Automatisierung

Robuste Steilgewindespindeln und -muttern aus verschleißfesten Hochleistungspolymeren für Schiebetritte in Zügen

11.09.2018 -

Knorr-Bremse, Hersteller von Bremssystemen und Anbieter weiterer Subsysteme für Schienen- und Nutzfahrzeuge, wollte sein Einstiegssystem für Schienenfahrzeuge optimieren. Ziel: höhere Zuverlässigkeit bei reduzierten Kosten. Den Weg dorthin, beschreiben wir in folgendem Beitrag.

Schiebetritte helfen Fahrgästen mit Kinderwagen oder eingeschränkter Mobilität, selbstständig in Züge und Bahnen ein- und aussteigen zu können. Zentrale Bestandteile einer Neuentwicklung von Knorr-Bremse, Division IFE, sind schmiermittel- und damit wartungsfreie Dryspin-Steilgewindespindeln und -muttern von Igus. Sie sind korrosions- sowie medienbeständig und sorgen für eine lange Lebensdauer ‒ bei deutlich reduzierten Kosten.
„Am Anfang stand der Auftrag, ein Einstiegssystem für Schienenfahrzeuge technologisch zu verbessern“, erzählt Johann Wilflinger, Gruppenleiter Systementwicklung der IFE am Standort Kematen/Ybbs in Österreich. „Der Schiebetritt sollte noch zuverlässiger funktionieren, aber deutlich weniger kosten.“ Durch den Verzicht auf die teure Trittmatte und ein verändertes Antriebskonzept, das Riementriebe substituiert, verringern sich das Gewicht sowie die Anzahl der Bauteile und die Einbauhöhe. Das vereinfachte Führungssystem schließt ein Verklemmen oder einen Schwergang aus.
Herzstück des Antriebs für den Schiebetritt ist ein zentraler Spindeltrieb, bestehend aus einer Dryspin-Steilgewindespindel aus Edelstahl und einer Gewindemutter aus Iglidur J. Die Dryspin-Technologie von Igus basiert auf speziell für Gewindetriebe entwickelten verschleißfesten Hochleistungspolymeren. Mit den auf Kunststoffmutter und Spindel abgestimmten Eigenschaften und Geometrien bietet die schmiermittelfreie Lösung vor allem bei Steilgewinden eine noch höhere Lebensdauer und Effizienz. Dazu kommen ein Sondergleitstein aus dem Material Iglidur J sowie Gleitlagerbuchsen aus dem Werkstoff Iglidur G.

Verkehrskollaps verhindern

Die Nachfrage nach Bahntechnik ist weltweit groß. Zum einen kommen Züge an ihre Lebensgrenze, zum anderen setzen Metropolen verstärkt auf den öffentlichen Nahverkehr, um einen Verkehrskollaps zu vermeiden. Zudem verschärft sich die Gesetzgebung. Züge müssen barrierefrei ausgestattet beziehungsweise zugänglich sein, um Fahrgästen mit Behinderungen oder Mobilitätseinschränkungen ein möglichst beschwerdefreies Reisen zu ermöglichen.
Die Schiebetritte kommen in Straßen-, U- und S-Bahnen, in Zügen für den Regionalverkehr und im Hochgeschwindigkeitsbereich zum Einsatz. „Insgesamt haben wir zwei Versionen entwickelt, die möglichst ohne große Anpassungen verbaut werden sollen“, berichtet Wilflinger. Sie zeichnen sich durch eine Bauhöhe von 50 Millimetern bei Schiebetritten bis 1.400 Millimetern Breite und 350 Millimetern Ausfahrweite in der Standardversion aus. Es kommt auf die Infrastruktur des jeweiligen Bahnhofes an, wie weit der Schiebetritt herausfahren muss. Neben der Standardlösung wird eine zweite Version entwickelt, die über eine größere Ausfahrweite verfügt.
Das Anforderungsprofil des Bahnbauers an den Schiebetritt ist immer gleich. Trotz großer Temperaturschwankungen und vielfältigen Verschmutzungen muss er immer einwandfrei funktionieren. Für den Bahnbetreiber hingegen spielen die Lebenszykluskosten eine elementare Rolle: Das heißt die Einstiegshilfe soll möglichst wartungsfrei sein. Zudem dürfen keine Betriebsmittel wie Öle oder Fette zum Einsatz kommen.

