Integriertes Antriebskonzept für Hundert-Prozent-Prüfung unterschiedlicher Felgentypen im Mischbetrieb
17.08.2017 -
Rund 45 Millionen PKWs rollen laut dem Kraftfahrt-Bundesamt aktuell auf deutschem Asphalt. Und jedes dieser Fahrzeuge braucht Felgen – aus Alu oder Stahl. In einer automatisierten Felgenmess- und Prüfanlage, die bei Xactools in Auftrag gegeben wurde, setzt der Sondermaschinenbauer auf Servotechnik und kann so bis zu 100 Merkmale an Alu-Felgen in neun Minuten prüfen respektive bearbeiten.
Stahlfelgen sind etwas für den Winter, wenn niemand aufgrund von Matsch und Schnee den fahrbaren Untersatz bewundert. Im Sommer hingegen poliert man seine Aluminiumfelgen auf Hochglanz. In unterschiedlichen Größen und Designs produziert, müssen Alu-Felgen neben optischen Ansprüchen allerdings auch hohen Qualitäts- und Sicherheitsvorgaben genügen. Beim Bau einer automatisierten Felgenmess- und Prüfanlage verbaute der Sondermaschinenhersteller Xactools, der sich auf Sonderlösungen in der Zuführ-, Palettier-, Mess- und Prüftechnik spezialisiert hat, Antriebstechnik von Pilz: Die Servoverstärker PMCtendo DD5 und PMCprotego D mit Profinet-Anbindung sind im Verbund mit den Servomotoren der PMCtendo SZ-Reihe dafür verantwortlich, dass gewünschte Positionen einfach, schnell und präzise angesteuert werden.
Damit die am Band bereitgestellten Aluminiumfelgen den geforderten Qualitäts-, Sicherheits-, Marken- und länderspezifischen Kriterien entsprechen, hat ein weltweit tätiger Felgenproduzent beim schwäbischen Mittelständler Xactools eine komplexe Prüfmaschine in Auftrag gegeben. Diese soll, so die Anforderung, ein umfangreiches Set unterschiedlicher Mess-, Prüf-, Beschriftungs- und Dokumentationsaufgaben abarbeiten und gewährleisten, dass nur einwandfreie Produkte das Werk verlassen. Rund 100 Merkmale werden geprüft beziehungsweise bearbeitet. Zudem soll die Anlage schnell, flexibel, kompakt und vor allem wirtschaftlich sein. Taktzeiten von unter einer Minute, Genauigkeiten von einigen zehntel Millimetern bis zu 30 µ sowie eine Verfügbarkeit von 24/7 lauten die Anforderungen im Detail.
Positionen bis zu dreimal schneller anfahren
Für die planerische Konzeption, das hard- und softwaretechnische Layout sowie die bauliche Umsetzung zeichnet Xactools verantwortlich. „Wir haben die Anlage in neun Segmente gegliedert, sie umfasst die gesamte Palette der Sensorik, Steuerungs-, Handling-, Prüf- und Messtechnik mit 39 motorisch angetriebenen Achsen“, erläutert Michael Wiechowski, Leiter der Elektrotechnik bei Xactools. Neben einer leistungsfähigen Prüf- und Messtechnik trägt die Antriebstechnik maßgeblich zur Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems bei. Wenn konkrete Mess- und Bearbeitungspositionen schnell, präzise und mit höchster Wiederholgenauigkeit angefahren werden müssen, wenn Prüflinge beim Stationswechsel in kürzester Zeit „in place“ sein sollen, sind hochdynamische Antriebsregler und leistungsfähige Motoren gefordert. Die in der Anlage verbauten 39 Servoverstärker mit Profinet-Anbindung von Pilz steuern die rotatorische als auch lineare Motorik. Waren in Vorgängerprojekten noch Servoverstärker und Motoren unterschiedlicher Hersteller im Einsatz, hat sich Xactools bei der aktuellen Maschine für eine Komplettlösung aus einer Hand entschieden. „Tatsächlich können wir mit den Servoverstärkern PMCtendo DD5 und PMCprotego im Verbund mit Servomotoren PMCtendo SZ von Pilz gewünschte Positionen bis zu drei Mal schneller anfahren als bei früheren Lösungen. Mit dem integrierten Motion-Konzept sparen wir zudem Zeit bei der Installation und Inbetriebnahme. Hinzu kommen Kosteneinsparungen bei Support und Lagerhaltung“, erklärt Michael Wiechowski.
