Automatisierung

AC/DC – Rock the Power Supply

Testsystem für Schaltnetzteile in der Entwicklungsphase einschließlich Vorabkonformitätstests

16.11.2021 - Der Entwurf eines Netzteils ist eine der anspruchsvollsten Entwicklungstätigkeiten. Jedes elektronische Gerät benötigt elektrische Leistung, wobei für die Leistungszuführung fast immer die Netzspannung von (z. B. in Deutschland) 230 VAC (50 Hz) zur Verfügung steht. Da die elektrischen Geräte aber mit Gleichstrom (DC) betrieben werden, muss die Netzspannung in eine DC-Spannung umgesetzt werden, was mit Netzteilen realisiert wird.

Netzteile enthalten unterschiedliche Bereiche, die einen unterschiedlich hohen Anspruch an die Vermessung und somit auch an das Testsystem stellt. Durch exaktes Messen lässt sich eine Optimierung des Netzteils realisieren, um zum Beispiel den gewünschten Wirkungsgrad oder das Minimieren der Leerlaufverlustleistung zu erreichen. Das Rigol-Oszilloskop der Serie MSO5000 und die PC-gesteuerte Ultra-Power-Analyse-Software (UPA) bieten zusammen mit den Differenztastköpfen der PHA-Serie und Stromzangen der RP1000C-Serie von Rigol ein vollumfängliches Testsystem, um zum Beispiel Schaltnetzteile während der Entwicklungsphase einschließlich einiger Vorabkonformitätstests vermessen zu können.
Um die verschiedenen Testanforderungen genauer beschreiben zu können, betrachten wir zunächst die Netzteile. Hierbei ist das Schaltnetzteil in den meisten Fällen das gängigste Design, da diese mit einem sehr hohen Wirkungsgrad und mehr Leistung realisiert werden können und einen kleineren Bauraum benötigen als zum Beispiel lineare Netzteile. Schaltnetzteile können für eine AC-DC- oder eine DC-DC-Wandlung verwendet werden, allerdings haben sie den Nachteil, dass sich am DC-Ausgang durch die Transformatorfrequenz ein Rauschen (Ausgangs-Ripple) bilden kann.
Wie im ersten Absatz beschrieben ist der Eingang des Netzteils an der AC-Netzspannung angeschlossen. Da dieses Signal Netzstörungen enthalten kann, muss dieses Signal in einem Netzteil erst einmal gefiltert werden. Danach wird das AC-Signal mittels einer geeigneten Dioden-Schaltung gleichgerichtet. Die Gleichrichtung erhöht die Spannung auf rund 350 VDC. Da diese Spannung allerdings eine pulsierende Charakteristik hat, wird eine Siebung, also eine Spannungsglättung, mittels hochkapazitiver Elektrolytkondensatoren (Elkos) durchgeführt. Eine komplette Glättung lässt sich hierdurch aber nicht erreichen. Die restliche bestehende Welligkeit wird auch als Brummspannung bezeichnet. Das wird dann meist mit einem RC-Glied oder bei höheren Strömen mit einem LC-Glied verringert mit dem Ziel, den Innenwiderstand der Schaltung nicht allzu sehr zu erhöhen.
Für den nächsten Schritt wird die DC-Spannung mittels eines schaltbaren MOSFET und einer Pulsweitenmodulationsschaltung (PWM) auf eine Frequenz zwischen 50 kHz und bis zu 1 MHz (je nach Transformatorart) wieder in eine AC-Spannung umgesetzt, um diese mit einem galvanisch getrennten Transformator zu übertragen. Danach wird wieder eine geeignete Diodenschaltung für die Gleichrichtung und Elektrolytkondensatoren für die Siebung verwendet, um die Wechselspannung nach dem Transformator wieder in eine Gleichspannung umzusetzen und zu filtern. Damit die DC-Spannung auch konstant den gewünschten Spannungswert erreicht, wird eine Regelschleife vom DC-Ausgang zum MOSFET eingesetzt, die für eine Nachregelung sorgen soll. Diese Regelung soll einerseits auch bei Netzschwankungen am Ausgang für eine konstante Spannung sorgen (line regulation). Andererseits soll diese Regelung auch dafür sorgen, dass das Netzteil am Ausgang immer die geforderten Lastströme liefern kann (load regulation). Bei früheren Schaltnetzteilen war eine Mindestlast am Ausgang notwendig, um Spannungsüberschläge gerade während der Startphase zu vermeiden. Das ist mittlerweile nicht mehr notwendig und wird zum Beispiel mit einem integrierten digitalen Mikrocontroller im Regler gelöst oder es wird ein Entlastungsnetzwerk in die Schaltung integriert.

