Mobiles Messen unter rauen Bedingungen
11.09.2018 -
Bevor ein Zug Passagiere transportiert, sind zahlreiche Messungen auf dem Prüfstand und im Fahrversuch notwendig. Dies betrifft einzelne Komponenten, wie Drehgestelle oder Radsätze, aber auch komplette Züge. Selbst im Regelbetrieb werden noch eine Vielzahl an Zugparametern konstant überwacht – entweder direkt an Bord des Zuges für das Steuerungs- und Managementsystem oder als ortsfeste Anlage am Gleis für eine übergeordnete Streckenüberwachung. Bei all diesen Aufgaben unterstützen robuste und flexible Messsysteme.
Die meisten Messaufgaben im Bereich der Schienenfahrzeugtechnik haben ähnliche Anforderungen: Die Messtechnik muss unter anspruchsvollen Bedingungen präzise und zuverlässig arbeiten. Häufig erfolgt die Datenerfassung außerhalb des Wagenkastens unter ständigen Vibrationen und widrigen Umweltbedingungen wie Staub und Nässe. Dazu kommen elektromagnetische Einflüsse, die umso stärker sind, je näher die Messung an der Oberleitung oder stromführenden Schiene stattfindet. Vor allem bei mobilen Tests ist daher der Schutz der eingesetzten Datenlogger und Messgeräte entscheidend. Zudem sind kurze Rüstzeiten und eine einfache Handhabung gefordert. Bei Untersuchungen an Schienenfahrzeugen kommt eine Vielzahl von Kanälen verschiedenster Sensortypen zum Einsatz. Und sind Messungen an rotierenden Maschinenteilen erforderlich, ist die herkömmliche Verkabelung der Sensorik mit dem Messgerät nicht möglich. Hier sind telemetrische Übertragungen notwendig. Weiterhin können sich die Messstellen über den gesamten Zug erstrecken, sodass eine verteilte Messung mit modularen Geräten sinnvoll ist. Die große Menge an Rohdaten, die aus solchen messtechnischen Lösungen resultiert, muss daher in vielen Fällen für die spätere Auswertung selektiert übertragen und gespeichert werden, weshalb eine automatisierte Vorverarbeitung der Daten in Echtzeit erforderlich ist.
Aufgrund ihrer robusten Bauweise und der Möglichkeit zur modularen und vernetzten Datenerfassung mit anschließender Online-Datenanalyse nahe der Messstelle, werden Imc-Datenlogger und Messsysteme sowohl bei Inbetriebnahme-Messungen, wie beispielsweise bei Zertifizierungen nach Norm, als auch bei ganz oder teil-automatisierten Überwachungsanwendungen eingesetzt.
Folgende Beispielanwendungen zeigen, dass sich Hersteller und Dienstleistungsunternehmen sowie Prüfinstitute im Bereich Bahntechnik bei der Erfassung und Verarbeitung der physikalischen Messdaten für Imc-Lösungen entscheiden, da diese den anspruchsvollen Anforderungen gewachsen sind.
Bei Hunderten von Kanälen
Bei der Zertifizierung des italienischen Hochgeschwindigkeitszuges ETR1000 Frecciarossa (Roter Pfeil) nach EN 14663 durch die Prüfgesellschaft Italcertifer sowie bei einer Betriebsfestigkeitsuntersuchung an der Wuppertaler Schwebebahn durch Prose wurden Messsysteme der Imc-Cronos-Familie eingesetzt. Bei beiden Projekten handelte es sich um umfangreiche Messungen mit hohen Kanalzahlen und unterschiedlichen Parametern. Unter anderem wurde die Materialbelastung über Dehnungsmessstreifen (DMS) erfasst und eine Vielzahl anderer Messgrößen über weitere Sensoren.
Die Cronos-Systeme waren dazu die ideale Lösung, da sie für alle gängigen Signale und Sensoren Messmodule bieten. Mit Abtastraten von bis zu 100 kHz pro Kanal können auch akustische Signale mit entsprechend hoher Auflösung verarbeitet werden. Ein weiterer Vorteil der Cronos-Systeme ist die TEDS-Funktionalität, die Sensorinformationen automatisch einliest und damit die Verwaltung von Hunderten von Kanälen und Sensoren erleichtert.
