Im Interview: Markus Sandhöfner, Geschäftsführer B&R Deutschland
Chefredakteurin Anke Grytzka-Weinhold hakte nach
Markus Sandhöfner, B&R Deutschland, sprach mit uns über boomende Branchen in einer Schwächephase der deutschen Wirtschaft, über die Übernahme durch ABB im Frühjahr 2017 und die Vorteile, die B&R durch ABB entstehen.
Vor knapp drei Jahren wurde B&R von ABB übernommen. Wie lautet Ihr heutiges Fazit?
Sandhöfner: Alles, was damals geplant war, wurde auch so umgesetzt. Fazit: Wir als B&R sind heute durch die Übernahme wesentlich stärker. Denn wir sind mit mehr Lösungen unterwegs, für deren Entwicklung wir allein deutlich länger gebraucht hätten. Zum Beispiel eine eigene Cloud auf die Beine zu stellen, kostet Kraft und auch Zeit. Wenn ich weiter an Machine-Centric Robotics denke - unsere Komplettlösung, mit der wir Roboter inklusive Steuerung anbieten können – das wäre ohne ABB so nicht möglich gewesen.
Decken Sie durch das erweiterte Portfolio jetzt auch ein breiteres Branchenspektrum ab?
Sandhöfner: Nein, das würde ich so nicht sagen. Aber wir haben jetzt Lösungen für Branchen, in denen wir bereits Kunden hatten. Da unser Portfolio durch die Verschmelzung von B&R- und ABB-Lösungen jetzt wesentlich breiter aufgestellt ist, können wir diese nun intensiver betreuen. Die Cloud- und Robotertechnologien sind nur zwei Beispiele, bei denen B&R- und ABB-Produkte optimal miteinander verschmolzen wurden.
Bislang sprachen Sie nur von Vorteilen, die Ihnen durch die Übernahme entstanden sind. Keine Spur von Bedenken, dass ABB Sie „schlucken“ und peu à peu integrieren könnte?
Sandhöfner: B&R zu schlucken war von Anfang an nicht der Plan. Das Portfolio von ABB und B&R ergänzt sich perfekt und die Kombination der beiden Unternehmen bietet für B&R sowie für ABB großartige Möglichkeiten. Zudem hat ABB von Anfang an das Ziel verfolgt, den Erfolg und die Innovationskraft von B&R fortzuführen und Lösungen gemeinsam mit unseren Kunden zu konzipieren und auf den Markt zu bringen.
Bekommen zu jetzt bei Ausschreibung den Zuschlag, den Sie ohne ABB nicht bekommen hätten?
Sandhöfner: Ja, ganz klar. Nehmen wir zum Beispiel die Roboterlösungen, hier können wir heute ein Paket aus Mechanik und Elektrik, das heißt Steuerung, anbieten. So muss der Kunde kein separates Steuerungspaket und separates Mechanik-Paket für den Roboter kaufen, da er von uns ein Komplettpaket bekommt. Früher hatten wir hier keine Chance, den Auftrag zu bekommen. Jetzt haben wir die Möglichkeit. Und da wir jetzt auf sehr viele Kinematiken von ABB zurückgreifen können, haben wir auch erweiterte Möglichkeiten, welche Anwendungen wir mit B&R-Automatisierung ausrüsten können.
Mehr Aufträge klingen angesichts der aktuellen konjunkturellen Lage recht positiv. Keine Anzeichen einer schwächelnden Wirtschaft?
Sandhöfner: Wenn ich die Auftragsbücher unserer Kunden anschaue, dann sie diese in sehr vielen Branchen nicht mehr so stark gefüllt. Aktuell leben zahlreiche Unternehmen noch vom Auftragsbestand. Doch die Auftragseingänge sind momentan schwächer als das, was ausgeliefert wird.
Denken Sie als Geschäftsführer Deutschland schon daran, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen?
Sandhöfner: Wir schauen uns aktuell jede Ausgabe sehr genau an und stellen sie intensiv auf den Prüfstand. Nichtsdestotrotz steht bei uns der Kunde immer an erster Stelle.
Von welchem Krisenzeitfenster sprechen wir hier?
