Automatisierung

„Industrie 4.0 ist etwas Disruptives“

13.04.2017 -

Auch in diesem Jahr werden wir in Hannover sicher wieder von einer Industrie4.0-Welle überrollt. Doch konkrete Antworten bekommt man selten. Daher sprachen wir mit Bernhard Müller, Geschäftsführer Industrie 4.0 bei Sick, über das gute Gewissen bei der Datenspeicherung in der Cloud, Eigentumsrechte und über Sensorfunktionen, die man bislang nicht kannte.

 

„Das Wichtigste ist es, die Datensicherheit herzustellen“, so Ihre Aussage Anfang 2016 im Rahmen einer Diskussionsrunde zum Thema Datensicherheit und Industrie 4.0. Was hat sich – rund ein Jahr später – hinsichtlich des Themas Datensicherheit getan?

Bernhard Müller:
Es gibt mittlerweile die notwendigen Konnektoren, um Daten zu schützen und trotzdem für andere nutzbar zu machen. Sie sind verfügbar für Applikationen, die das Thema Daten-Security und Daten-Ownership als Notwendigkeit voraussetzen. Es wurden Beispielanwendungen im Bereich Logistik realisiert und es besteht die Möglichkeit, verschiedenartige Datenbanken anzubinden.

 

Obwohl zahlreiche Unternehmen Ihre Maschinen und Anlagen bereits via Internet warten, sind sie zurückhaltend, wenn es um die Datenspeicherung in Clouds geht. Aber die Tür für Angriffe steht doch durch die Fernwartung schon offen?

Bernhard Müller:
Die Zurückhaltung ist verständlich. Denn hinsichtlich Datensicherheit sind wir noch nicht auf einem Stand, der wünschenswert wäre. Die Tür für Angriffe ist aber deshalb nicht offen, da Fernwartung schon heute durch Hilfe und Kontrolle von einem Mitarbeiter zeitlich befristet und nur zu gewissen Themen ermöglicht wird. Sprich: Der Mitarbeiter muss die Datenleitung zu gewissen Zeiten öffnen und weiß, wer auf der anderen Seite der Leitung sitzt und wie dieser mit den Daten umgeht. Deshalb ist Fernwartung heute möglich und auch schon Usus.

 

Kann man denn seine Daten heute guten Gewissens in Clouds speichern?

Bernhard Müller:
Private Daten sind seit Jahren in Clouds gespeichert, auch viele Applikationen in Firmen laufen über Clouds, zum Beispiel ist dies bei e-Shops und e-Commerce heute schon üblich. Für sensible Firmendaten ist die Datensicherheit eine Voraussetzung und Notwendigkeit, deshalb wird dieses Thema innerhalb der IDSA (Industrial Data Space Association), deren Gründungsmitglied Sick ist, weiterentwickelt.

 

Laut Fraunhofer IFF wird „die vierte industrielle Revolution den Wirtschaftsstandort Deutschland verändern“. Wie ist Ihre Meinung zu dieser Aussage?

Bernhard Müller:
Meiner Meinung nach werden in Zukunft immer mehr intelligente Daten aus den Maschinen kommen müssen. Und dann geht es darum, genau die intelligenten Daten weiterzureichen, die dazu beitragen, die Applikation zu verbessern. Wenn eine große Datenwolke einfach nur vorhanden ist und keiner etwas damit anfangen kann, hilft das nicht weiter.

Daten müssen so vorbereitet sein, dass der Anwender etwas damit anfangen kann. Wenn alle Sensoren in die Datenwelt hineinsprechen, erhält man unendlich viel Traffic. Deshalb sagt man, manche Sensoren müssen einmal die Woche abgefragt werden, andere wiederum jede Mikrosekunde. Die Möglichkeiten, die durch die Benutzung dieser Daten aus der Wertschöpfungskette entstehen, werden die Wirtschaft generell verändern, nicht nur in Deutschland. Diese Veränderungen sind stark davon abhängig, welche Funktionalität in den Systemen entsteht.

 

Im Zusammenhang mit Industrie 4.0 spricht man häufig von industrieller Zukunft. Wie schaut es denn mit der Gegenwart aus?