Vermessung von Schaltnetzteilen

Die detaillierte Vermessung eines Schaltnetzteils kann in drei Teilbereiche gegliedert werden. Der erste zu messende Bereich ist der Eingang des Netzteils, bei dem die 230-VAC-Netzspannung eingespeist wird. Der zweite Bereich der Messung bezieht sich auf die Messung am Umschalttransistor. Der dritte Bereich bezieht sich auf die Vermessung des DC-Ausgangs und die Qualität der Ausgangsspannung.
Für alle drei Teilbereiche bietet die Software Ultra Power Analyse (UPA) in Verbindung mit dem Rigol-Oszilloskop der Serie MSO5000 eine Komplettlösung an. Einige Tests, wie die Analyse der Eingangsleistungsqualität, können auch mit der bereits integrierten Power-Applikationsoption im Gerät vermessen werden. Für den Anschluss des Oszilloskops an den AC-Eingangsbereich des Netzteils werden für die Strommessung die Stromzange RP1002C (50 Arms, 70 ADC / Bandbreite: 1 MHz) und für die Spannungsmessung der neu erschienene Differenztastkopf PHA1150 verwendet. Beide Tastköpfe sind für CATIII ausgelegt und können für diese Messung verwendet werden. Der Differenztastkopf PHA1150 hat eine Bandbreite von bis zu 100 MHz und kann für eine Spannung von bis zu 1500 VDC+ACpeak (bei einer Verstärkung von 500x) eingesetzt werden. Da eine höhere Bandbreite auch das Rauschverhalten einer Messung beeinflusst, wirkt sich die hohe Bandbreite für diese Messung als störend aus. Deshalb kann bei der PHA1150 eine Bandbreitenbegrenzung bis 5 MHz aktiviert werden, um den Rauscheinfluss zu minimieren. Die PHA1150 zeichnet sich zudem durch ihre hohe Eingangsimpedanz (10 MΩ) und geringe Eingangskapazität (< 2 pF) aus. Die Gleichtaktunterdrückung (CCMRdB) liegt für DC bei > 80 dB und bei 100 kHz bei > 60 dB. Das heißt, die Gleichtaktverstärkung ist gegenüber der Gegentaktverstärkung sehr niedrig und deren unerwünschter Einfluss auf das Messergebnis sehr gering.
Der Differenztastkopf wird gegenüber einem Trenntrafo bevorzugt verwendet, da bei dem Einsatz von Trenntrafos sowohl ein Trafo für das Oszilloskop als auch einer für das Schaltnetzteil benötigt wird. Zudem könnten durch diesen Aufbau zusätzliche Streukapazitäten und Induktivitäten das Messergebnis beeinflussen und es besteht ein potentielles Risiko eines elektrischen Schlags durch Berühren des Testaufbaus.  
Die Tastköpfe, die für die Strom- und die Spannungsmessung verwendet werden, dürfen während der Messung keinen Einfluss durch eigene zeitliche Verzögerungen aufweisen, da sonst die Messung der Leistung Fehler aufweist. Zusätzlich muss für die Tastköpfe eine Entmagnetisierung vorgenommen und der Offset auf 0 gesetzt werden. Rigol bietet für diese Phasenjustierung der Tastköpfe die Platine RPA246 an. Mit der UPA-PC-Software kann bei der Verwendung der RPA246-Platine das Oszilloskop automatisch eingestellt werden. Wenn die Messung direkt am Oszilloskop mit der Powerapplikation durchgeführt wird, kann man diesen Phasenunterschied, der mit dem RPA246 sichtbar wird, manuell über das Menu korrigieren. Der Differenztastkopf wird für die Spannungsmessung am Eingang des Netzteils angeschlossen. Der positive Eingang des Tastkopfs wird an den Außenleiter L und der negative Eingang an den Neutralleiter N angeschlossen. Die Stromzange wird um den Außenleiter L am Netzteil angeschlossen (s. Abb. 1). Als Beispiel wurde hier ein primär getakteter Sperrwandler als Schaltteil dargestellt.
Mit dieser Konfiguration kann die Leistungsqualität am Eingang gemessen werden. Diese Messung kann man sowohl direkt am MSO5000 mit der Power-Applikation als auch mit der UPA-PC-Software durchführen. Hier werden neben der Schein-, Wirk- und Blindleistung auch der Crest-Faktor und der Phasenversatz sowie die Frequenz der AC-Spannung und die Effektivwerte von Strom und Spannung vermessen und dargestellt (s. Abb. 2). Die AC-Spannung ist hier mit dem gelben und der Strom mit der blauen Spur dargestellt. Die Leistung wird als Resultat P = U * I mit der lila Spur grafisch dargestellt. 