Funktionsweise des Schiebetritts

Der Schiebetritt wird über den zentralen und wartungsfreien Spindelantrieb mit verklemmungsfreiem Führungssystem bewegt. Auch das Verriegelungsmodul ist vollkommen wartungs- und einstellungsfrei ausgelegt. Die Spindel hält in jeder Position den Schiebetritt. Heftige Tritte oder schwungvolle Bewegungen muss sie jederzeit aushalten können. „Kommt es zu einem Stromausfall, wird das Trittbrett per Hand eingefahren“, erklärt Johann Wilflinger. Dann muss die Spindel umgekehrt funktionieren, ohne zu verkanten.
Die Steilgewindespindel, die im nicht hermetisch verschlossenen Schiebetritt zum Einsatz kommt, ist zum einen schmier- und damit wartungsfrei. Sie erzielt einen höheren Wirkungsgrad durch einen flacheren Flankenwinkel. Durch eine asymmetrische Geometrie zwischen Spindel und Mutter steigt die Lebensdauer. Abgerundete Zahnflanken sorgen für eine bessere Laufleistung sowie einen geräuscharmen und vibrationsfreien Lauf. Die dazugehörige Dryspin-Flanschgewindemutter aus Iglidur J sorgt nahezu verschleißfrei für einen hohen Wirkungsgrad. Durch den Trockenlauf haftet nichts an. Der Sondergleitstein – ebenfalls aus Iglidur J – nimmt die Kräfte beim Herausfahren der Spindel beziehungsweise des Schiebetritts auf. Dazu kommen kostengünstige Gleitlagerbuchsen aus dem universellen Werkstoff Iglidur G. Eingesetzt im Verriegelungssystem sind sie wartungsfrei, abriebfest und wie die anderen Komponenten auch unempfindlich gegen Staub, Schmutz, Feuchtigkeit und Reinigungschemikalien.

3,5 Millionen Zyklen im Normalbetrieb

Um eine einfache Installation und Wartung des Schiebetritts zu ermöglichen, ist bei der Konstruktion besonderer Wert auf einstellfreie Lösungen gelegt worden. Sämtliche Voreinstellungen werden werksseitig vorgenommen und auch ein späterer Komponententausch erfordert keinerlei Justierungsarbeiten. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Komplexität in der Produktion sinkt. Steilgewindespindel und Steilgewindemutter können bei Bedarf vom Kunden vor Ort gewechselt und eingebaut werden.
Wenn ein Riementrieb plötzlich reißt, fällt der Zug schlimmstenfalls aus. „Eine Spindelmutter dagegen kann lediglich Spiel bekommen. Es handelt sich um einen langsamen Vorgang, der sich ankündigt und rechtzeitig behoben werden kann und keinen abrupten Stillstand“, erklärt Wilflinger.
Zurzeit laufen am Standort in Österreich zwei Testreihen. Zum einen fährt in einem ‚Worst Case‘-Test das Trittbrett gegen ein Hindernis – in der Regel den Bahnsteig. „Hier haben wir eine Million Zyklen problemlos gefahren, ohne dass es zu Ausfällen kam“, berichtet Wilflinger. „Und im Normalbetrieb sind wir schon bei 3,5 Millionen Zyklen angelangt. Alle Komponenten funktionieren in beiden Fällen zu unserer absoluten Zufriedenheit.“

In Planung: Systeme für Temperaturen bis -40 °C

Die beiden Schiebetritte mit den zwei Spindellängen werden vor allem in gemäßigten Klimazonen zum Einsatz kommen. Sie sind auf Temperaturen bis zu -25 °C ausgelegt. Systeme für Temperaturbereiche bis -40 °C befinden sich zurzeit in der Projektierung. Im Igus-Labor laufen dazu bereits Versuchsreihen für Werkstoffentwicklungen für dauerhaft besonders tiefe Temperaturbereiche, um qualitativ eine optimale Lösung zu liefern.
Abschließend macht Johann Wilflinger klar: „Ein Zug hat eine Lebensdauer von mindestens 40 Jahren. Einzelne Waggons können bis zu 60 Jahre im Einsatz sein. Die erste Hauptwartung mit Austausch von Bauteilen geschieht in der Regel nach 15 Jahren. Sicherheitschecks erfolgen alle drei Monate. Der Schiebetritt selbst wird nur zweimal im Jahr gereinigt.“ Diese Zahlen verdeutlichen, wie robust, zuverlässig und langlebig die Komponenten sein müssen. „Sie müssen nicht nur im Labor, sondern vor allem im Feld funktionieren. Wir haben mit unserer Lösung einen neuen Standard definiert und setzen dabei auf einen Partner, der zuverlässig ist und dessen Lieferqualität stimmt.“

 


Igus_1_TR0218: Bei dem Schiebetritt handelt es sich um ein zuverlässiges System. Zentraler Bestandteil der Lösung sind wartungs- und schmiermittelfreie Steilgewindespindeln und Steilgewindemuttern von Igus. (Quelle: IFE)
 

Kontakt

Igus GmbH

Spicher Str. 1 a
51147 Köln

+49 2203 9649 0

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