Bernhard Müller:
Wenn man sich ansieht, wie sich die Sensortechnik entwickelt, dann erkennt man, dass sie ganz normale Entwicklungsschritte macht. Es gab gestern Sensoren, die morgen verbessert werden. Industrie 4.0 dagegen ist etwas Disruptives, dabei geht es um die Daten. Die Sensoren liefern die Daten und es gibt ein Datenfeld, aus dem man die Applikation bekommt. Wir bei Sick meinen damit, dass die Daten nicht mehr der Applikation gehören, sondern die Daten unabhängig sind und die Applikation sich der Daten bedient. Sensoren müssen mit den Datenwelten kommunizieren können und damit liegt in der Kommunikationsfähigkeit der Sensoren das Hauptmerkmal für Industrie 4.0.

Dass ein Sensor besser oder schneller ist, dass er plötzlich ein 3D-Sensor anstelle eines 2D-Sensors ist, das ist normal, das sind evolutionäre Entwicklungen. Aber das Disruptive ist, dass ein Sensor die Datenwelt bedienen und mit eben dieser umgehen kann.
In der Gegenwart haben wir die Möglichkeit geschaffen, diese industrielle Revolution zu ermöglichen. Die Umsetzung in der Fläche ist etwas, was über die Zeit erst Wirkung zeigen wird. Es gibt heute schon Unternehmen, die sich dem Zukunftsbild industrieller Produktion stark angenähert haben.

 

Laut Ihrem Kollegen Claus Melder steht Industrie 4.0 erst am Anfang (Stand November 2016). Welche weiteren Schritte müssen folgen, um Industrie 4.0 voranzubringen?

Bernhard Müller:
Die Daten werden dazu benutzt, neue Dienste und neue Funktionalitäten im Gesamtsystem der Produktion und der Industrie zu ermöglichen. Der Mehrwert besteht darin, dass sie mit Daten anderer Systeme kombiniert werden können, um neue Geschäftsmöglichkeiten zu ermöglichen. Dazu müssen aber unbedingt die Eigentums- und Nutzungsrechte der Daten technologisch und rechtlich geklärt werden.

Deshalb engagiert sich Sick seit der ersten Stunde als Gründungsmitglied im Industrial Data Space e. V. Denn der Erfolg von Industrie 4.0 wird von eindeutigen und zuverlässig geregelten Eigentumsrechten abhängen. Und seit vergangenem Jahr hat man deutliche Fortschritte bei diesem Thema erreicht.

 

Wird irgendwann ein Endzustand erreicht sein? Und wie wird dieser aussehen?

Bernhard Müller:
Technologische Entwicklungen gibt es seit jeher und wird es auch nach Industrie 4.0 geben. Bisher wurden die industriellen Revolutionen erst im Nachgang zeitlich und namentlich eingeordnet, nun wurde die natürliche technologische Entwicklung schon vorab mit einem Namen versehen. Wann diese zu Ende sein wird und die nächste technologische Entwicklung oder industrielle Revolution kommt, ist heute kaum vorhersehbar. Den Endzustand kann man dann definieren, wenn wir in Industrie 5.0 angekommen sind.

 

Wo sehen Sie Aufgaben und Möglichkeiten von Sick im Kontext von Industrie 4.0?

Bernhard Müller:
Die Sensorik hilft, Maschinen besser und effizienter zu machen. Dies sehen wir als unsere Aufgabe und als große Chance. Wir stellen uns die Frage, welche Auswirkung Industrie 4.0 auf die Sensorik hat und welche Funktionalitäten Sensoren haben müssen, die in einer Industrie-4.0-Umgebung eingesetzt werden sollen. Dabei geht es hauptsächlich um Kommunikationsschnittstellen und die Frage, wie und welche Informationen, die ein Sensor liefert, in die Datenwelt gelangen.

Industrie 4.0-Sensoren, also spezielle hochkommunikative Sensoren, werden in naher Zukunft mehr und mehr gefragt sein, denn schließlich sind die Sensoren die Datenlieferanten für Industrie 4.0. Wir sind dabei, über das Thema IO-Link Funktionalitäten in Sensoren zu bringen, die man bisher nicht kannte und diese zugänglich zu machen. Damit beschäftigt sich nicht nur Sick, das machen auch andere Unternehmen.

 

Zitat:

„Wenn eine große Datenwolke einfach nur vorhanden ist und keiner etwas damit anfangen kann, hilft das nicht weiter. Daten müssen so vorbereitet sein, dass der Anwender etwas damit anfangen kann.“

Kontakt

Sick AG

Erwin-Sick-Str. 1
79183 Waldkirch
Deutschland

+49 7681 202 0

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