Störungsfreie Datenübertragung beim verteilten Messen
Um eine möglichst hohe Signalqualität zu erreichen, nutzte Italcertifer zudem das modulare Messsystem Cronosflex, das die Messdaten nahe am Sensor digitalisiert. Das echtzeitfähige Ethercat-Protokoll und ein bis zu 100 Meter langes, galvanisch isoliertes Standard-Netzwerk-Kabel sorgten anschließend für eine störungsfreie Datenübertragung. Eine Vernetzung ist darüber hinaus auch drahtlos mittels WLAN oder Mobilfunk (UMTS, LTE) möglich.
Für die Datenerfassung außerhalb des Wagenkastens stehen die Cronos-Geräte in einer robusten Bauform nach MIL-Standard und IP65 zur Verfügung. Sie halten permanenten, mechanischen Stoßbeanspruchungen, aber auch Staub und Steinschlag stand. Die Anschlüsse für die Sensoren sind mit gedichteten Kabeleinführungen (PG) versehen. Weiterhin sind umfassende elektrische EMV-Schutzmaßnahmen vorhanden. Sowohl die Versorgung der Geräte als auch die Datenübertragung erfolgt über ein Ethernet-Kabel, sodass die Montage deutlich vereinfacht ist.
Telemetrische Datenerfassung für schwierige Bedingungen
Die Geräte der Cronos-Familie erfassen und übertragen Daten über zahlreiche Interfaces, darunter die Bahntechnik-Busse MVB, IPTCom und CAN-Bus. Darüber hinaus verfügen die Messsysteme über Schnittstellen zu Telemetrie-Systemen ausgewählter Hersteller, wie beispielsweise des Imc-Partners KMT. Das Telemetriesystem MTP-NT von KMT kann bis zu 256 Sensorsignale simultan erfassen und übertragen und ist sehr klein. Bei der Prüfung des Frecciarossa vereinfachte dies die Einrichtung des Messsystems. Bei Geschwindigkeiten von bis zu 400 km/h lieferte das Telemetriesystem genaue Messergebnisse bei der Aufzeichnung von DMS-Signalen an den Radsätzen.
Präzise Geschwindigkeits- und Bremswegmessung
Für exakte Geschwindigkeits- und Bremswegmessungen eignet sich der optische Luxact-Sensor. Die Präzision dieses Sensors basiert auf einem neuen optischen Messprinzip, das in Kombination mit der blendenfreien Technik auch auf Untergründen wie Schnee, Eis, Wasser, Erde, Schotterbett oder Schienen zuverlässig arbeitet. So konnte die Schweizer Bahn (SBB) im Fahrversuch die Bremswege von Zügen bei schwierigen Adhäsionsbedingungen zentimetergenau erfassen. Der Sensor lässt sich unkompliziert am Wagenkasten montieren, sodass beim Bremstest unterschiedliche Züge getestet werden konnten.
Die Anbindung des Luxact-Sensors an das Imc-Messsystem erfolgt komfortabel über den integrierten CAN-Ausgang. Zusätzlich zu den Geschwindigkeitsdaten liefert der Sensor eine Vielzahl an Zusatzinformationen über seinen Zustand, wie den Verschmutzungsgrad der Optik. Auch als Referenzsignal für die Zuggeschwindigkeit eignet sich der Luxact-Sensor und kann als Geschwindigkeitssignal für das ETCS eingesetzt werden.
Konsistente Datenstruktur
Schließlich laufen in den Imc-Messsystemen alle Rohdaten der Sensoren, Telemetriesysteme sowie der zuginternen Feldbusse synchron zusammen. Besonders hilfreich ist die Online-Verarbeitung der Daten schon während der Messung. Durch Verrechnung und Verknüpfung der Daten aus allen Bereichen des Zuges lassen sich so Betriebszustände ganzer Funktionseinheiten erfassen und übersichtlich aufbereiten. Auf diese Weise erfolgt die Analyse synchron, ist gleichzeitig zu den primären Messdaten verfüg- und visualisierbar und wird durchgängig gemeinsam mit diesen verwaltet. Während einer laufenden Testfahrt lässt sich jederzeit ein Überblick über den aktuellen Zustand des Zuges und seiner Einzelkomponenten abrufen.
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