Mehr als 100 Mess-und Prüfaufgaben in 9 Minuten
Jede Minute verschwindet eine per Transportband zugeführte Aluminiumfelge in der rund 10 Meter langen und drei Meter breiten „White Box“. Gleichzeitig kommt am anderen Ende der Anlage eine nach den Vorgaben des jeweiligen Automobilherstellers getestete und gelabelte Felge zum Vorschein. Eingangs richten pneumatische Zentriereinheiten die Felge aus, eine servomotorisch angetriebene Spindel bringt das Werkstück in Position. Ein Lichtgitter misst die Felgenbreite, das 3D-Kamerasystem ermittelt, ob tatsächlich der im System angekündigte Felgentyp vorliegt. Ein Messsystem prüft die Schraubbohrungen auf Maßhaltigkeit.
Der nachfolgende Rundtisch spannt die Felge mittig auf einen Dorn: Hier werden Nabenbohrung, Wandstärke, Umfang sowie Rund- und Planlauf geprüft. In schneller Rotation folgt die Unwucht-Messung. Eine Station weiter wird per Kugeleindruck getestet, ob die Materialhärte den Vorgaben entspricht. Eine Prägestation verewigt mit rund 100 t Druck spezifische Marken- und Felgendetails im Aluminium. Nach einem weiteren Stationswechsel nimmt eine Handling-Einheit die Felge in die Zange und dreht diese um 180 Grad. Die von einem Roboter bewegte Graviereinheit beschriftet den Felgenrand mit spezifischen Kenndaten, schließlich prüft eine weitere Robotik-Applikation per Kamera, ob Prägung und Gravur vollständig und lesbar ausgeführt wurden. Der insgesamt 9-minütige Prozess wird softwareseitig dokumentiert, NIO-Teile (Nicht-in-Ordnung-Teile) werden am Ende mit entsprechendem Mängelprotokoll ausgeschleust. Sämtliche Stationen sind rundum zugänglich. Berührungslose magnetische Sicherheitsschalter PSENmag von Pilz mit entsprechenden Auswerteeinheiten, die sowohl die Stellung der trennenden Schutzeinrichtungen als auch die Position überwachen, kontrollieren an 22 Türen die Sicherheit.
Schnelle und fehlerlose Inbetriebnahme
Bei komplexen Projekten empfiehlt es sich immer, seine Partner frühzeitig mit ins Boot zu holen. Aufeinander abgestimmte Prozesse und Komponenten reduzieren Fehler, sparen Zeit und erhöhen die Sicherheit. „Pilz hat uns einmal mehr mit fachkundiger Beratung und der Auswahl geeigneter Komponenten unterstützt – von der sicheren Antriebsauslegung bis zur Inbetriebnahme“, ergänzt Michael Wiechowski. Auch einige Pilz-spezifische Software- beziehungsweise programmierspezifische Besonderheiten tragen dazu bei, das früher zeit- und kostenaufwändige Einrichten flexibler und schneller zu gestalten: Über das Engineering-Tool PASmotion des im PMCtendo DD5 integrierten Einheitenrechners können Eingaben zur gewünschten Positionierung direkt in SI-Einheiten (mm, m, etc.) eingegeben werden. Das macht das Handling einfach und verkürzt die Inbetriebnahmezeit. Dass falsche Angaben die Maschine bei der Inbetriebnahme beschädigen, ist damit nahezu ausgeschlossen.
Servotechnik für alle Fälle
Grundsätzlich eignet sich der Servoverstärker PMCtendo DD5 sowohl für Einzelachs- als auch für Multiachsanwendungen. Er unterstützt prinzipiell auch fremde Motorentypen und nahezu sämtliche Feldbusse und Feedbacks. Des Weiteren verfügt der Servoverstärker über eine interne Programmiermöglichkeit direkt im Servoregler. Wo eine Ansteuerung über den Feldbus zu langsam ist, können mit der internen Programmieroption schnelles Anfahren der gewünschten Zielposition einer Modulo-Achse (nur eine Drehrichtung) und damit selbst komplexe anlagenspezifische Funktionen realisiert werden.
Der Servoverstärker PMCprotego D bietet ebenfalls ein hohes Maß an Flexibilität und Sicherheit. Er verfügt über die Funktion „Sicher abgeschaltetes Moment – Safe torque off (STO)“. Zusätzliche Sicherheitsfunktionen wie zum Beispiel sicher reduzierte Geschwindigkeit, sicherer Betriebshalt oder sicheres Stillsetzen sind mit der einsteckbaren Sicherheitskarte PMCprotego S einfach umzusetzen. Servomotoren der Reihe PMCtendo SZ von Pilz, offen für alle gängigen Feldbussysteme wie beispielsweise Profinet, stehen in unterschiedlichen Kühlvarianten zur Verfügung. Sie zeichnen sich aufgrund geringer Rastmomente durch eine extreme Laufruhe und hohe Prozessqualität aus. Sie eignen sich optimal in Anwendungen mit mitfahrenden Achsen sowie bei beengten Einbauverhältnissen.