Sandhöfner: Dass ist sehr schwierig zu sagen, da wir auch noch Branchen sehen, denen es nach wie vor gut geht. Unsere Verpackungsmaschinenkunden, die eher mittelständisch orientiert sind, die keinen hohen internationalen Wertschöpfungs- oder Lieferanteil haben, die wachsen noch immer und haben Kapazitätsengpässe.
Wie schaut es angesichts des boomenden Online-Handels mit der Logistikautomation aus?
Sandhöfner: Hier sind wir gerade dabei, mit neuen Kunden Projekte zu realisieren und einen größeren Anteil zu gewinnen.
Welche Branchen werden sich neben der Logistik und Verpackungsindustrie weiterhin gut entwickeln?
Sandhöfner: Das ist einfach, denn hierbei handelt es sich um alle Branchen, in denen Investitionen von Privatpersonen nicht aufgeschoben werden können. Wir sprechen hier zum Beispiel von der Nahrungsmitteindustrie. Nur eben hohe Investitionen auf der Privatseite werden aktuell mit einem großen Fragezeichen versehen. Denn ich weiß als privater Konsument heute nicht, wie sich die Antriebstechnik im PKW entwickeln oder wohin die politische Reise hinsichtlich Diesel gehen wird.
Auf der anderen Seite sind neue Antriebstechnologien wie Batterien noch nicht so ausgereift, dass ich damit problemlos 1.000 Kilometer fahren kann. Und auch die Kosten für neue Technologien sind aktuell noch sehr hoch. Daher stelle ich als Privatperson diese Käufe einfach noch zwei, drei Jahre zurück. Überall, wo Unsicherheit herrscht, werden die Käufe ausbleiben.
Ähnlich verhält es sich mit der Kunststoffindustrie. Die Konsumenten schauen heute genau, welche Flasche sie kaufen – Kunststoff oder doch eher Glas? Und solange sich diese noch nicht entschiede haben, wie sollen dann die Endkunden wissen, in welche Technologie sie investieren sollen? So fahren auch die Endkunden ihre Anlagen einfach noch ein paar Jahre weiter und danach weiß man, was die Konsumenten wollen und was die Politik fordert. Und diese aktuelle Situation führt zu einer Kaufzurückhaltung, die wir spüren. Doch die derzeitige Situation ist in keinster Weise mit der Krise 2008/2009 zu vergleichen. Ich kann hier nur wiederholen, was die Volkswirte sagen und diese gehen von einer vorübergehende Wachstumsdelle aus.
Themenwechsel: Vor zwei Jahren hat B&R mit der Vorstellung einer integrierten Vision-Lösung den Einstieg in die Bildverarbeitung angekündigt und 2020 sind Sie erstmal Austeller der Vision. Inwieweit verschafft Ihnen diese Entscheidung heute einen Wettbewerbsvorteil?
Sandhöfner: Wir haben damit eine Lösung entwickelt, die so am Markt einzigartig ist. Denn es gab keine Lösung, die sich beispielsweise so einfach mit der Antriebstechnik verbinden lässt. Bei einer separaten Kamera muss man immer recht viel Aufwand betreiben, um das Zeit- und Positionssystem der Kamera mit dem Zeit- und Positionssystem der Steuerung des Antriebssystems zu verbinden. Bei uns geht das ganz einfach: Unser System weiß, wo sich das Produkt befindet. Zudem kann unser System über derzeit Powerlink und NetTime sagen, wann die Kamera und wann der Blitz zünden soll. Und diese Einfachheit hat man nur in einem integrierten System. Der zweite Punkt betrifft das Licht: Wenn ich in der Lage bin, Lichtfarbe und -intensität hoch synchronisiert zu fahren, dann bin ich auch in der Lage sehr kurze Beleuchtungsdauern zu realisieren. Und bei kurzen Beleuchtungsdauern wiederum kann ich die LEDs stark überlasten und bekomme eine super Ausleuchtung von meinem Produkt. Das heißt ich bekomme durch die Integration der Beleuchtung in das Automatisierungssystem die Möglichkeit, die Aufnahme, die Beleuchtung genau an das jeweilige Produkt anzupassen – und das ist einmalig! Zudem ist unsere Lösung wesentlich kostengünstiger, weil Komponenten wie Positionssynchronisierung oder Triggerein- und -ausgänge wegfallen.