Kunststoffe für Kabel und Energieketten veredelt und angeboten - und sofort verfügbar
Fünfzig Jahre Igus: Frank Blase im Interview
Als unerforschten Kontinent bezeichnet Igus-Geschäftsführer Frank Blase das Gebiet der Veredelung von Kunststoffen für bewegte Anwendungen – und genau das ist es, was ihn an dem Werkstoff fasziniert. Rund fünf Prozent des Umsatzes investiert das Unternehmen heute jährlich in Forschung und Entwicklung. Vor 50 Jahren, als Günter Blase im Jahr 1964 den Grundstein für das Unternehmen legte, war man noch zurückhaltender. Doch war der notwendige Entdeckergeist vorhanden, um die zahlreichen Facetten von Kunststoffen in Bewegung erforschen zu wollen.
50 Jahre Kunststoffe – bekommt man da nicht Lust auf etwas Neues? Frank Blase: Ganz im Gegenteil, Kunststoff ist ja noch vergleichsweise neu. Was mich an diesem Werkstoff bis heute fasziniert, ist, dass man sozusagen einen unerforschten Kontinent vor sich hat – vor allem wenn es um Maschinenelemente in Bewegung, die sogenannten Motion Plastics geht. Metallische Werkstoffe sind zwei-, dreitausend Jahre alt und teilweise noch älter und auch Kugellager sind bereits über Jahrhunderte erforscht. Bei Kunststoffen hingegen sah das vor 30 Jahren noch anders aus. Und diesen Aspekt, dass es noch einen Werkstoff gibt, bei dem man aus eigener Kraft forschen und entwickeln kann, finde ich nach wie vor fantastisch. War die Entscheidung nicht gewagt, ein Unternehmen auf einen nahezu unerforschten Werkstoff aufzubauen? Frank Blase: Mein Vater hat 1964 in einer Garage den Grundstein für das Unternehmen gelegt. Gewagt war sicherlich, dass wir mit der Zeit immer stärker in eigene Forschungs- und Entwicklungsprojekte investiert haben. Aber dadurch haben wir unsere Expertise massiv gestärkt. Gleichzeitig mussten wir bei den Gleitlagerelementen die Skepsis vieler Kunden gegenüber dem Kunststoff erst einmal überwinden – und die besteht teilweise noch heute. Ihre Unternehmensentwicklung zeigt, dass die Entscheidung für Kunststoffe richtig war. Doch welche hätten Sie in Ihrer Laufbahn bei Igus rückblickend besser nicht getroffen und auf welche sind Sie besonders stolz? Frank Blase: Ich bin froh, sagen zu können, dass ich keine größere Entscheidung wirklich bereuen muss. Das liegt vermutlich auch an meiner Sturheit, einen Weg immer weiterzugehen und das Konzept mit den Kunststoffen konsequent weiterzuverfolgen. Das war nicht immer einfach. So war ich 1985, als ich zwei Jahre im Unternehmen war, kurz davor aufzugeben, weil sich so wenig getan hat und sich die Dinge so langsam entwickelt haben. Aber schnell musste ich mit meinen 25 Jahren lernen, dass es nicht um mich ging, sondern um den Kunden. Diese Sichtweise gibt mir bis heute Orientierung. War für Sie von Anfang an klar, dass Sie in die Fußstapfen Ihres Vaters treten werden? Frank Blase: Mir war von Anfang an klar, dass ich dies eben auf keinen Fall möchte. Zum einen hat mich Technik eher weniger als mehr interessiert und zum anderen wollte ich auf keinen Fall Junior im Familienunternehmen sein. Durch mein Studium in den USA und mein Trainee-Programm bei Unilever wuchs aber mein Selbstbewusstsein und der Wunsch nach einem Abenteuer. Denn ich wollte aus einem kleinen Unternehmen ein großes machen. Igus steht für „plastics for longer life“. Wodurch werden Ihre Produkte denn so langlebig? Frank Blase: Wir haben bewusst einen in sich widersprüchlichen Slogan gewählt. Plastics als kostengünstiger Werkstoff, der aber eben „for longer life“ gemacht ist. Unser Ziel ist immer, dass sehr günstige Dinge in ihrer Anwendung sehr lange halten. Was macht die Produkte gut? Zum einen die sehr breit angelegte Produktentwicklung und zum anderen testen wir unsere Produkte in über 15.000 Versuchen pro Jahr und prüfen so deren Haltbarkeit. Als Beweis für die Haltbarkeit unserer Produkte stellen wir unseren Kunden Lebensdauerberechnungsprogramme im Internet zur Verfügung. So hat der Kunde dann auch die Möglichkeit, die berechnete Lebensdauer einzufordern. Den Lebensdauerrechner für Gleitlager gibt es seit dem Jahr 2001 und bislang haben wir keine uns bekannte Reklamation erhalten. Testen Sie Ihre Produkte auch, wenn ein Kunde den Wunsch hat? Frank Blase: Wenn wir es nicht durch Versuche schon glauben zu wissen, testen wir die Produkte auch im Vorfeld – in den meisten Fällen entstehen für den Kunden dadurch keine Kosten. 