„Drei Fragen und ein Lieblings-Gadget“ an Dr. Gunther Kegel
„Smarte Fabrik“ - eine Philosophie der ständigen Verbesserung von Qualität, Effizienz und Ressourceneinsatz
1. Herr Dr. Kegel, wenige Branchen sind so wandlungsfähig und innovativ wie die Automatisierung. Das zeigt der Blick auf die letzten 100 Jahre: Von den Anfängen der industriellen Massenfertigung zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts über die Automatisierungswelle in den Siebzigern bis hin zu Industrie 4.0 hat sich viel getan: Wo stehen wir im Bereich der Automation heute?
Während zu Anfang ausschließlich die Automatisierung der wichtigsten Wertschöpfungsvorgänge im Fokus stand, wurden in den vergangenen Jahrzehnten Schritt für Schritt weitere Aufgaben von der Automatisierung adressiert: Logistik und Distribution, funktionale Sicherheit von Maschinen und Anlagen, Umweltschutz und Energie-Effizienz, um die wichtigsten zu nennen. Heute steht die Automatisierung wieder vor der Aufgabe, einen Beitrag für zukünftige Effizienzgewinne und neue Geschäftsmodelle zu leisten. Einmal mehr erweist sich die Automatisierung als echte „enabling technology“: Die Konzepte rund um die Begriffe „Industrial Internet of Things – IIoT“ und „Industrie 4.0“ erfordern den direkten Zugriff auf Messwerte, Parameter und Daten aus den Feldgeräten, Maschinen, Anlagen und Fabriken. Die Konnektivität dieser Geräte und das Management der zur Verfügung gestellten Daten werden Aufgabe der Automatisierung sein; die Grenze zu den Informationstechnologien wird zunehmend verschwinden.
2. Stichwort Digitalisierung der Industrie: Wann ist die Fabrik wirklich smart? Und was genau steckt dahinter?
Nach meiner Auffassung ist das keine sprungfixe Funktion, die einen gewissen Digitalisierungsgrad vorgibt. Die „Smarte Fabrik“ ist vielmehr eine Philosophie der ständigen Verbesserung von Qualität, Effizienz und Ressourceneinsatz durch Digitalisierungttt und Vernetzung. Dabei können unterschiedliche Bereiche der Wertschöpfung durchaus unterschiedliche Reifegrade aufweisen. In der elektronischen Fertigung beispielsweise ist die Herstellung und Bestückung der Leiterplatte heute bereits durchgängig digitalisiert und vernetzt. Diese Vernetzung schließt selbst vorgelagerte Wertschöpfungsprozesse bei Zulieferern und Daten aus dem Lebenszyklus mit ein. Der anschließende Montageprozess ist häufig noch deutlich weniger stark automatisiert. Hier liegen die nächsten Effizienzpotenziale der digitalen Fabrik der Zukunft.
3. All das wirkt sich natürlich immer auf die Mitarbeiter aus: Wie könnte der Arbeitstag eines Facharbeiters im Jahr 2050 aussehen?
Die heutigen Megatrends lassen erkennen, dass wir in 35 Jahren unsere Energiebedarfe hauptsächlich aus erneuerbaren Quellen decken, und unsere Mobilität wird weitgehend elektrisch sein. Automatische Gesundheitsprävention und neue Medizintechnologie werden die Lebenserwartung weiter erhöhen und die Herstellung und Verteilung von Waren wird keine menschliche Wertschöpfung mehr erfordern. An ihre Stelle treten Überwachungs- und Optimierungsfunktionen. Arbeitsplätze werden vollständig dezentralisiert und der Mitarbeiter wird in den virtuellen 4D-Meetings durch einen persönlichen Avatar repräsentiert. Jedem Mitarbeiter wird die Möglichkeit gegeben, seine eigene Balance zwischen Erwerbstätigkeit und persönlicher Lebensgestaltung und Sinnstiftung individuell zu gestalten. Schöne neue Welt!
4. Auf welche Innovation möchten Sie persönlich nicht verzichten, hat ihr Leben am meisten beeinflusst?
Ohne jede Frage hat das Internet unser Leben in den letzten Jahren bereits mehr verändert als jede andere Technologie und doch stehen wir hier erst am Anfang einer phänomenalen Entwicklung. Insofern möchte ich vor allem auf das Internet und die vielen smarten Endgeräte nicht mehr verzichten.