Vermessung der Harmonischen des Stromflusses

Der nächste Test mit demselben Aufbau bezieht sich auf die Vermessung der Harmonischen des Stromflusses. Die UPA-PC-Software bietet hier unterschiedliche Messungen für die Klassen A, B, C und D an (Klasse D bezieht sich zum Beispiel auf TV-Geräte oder Computer, die mit maximal 600 Watt Leistung betrieben werden können), um die Messung nach der Norm IEC 61000-3-2 durchzuführen, um festzustellen, ob das Schaltnetzteil die geforderten Grenzwerte nach dieser Norm erfüllt und was benötigt wird, um eine Marktzulassung zu erhalten. Diese Norm ist gültig für Schaltnetzteile mit einem Stromfluss bis 16 Ampère pro Phase. Diese Norm gilt es einzuhalten, um die elektromagnetische Beeinflussung durch das Netzteil zurück auf das Netz (also die Netzrückwirkung) zu minimieren. Neben der grafischen Darstellung werden die Einzelharmonischen ausgemessen und eine Pass/Fail-Analyse für die Vorabkonformitätsanalyse durchgeführt (s. Abb. 3).
Vermessung des Einschaltstroms
Eine weitere Analyse mit dieser Konfiguration aus Abbildung 1 ist die Vermessung des Einschaltstromes, der nach dem Einschalten des Schaltnetzteils kurzfristig durch den Kondensator am Eingang der Schaltung (für die Filterung) fließt. Dieser Strom ist deutlich höher als der Strom, der im regulären Betrieb fließt. Um eine Zerstörung von Bauteilen der Schaltung zu vermeiden, muss dieser Einschaltstrom vermessen werden, um empfindliche Bauteile entsprechend auszuwählen, mit einer geeigneten Maßnahme zu schützen oder eine Maßnahme zu ergreifen, bei der der Einschaltstrom minimiert wird.

