Antriebssystem für die mobilen Roboter von morgen
12.06.2018 -
Eine wandlungsfähige, modulare und sich selbst optimierende Fertigung: So könnte die Fabrik der Zukunft aussehen. Dafür braucht es fahrerlose Transportsysteme, Förderfahrzeuge sowie Roboter. Für die kommende Robotergeneration entwickelt ein Getriebehersteller deshalb ein omnidirektionales Antriebssystem auf Basis von Mecanum-Rädern.
Als Henry Ford Anfang des 20. Jahrhunderts im Automobilbau die Fließbandfertigung einführte, revolutionierte er mit seinem Konzept von Arbeitsteilung und Standardisierung nicht nur die Fahrzeugbranche, sondern die gesamte industrielle Produktion. Schnell wurde das neue Fertigungsverfahren zum Erfolgsmodell. Auch heute, gut 100 Jahre später, gilt das Fließband noch immer als Inbegriff von industriellem Fortschritt, Automatisierung, Optimierung und Effizienz. Doch auch wenn standardisierte Massenfertigungsprozesse noch immer vielerorts die Fabrikhallen prägen – die Tage des Fließbands sind gezählt. In der flexiblen, intelligenten Produktion der Fabrik der Zukunft hat der einstige Erfolgsgarant keinen Platz mehr. Fertigungsstraßen wie wir sie heute kennen, mit der immer gleichen Abfolge und Anordnung von hintereinander geschalteten Produktionsschritten, wird es in der Smart Factory nicht mehr geben.
Von der Standardisierung zur Individualisierung
An die Stelle starrer Fertigungslinien mit Montagebändern und Volumenproduktion treten Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Selbständigkeit. Die Vision: eine wandlungsfähige, modulare und sich selbst optimierende Fertigung. „Die Smart Factory der Zukunft organisiert sich quasi selbst“, so Daniel Obladen, Head of Sales General Industries bei Nabtesco Precision Europe: „Standardisierte, vorgefertigte Abläufe wird es nicht mehr geben. Stattdessen bewegen sich Roboter, fahrerlose Transportsysteme (FTS) oder auch das Werkstück selbst frei in der Werkhalle und fahren je nach Bedarf und Verfügbarkeit eigenständig die benötigten Bearbeitungsstationen an.“ Dabei agiert zwar jeder autonom, aber nicht ohne System. Denn alle sind untereinander vernetzt und „wissen“, welches Werkstück welche Arbeitsschritte benötigt, wo gerade ein Platz frei ist oder wie die Arbeitsprozesse am besten zu regeln sind, damit die Produktion nicht ins Stocken kommt. Treiber dieser Entwicklung sind unter anderem die Digitalisierung und der Trend hin zu mehr Individualisierung, Variantenvielfalt und Losgröße 1.
Frei im Raum
Die Smart Factory der Industrie 4.0 erfordert Flexibilität. Das bedeutet auch eine hohe Mobilität von Roboter und Peripherie. Bereits jetzt sind rund 1,8 Millionen Industrieroboter weltweit im Einsatz. Laut dem Branchenverband International Federation of Robotics (IFR) wird sich diese Zahl bis 2020 voraussichtlich auf 3,05 Millionen so gut wie verdoppeln. Zunehmend werden Roboter dabei auch in Gefahrenzonen eingesetzt und entlasten uns Menschen durch die Verrichtung gefährlicher, schmutziger oder körperlich anstrengender Arbeiten – beispielsweise auf Bohrplattformen oder bei Schweißapplikationen. Die technische Entwicklung schreitet dabei mit großen Schritten voran. Noch sind Roboter eher statisch und auf das Ausführen sich wiederholender Bewegungsabläufe programmiert. Doch die nächste Generation steht schon in den Startlöchern, betont Daniel Obladen: „Der Roboter von morgen ist mobil. Er navigiert autonom und bewegt sich frei im Raum – ohne Schienen oder vorgegebene Wege.“ Dabei sind die autonomen, mobilen Roboter nicht nur in der Lage, sich in bekanntem Milieu zu zurechtzufinden, sondern können sich auch auf unbekanntem Terrain orientieren. Obladen muss es wissen: Schließlich hat Nabtesco bei den Robotergetrieben einen Marktanteil von 60 Prozent.
Vorteile bei beengten Verhältnissen
Nabtesco entwickelt aktuell ein elektromechanisches Antriebskonzept, das der Produktion der Zukunft die benötigte Mobilität verschafft: eine Antriebseinheit mit Mecanum-Rad. Anders als bei herkömmlichen Rädern sind bei Mecanum-Rädern auf einer Felge mehrere drehbar gelagerte tonnenförmige Rollen angebracht, meist im Winkel von 45 Grad zur Achse des gesamten Rades. Diese spezielle Konstruktionsweise ermöglicht eine omnidirektionale Mobilität. Ob Drehen auf der Stelle, Kurven in beliebigem Radius oder Manövrieren auf engstem Raum – Mecanum-Räder erlauben es fahrerlosen Transportfahrzeugen, Förderfahrzeugen und mobilen Robotern, sich frei wie ein Luftkissenboot in alle Richtungen fortzubewegen und zu drehen. Ganz ohne Rangieren oder Wendekreis. Gerade bei beengten Raumverhältnissen bietet dies große Vorteile. Daniel Obladen: „Wir sind stark in der Robotik, was die Herstellung von Präzisionsgetrieben für Roboterachsen angeht und nutzen das Wissen jetzt, um den nächsten Schritt zu tun.“
High-Speed auf geringerem Bauraum
Bei dem dezentralen Antriebskonzept sind alle erforderlichen Komponenten in der Radeinheit untergebracht. Das bietet dem Anwender maximale Gestaltungsfreiheit bei der Konstruktion von FTS-Lösungen. Dank der verwendeten Zykloidgetriebe arbeitet das kompakte und robuste Antriebskonzept zudem wartungsfrei. „Unsere Getriebe besitzen neben der Präzision weitere Attribute, die für den Einsatz in FTS-Radantrieben entscheidend sind“, erläutert Obladen. „Nabtesco-Getriebe sind extrem robust, zuverlässig und bekannt für ihre Langlebigkeit. Durch ihre kompakte Bauweise, ihre integrierte Hauptlagerung, welche Radial- und Axialkräfte aufnehmen können, eignen sich diese ideal für Mecanum-Räder.“ Für seine neue Antriebseinheit verwendet Nabtesco ein Sondergetriebe, das auf dem RF-P-Vollwelleneinbausatz mit optimierter Lagerung basiert. Die RF-P-Serie wurde speziell für Anwendungen konzipiert, die schnelle Taktzeiten und hohe Abtriebsgeschwindigkeiten voraussetzen, bei denen das vorhandene Platzangebot jedoch stark begrenzt ist. Damit sind die kompakten RF-P-Einbausätze wie geschaffen für den Einsatz in FTS-Radantrieben.
Zusammenfassung
Auch wenn die Industrie zum Großteil noch nach den altbewährten Fertigungsmustern arbeitet – die Zukunft der Produktion hat längst begonnen. Mit dem omnidirektionalen Antriebssystem mit Mecanum-Rad liefert Nabtesco die Technologie für die mobile Robotergeneration und die flexible, modulare Fertigung von morgen.