Embedded-Controller im Einsatz in Luxus-Segeljacht
20.06.2011 -
Bei der niederländischen Werft Royal Huisman lief letztes Jahr die „Twizzle", eine Segeljacht der Superlative, vom Stapel. Die Werft, die ihre Jachten mit moderner Steuerungs- und Netzwerktechnik ausstattet, entschied sich beim Bau der „Twizzle" für eine PC-basierte Steuerungsplattform von Beckhoff.
Für Royal Huisman sind Netzwerktechnologie und Automatisierung an Bord von Superjachten keine Fremdworte, im Gegenteil: Für die auf individuelle Kundenwünsche spezialisierte Werft gehören sie inzwischen zur Standardausrüstung in jeder Jacht. Begonnen haben sie damit im Jahr 1998, als die Werft im Auftrag von Jim Clark, Besitzer der Netscape Communications Corporation, die Luxusjacht „Hyperion" fertigte - und der Auftraggeber besonderen Wert darauf legte, dass moderne Computertechnologie verbaut wurde. Seither werden sämtliche Jachten, die die Werft in Vollenhove verlassen, mit einem modernen Netzwerk ausgestattet, in das alle technischen Funktionen, inklusive der Kabinenautomatisierung und der Mediensteuerung, integriert sind. Mit der jüngst fertig gestellten „Twizzle" geht Royal Huisman noch einen Schritt weiter in der technischen Perfektion: Auf dem über 57 m langen Schiff werden insgesamt 3.500 Sensoren und Aktoren mit Steuerungskomponenten von Beckhoff angesteuert.
Alle Anforderungen erfüllt
Die Entscheidung für Beckhoff als Steuerungslieferanten begründet Sjoerd Schrichte, Manager der Abteilung Systemintegration bei Royal Huisman, der direkt an der Entwicklung des Automatisierungssystems der „Twizzle" beteiligt war, so: „In den Anfangsjahren der Werft haben wir neben einer Hardware-SPS auch zunehmend Steuerungen von Beckhoff eingesetzt. Die ‚Twizzle' ist das erste Projekt, in dem wir die gesamte Steuerungstechnik mit Beckhoff-Komponenten realisiert haben." Ein Grund für diese Entscheidung war für ihn die Anpassungsfähigkeit der Komponenten. So könne man beispielsweise eine bestehende Busklemmenstation aufgrund ihrer Modularität bei Bedarf problemlos erweitern. Die kompakte Bauweise der Busklemmen, mit bis zu 16 Kanälen in einem 12-mm-Gehäuse, und ihre feine Granularität böten darüber hinaus enorme Flexibilität und reduzierten den Einbauraum im Schaltschrank. Ein weiterer Vorteil sei die Programmierung, die sich mit der Verwendung von TwinCAT denkbar einfach für die Ingenieure gestaltet. Sämtliche Embedded-PCs sind über Ethernet zu erreichen. Die Systemoffenheit der Beckhoff-Plattform erlaubt beispielsweise auch die Ankopplung von EIB-Modulen und bietet eine Schnittstelle zur Crestron-Automatisierungslösung für Jachten, inklusive Beleuchtungs-, Klima- und Multimediasteuerung.
Hart umkämpfter Markt
„Natürlich spielen auch die Kosten eine Rolle", räumt Sjoerd Schrichte ein. „Auch im Hochpreissektor muss man immer an das Budget denken. Wir bewegen uns auf einem hart umkämpften Markt, auf dem wir uns von anderen Anbietern absetzen müssen. Unter anderem durch die Verwendung der Beckhoff-Steuerungstechnik ist es uns gelungen, den gesteckten Kostenrahmen nicht zu überschreiten. Des Weiteren bietet uns die hohe Rechenleistung der eingesetzten Beckhoff Embedded-Controller CX9000 Wettbewerbsvorteile in Hinblick auf die Performance."
Embedded-PCs bestehen Tests auf rauer See
Auch die Zuverlässigkeit der Embedded-PCs war bei Royal Huisman ein wichtiges Auswahlkriterium. Dies wurde sofort nach dem Stapellauf deutlich, als Mitarbeiter von Huisman die „Twizzle" nach Terschelling überführten, um von dort aus einige Probefahrten in der Nordsee zu machen. „Bei den Probefahrten haben wir dem Schiff gründlich auf den Zahn gefühlt. Dies galt selbstverständlich auch für die Embedded-PCs an Bord. Wenngleich es in der Nordsee teilweise recht rau zuging, haben die Bord-Controller perfekt und reibungslos funktioniert", betont Sjoerd Schrichte.
Komplett automatisiert
Praktisch alle Systeme, die mit dem Fahren und dem Leben an Bord zu tun haben, wurden mit Beckhoff-Technik automatisiert. Dies gilt sowohl für das Fahren unter Motor als auch unter Segel. „Wir haben z. B. ein automatisiertes Motormanagement für den Dieselmotor und die dazugehörigen Kraftstoff- und Kühlwasserpumpen im Einsatz", erläutert Sjoerd Schrichte. Zudem hat die „Twizzle" ein umfassendes Hydrauliksystem, das den Antrieb der Winschen, das Setzen der Segel, die Verstellung der Masten, das Aufholen des Kiels, die Schwimmplattform usw. steuert. Daneben gibt es natürlich noch das Versorgungsnetz an Bord, das konstant für 24 V, 230 V und 400 V sorgt. Außerdem ist die Segeljacht mit einem eigenen System zur Trinkwassererzeugung, einem Klärsystem für das Abwasser, einem Lüftungssystem, einer Heizung und natürlich einer Klimaanlage für alle Räume an Bord ausgestattet. Ferner ist auch ein umfassendes Beleuchtungssystem in die Automatisierung integriert.
„Eine weitere Besonderheit ist die Rückkopplung des Ruderdrucks", erläutert Sjoerd Schrichte. „Weil das Ruder einen hydraulischen Antrieb hat, bemerkt man beim Drehen am Steuerrad keinen Widerstand. Um dem Rudergänger dennoch ein echtes Rudergefühl zu verschaffen, haben wir an der Ruderwelle bzw. dem Ruderschaft Dehnstreifen angebracht. Sie messen den Druck, der auf das Ruder ausgeübt wird. Diese Messdaten werden an die EPC (Electronic Power Control) gesendet und von dort wird ein Servorad angesteuert, welches das Steuerrad belastet. Dies sind nur einige technische Features dieser Jacht, aber damit ist die Liste noch lange nicht vollständig."
So viel Netzwerk wie noch nie
Damit alle Funktionen kontrolliert und zuverlässig gesteuert werden können, sind insgesamt 24 Embedded-PCs CX9000 an eine redundante Ethernet-Ringstruktur angeschlossen. Die Busklemmen steuern 3.500 I/Os, davon 2.900 digitale und 600 analoge, an. Die Verbindung zur höheren Netzwerkebene erfolgt über Switches. „Dies ist das umfangreichste Netzwerk, das wir bisher auf einem Schiff installiert haben", hebt Sjoerd Schrichte hervor. Die Netzwerkverbindung auf der „Twizzle" erfolgt über Standard-Ethernet, an das der Beckhoff-PC und alle übrigen Netzwerkteilnehmer angekoppelt sind. Die PCs kommunizieren untereinander über das Realtime-Ethernet-Protokoll. (gro)
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