Vermessung des Schaltvorgangs

Für den dann folgenden Test werden die Tastköpfe an dem MOSFET angeschlossen. Dieser Test dient dazu, den Schaltvorgang zu vermessen. Der Differenztastkopf wird dabei am MOSFET mit dem positiven Anschluss am Drain und mit dem negativen Anschluss an der Source angeschlossen. Die Stromzange wird nach der Source angeschlossen. Der MOSFET schaltet mittels einer pulsweitenmodulierten Steuerspannung (PWM) während der Pulsweite ein und sonst aus. Die PWM-Schaltung ist am Gain angeschlossen. Während der MOSFET leitet, ist die gemessene Spannung nahezu 0 Volt zwischen Drain und Source. Das heißt, hier steigt der Stromfluss, der mit der Stromzange gemessen wird, stetig an und lädt die Primärspule des Transformators auf. Zeitgleich fließt bei der Sekundärspule kein Strom, da hier zur Gleichrichtung eine Diode geschaltet ist, die den Strom sperrt. Wenn der MOSFET sperrt, entsteht zwischen Drain und Source eine sehr hohe Spannung, die ebenfalls mit dem Differenztastkopf gemessen wird, und es fließt kein Strom mehr. Die Spannung wird am Transformator umgepolt und auf der Sekundärspule fließt Strom durch die Diode. Mit der UPA-PC-Software werden die Schaltfrequenz sowie die Verlustleistung und der Widerstand zwischen Drain und Source während des Schaltvorgangs gemessen. Strom und Spannung werden dargestellt und mittels der Spannung die On/Off-Zeiten ausgemessen (s. Abb. 4).
Mit denselben Tastkopfanschlüssen kann mit der UPA-PC-Software ein weiterer Test durchgeführt werden. Mit einer einfachen Tabelle lässt sich die SOAR (Safe Operating Area) des MOSFETs integrieren, um zu überprüfen, ob der MOSFET in der Schaltung im sicheren Arbeitsbereich arbeitet, damit dieser nicht während des Betriebs beschädigt oder zerstört wird. Hierfür werden von Kanal 1 (Spannung) und Kanal 2 (Strom) des Oszilloskops ein X-Y Diagramm dargestellt, das mit der individuell erstellten SOAR-Maske hinterlegt ist. Sobald diese nicht eingehalten wird, werden die Bereiche sowohl im X-t also auch im X-Y Diagramm rot markiert.

Vermessung der Modulationsanalyse des PWM-Signals in Verbindung mit dem Stromverhalten

Für den nächsten Test wird ausschließlich der positive Anschluss des Differenztastkopfes von der Drain auf die Gain des MOSFETs gesetzt. Mit diesem Test wird jetzt die Modulationsanalyse des PWM-Signals in Verbindung mit dem Stromverhalten während der an/aus-Phase des PWM vermessen. Hierbei wird die genaue positive und negative Pulsweite sowie die Berechnung der Einschalt- und Ausschaltdauer in Prozent berechnet und angegeben. Zudem werden die Frequenz des PWM-Signals sowie die Umrechnung der Periode angezeigt.  
Das Oszilloskop MSO5000 bietet auch die Möglichkeit, mit den integrierten AWG-Generatorausgängen die Bodeplot-Funktion bis 25 MHz zu nutzen. Mit dem Bodeplot kann ein Testsignal mit der zu testenden Bandbreite auf den Transformator gegeben werden, um den Frequenzbereich der zu übertragenen Frequenz genauer zu analysieren. Hierfür wird das Stimulationssignal sowohl an Kanal 1 des Oszilloskops als auch an den Transformator angeschlossen. An Kanal 2 des Oszilloskops wird das Ausgangssignal des Transformators vermessen. Mit diesen beiden Kurven kann sowohl die Verstärkung als auch das Phasenverhalten über den Frequenzbereich vermessen und dargestellt werden (s. Abb. 5).

Test der DC-Ausgangsspannung

Der letzte Test bezieht sich auf die DC-Ausgangsspannung am Schaltnetzteil. Wie bereits angedeutet, wird die Spannung nach dem Transformator wieder mit einer Dioden-Schaltung gleichgerichtet und mit Elkos geglättet. Die restliche Welligkeit kann mit dem normalen Spannungstastkopf im Tastverhältnis 10:1 am DC-Ausgang gemessen werden. Die Welligkeit sowie die Frequenzdarstellung des Ausgangssignals kann sowohl direkt am Oszilloskop MSO5000 mit der Power-Applikation oder mit der PC-Software UPA vermessen werden.
Speziell die Oszilloskope der Serien MSO5000, DS-MSO7000 und MSO8000 eignen sich zusammen mit der UPA-PC-Software und dem Zubehörangebot von Rigol (z. B. Tastköpfe) als optimale Lösung, um zum Beispiel Schaltnetzteile zu entwickeln und zu optimieren. Zusätzlich bietet das Unternehmen mit der DL3000 Serie auch eine elektronische Last an, so dass der Ausgang eines Schaltnetzteils optimal und mit einer hohen Genauigkeit getestet werden kann.

Autor
Boris Adlung, Sales Manager

 

Kontakt

RIGOL Technologies EU GmbH

Carl-Benz-Str. 11
82205 Gilching bei München
Deutschland

+49 8105 27292 0

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