38 Branchen bedient Igus mit seinen Produkten. Wie kann man den Anforderungen jeder einzelnen Branche gerecht werden? Frank Blase: Zunächst einmal über die erwähnte Berechenbarkeit. Das heißt die Kunden können sich durch Berechnungsprogramme bereits im Vorfeld ein Bild über die Haltbarkeit unserer Produkte in ihrem Umfeld machen. Die grundtechnischen Vorteile belaufen sich meist auf 15 bis 20 wie Feuchtigkeitsaufnahme, Schmutz, Korrosionsfreiheit, Gewichtsersparnis, Lebensdauer. Beim Orgelbau müssen wir beispielsweise recht tief ins Detail gehen, allerdings ist diese Tiefgründigkeit nicht für jede Branche notwendig. Aber für 11 Branchen wie zum Beispiel die Lebensmittelindustrie haben wir mittlerweile eigene Fachleute und dieses Konzept möchten wir auch auf weitere Brachen übertragen. Welche Branche würden Sie denn noch gern zu den Ihrigen zählen? Frank Blase: Eine Branche, die wir bislang noch nicht bedienen und die auch recht schwierig für uns wäre, sind Implantate. Wir haben zwar einen Spezialisten für Medizintechnik, doch bei Kunststoffen, die im Körper verwendet werden, sind wir bislang noch unerfahren. Doch dieses Feld würde uns sehr reizen. Können Sie typische Applikationsbeispiele nennen, wo Kunststoffe metallischen Werkstoffen den Rang abgelaufen haben? Frank Blase: In Werkzeugmaschinen finden sie heute eigentlich kaum mehr Energieketten aus Metall. Kunststoffketten bedürfen keiner Wartung, haben in der Regel eine höhere Lebensdauer und gehen sensibler mit den Leitungen um. Sie sind leichter zu montieren, dazu noch kostengünstiger und mit geringerem Gewicht. Oder wenn sie Lager und Ketten in Maschinen in der Landwirtschaft wie Traktoren, Heuschwader, Mähdrescher nehmen: Der Verzicht auf Schmiermittel in Kombination mit einer hohen Belastbarkeit sorgen hier für eine deutliche Überlegenheit der Kunststoffgleitlager gegenüber metallischen Werkstoffen. Hier ist die Verdrängung der Metalllager und -ketten im vollen Gange. Igus verarbeitet nicht nur Kunststoffe, Igus entwickelt diese auch. Gibt es ein Unternehmen, das hier mithalten kann? Frank Blase: Normalerweise ist das Feld der Zulieferer in unserem Bereich aufgeteilt – es gibt den Maschinenelemente-Lieferanten und den Kunststoffhersteller. Und sowohl bei dem Maschinenelemente-Lieferanten als auch dem Kunststoffhersteller gibt es hervorragende Unternehmen. Das Besondere bei Igus ist, dass wir beide Segmente abdecken. Wir entwickeln zum einen unsere Werkstoffe selbst und fertigen daraus Maschinenelemente wie Energieketten oder eben Lager. Der Fokus liegt dabei auf Kunststoffen in Bewegung, die die Technik verbessern, Kosten senken, online konfigurier- und bestellbar sind und ab 24 Stunden geliefert werden. Das ist das, was viele Kunden sich wünschen. „Liefern ab Lager in 24 Stunden oder heute.“ Durchschnittlich waren in den vergangenen Monaten über 97 Prozent aller 100.000 Katalogartikel sofort verfügbar. Dies wollen Sie noch steigern, indem die Katalogartikel auf Lager sind. Ist der Trend nicht eher, die Lagerhaltung zu minimieren, um Kosten zu sparen? Frank Blase: Wenn man das Umsatzwachstum betrachtet, ist Amazon das erfolgreichste Unternehmen der vergangenen Jahre. Und erfolgreich sind sie auch deshalb, weil alle Produkte auf Lager sind. Auch wir müssen unsere Produkte alle vorrätig haben. Die Kosten rechnen sich über die zahlreichen Vertriebskanäle, die vielen Länder und unsere über 175.000 aktiven Kunden. Aus der Historie heraus gibt es aber noch einen weiteren Grund, warum wir diesen Weg eingeschlagen haben. Eingangs haben wir über die Skepsis gegenüber Kunststoffen gesprochen. Wir sind daher der Meinung, den Kunden einen noch besseren Service bieten zu müssen. Zudem können wir von heute auf morgen liefern und so zieht vielleicht der eine oder andere auch eine Kunststoffkomponente als Alternative zu anderen Werkstoffen in Betracht. 100.000 Katalogartikel – was ist denn Ihr persönliches Lieblingsprodukt und warum? Frank Blase: Eigentlich alle. Wenn ich eines benennen müsste, würde ich mich wahrscheinlich für das banalste entscheiden: eine kleine Buchse, die ausschaut wie ein Stück abgeschnittener Gartenschlauch aus dem Werkstoff Iglidur X6, wo gerade durch den Einsatz von Nanopartikeln auch bei Höchsttemperaturen eine enorme Verschleißfestigkeit erreicht wurde. In den kleinen Lagern steckt so viel drin, was man nicht sehen kann.