. So sind in Lemgo zahlreiche Multisensor-Koordinatenmessgeräte vom Typ ScopeCheck und VideoCheck im Einsatz. Jens Haverkamp begründet: „Multisensorik ist insbesondere für unsere rotierenden und oszillierenden Instrumente unerlässlich, um die unterschiedlichen Merkmale zu erfassen.“
Komet Medical, wo so anspruchsvolle Instrumente wie die in der Neurochirurgie eingesetzten Highspeed-Bohrer und die neuen Wirbelsäulenimplantate produziert werden, nutzt zum Beispiel den VideoCheck FB DZ, ein hochgenaues Multisensor-Koordinatenmessgerät in Bauweise „feste Brücke“ mit Luftlagertechnologie. Neben einem Bildverarbeitungssensor mit konstanter Vergrößerung ist der patentierte Werth Zoom mit dem integrierten optischen Abstandsensor Laser Probe (WLP) ausgerüstet. Der ebenfalls patentierte Fasertaster (WFP) ermöglicht es, extrem kleine Geometrien hochgenau taktil zu messen. Um den Kerndurchmesser eines Spiralbohrers zu ermitteln, verwenden die Messtechniker bei Komet Medical den patentierten Tastschnittsensor Contour Probe (WCP).
Axel Pieper, Gruppenleiter Qualitätstechnik, erklärt: „Wir leiten den Bedarf an Messmitteln aus den jeweils erforderlichen Messaufgaben ab. Wenn hochgenaues Messen oder Multisensorik erforderlich ist, setzen wir in der Regel VideoCheck oder ScopeCheck Geräte ein, sowohl zur prozessintegrierten Messung als auch zur Endkontrolle.“ Für die Produktgruppe Sägeblätter, die ganz andere Messaufgaben stellt, greift die Qualitätssicherung bei Komet Medical auf die aktuellen Geräte der FlatScope Serie zurück. „Das FlatScope war das einzige Messgerät, das unsere Anforderung erfüllen konnte“, betont Axel Pieper.
Neben der Technik entscheidet das Gesamtkonzept
Die erforderlichen Messmittel werden stets im Team diskutiert. Bei Neuanschaffungen fällt die Entscheidung neutral über festgelegte Key-Faktoren, zu denen auch ein passendes Gesamtkonzept gehört. Qualitätsfachmann Pieper erläutert: „Die Messgeräte und ihre Software müssen sich in unsere Strukturen – auch digitaler Art – einpassen lassen. Wir benötigen eine Software, die in der Lage ist, mit unseren verschiedenen Systemen Daten auszutauschen.“
Denn um die Zeit bis zur Serienreife zu verkürzen, haben die Verantwortlichen bei Gebr. Brasseler die Prozesskette durchgängig digital gestaltet. Im CAD-System wird ein 3D-Volumenmodell erstellt, von dem im CAM-System die für die Zerspanung erforderlichen NC-Programme abgeleitet werden. Parallel dazu wird das Volumenmodell genutzt, um in der WinWerth Software das Messprogramm offline zu programmieren. Damit sind die Messtechniker bei Komet Medical in der Lage, für ein neues Produkt bereits das Messprogramm zu erstellen, bevor auch nur ein Werkstück von der Maschine kommt. Die Offline-Programmierung beschleunigt so den Produktionsanlauf und hält das Messgerät für andere Aufgaben frei.
Die Mess-Software beinhaltet neben der CAD-Schnittstelle eine weitere zur CAQ-Software. „Durch den Datenaustausch mit der CAQ-Software können wir einen Teil des Messprogramms nutzen, um den Prüfplan zu erstellen. Die Maße und Toleranzen werden aus dem Messprogramm übernommen“, erklärt Pieper.
Datenaustausch und Kommunikation bestimmen die Zukunft
Komet Medical-General Manager Jens Haverkamp beurteilt die Zusammenarbeit mit Werth Messtechnik als zukunftsweisend: „Wir brauchen so zuverlässige, langfristige Partner wie Werth, die uns gute technische Qualität liefern und deren Systeme sich in unser digitales Netzwerk integrieren lassen.“ Als besonders wertvoll stuft er die Bereitschaft seines Messtechnik-Partners ein, eng mit dem eigenen Unternehmen als Endanwender, aber auch mit Schleifmaschinenherstellern und CAQ-Softwarehäusern zu kooperieren. Wie eingangs erwähnt dauern Projekte, insbesondere mit großen Partnern aus der Medizintechnik, heute aufgrund der regulatorischen Anforderungen deutlich länger. Dadurch entstehen zunehmend langjährige, enge Partnerschaften, die nicht selten dazu führen, dass identische Messtechnologien angeschafft und betrieben werden. "Anders als früher wird ein deutlich offenerer Datenaustausch betrieben, der letzten Endes beide Partner stärkt“, ist sich Haverkamp sicher. Für ihn und Komet Medical bedeutet das schon jetzt: „Unsere Kunden wissen, mit welchen Maschinen wir arbeiten und was wir messen. Wir tauschen mit Projektpartnern mitunter schon die Messprogramme aus. Damit sind falsche Mess-Strategien ausgeschlossen, und wir können uns gleich über die Messwerte und Ergebnisse unterhalten.“