Optische Multisensorik für zeitkritische Schwingungsmessungen
17.05.2016 -
Die Laser-Scanning-Vibrometrie stößt an Grenzen, wenn transiente Momente erfasst werden sollen: Stoß- und Schaltvorgänge lassen sich eben nicht durch sequentielles Scannen erfassen. Auch für solche Messaufgaben gibt es jetzt eine berührungslose Methode: Multipoint-Vibrometer messen synchron aus verschiedenen Blickwinkeln und ermöglichen es so, instationäre Prozesse zu erfassen. Die Systeme sind modular aufgebaut, was die Kosten im Rahmen hält.
Schwingungsmessungen unter Betriebsbedingungen stellen meist besonders hohe Anforderungen an Messsysteme. Meist muss der erste Schuss sitzen. Typische Beispiele finden sich bei der Schwingungsanalyse von Strömungsmaschinen oder Ventilen, beim Hochlauf von elektrischen Antrieben oder Verbrennungsmotoren, Abgasanlagen, Absprengvorgängen einzelner Raketenstufen in der Raumfahrt oder ähnlichem. In einigen Fällen sind Tests zwar möglich, indem eine entsprechende Anzahl von Beschleunigungsaufnehmern an neuralgischen Punkten der Messobjekte befestigt wird. Doch lassen manche Objekte solche Sensorik gar nicht zu, weil ihre Oberfläche zu heiß, zu weich oder zu empfindlich ist. Außerdem kann sich durch die Masse der Sensoren auch das Schwingverhalten des Messobjekts verändern. Beschleunigungsaufnehmer etwa an einem heißen Abgaskrümmer anzubringen ist unmöglich. Viele solcher Schwingungsmessungen waren bisher überhaupt nicht realisierbar; denn die einzige Option, nämlich berührungslose Messsysteme für viele Messpunkte bedeuteten einen praktisch nicht zu vertretenden Kostenaufwand.
Mit bis zu 48 Augen sehen
Doch jetzt gibt es für solche schwierigen schwingungsmesstechnischen Momentaufnahmen eine praktikable optische und damit berührungslose und rückwirkungsfreie Lösung. Das neue Multipoint Vibrometer MPV-800 von Polytec kann erstmals unwiederbringliche Momente flächenhaft erfassen, und das selbst bei sehr sensiblen Objekten und unter schwierigen Bedingungen. Es ermöglicht eine synchrone Messung aus allen Perspektiven mit bis zu 48 individuell einstellbaren faseroptischen Sensoren, die flexible Messungen als Messfeld aus einer Richtung oder um komplex geformte Objekte herum erlauben. Je nach Konfiguration lassen sich dabei sogar dreidimensionale Schwingungsvektoren erfassen. Die hohe optische Empfindlichkeit (mehr als 100 % höher als bei den bewährten Einpunkt-Vibrometern) sorgt dafür, dass Messungen mit niedrigem Rauschpegel auf beliebigen Oberflächen und ohne Vorbehandlung der Testobjekte oder Proben möglich sind.
Das neue Multipoint Vibrometer ist modular aufgebaut. Dadurch lassen sich Systemkomponenten mehrfach nutzen, was die Anschaffungskosten senkt. Dieses Plus an Wirtschaftlichkeit ermöglicht, die Vorzüge der berührungslosen Messung überall dort zu nutzen, wo man auf Beschleunigungssensoren beschränkt war oder es keine geeigneten Testmethoden gab.
Modular und anpassungsfähig
Grundlage ist das Basissystem mit einer Workstation für die Datenerfassung. Es besitzt acht optische Vibrometerkanäle, acht Referenzkanäle - beispielsweise für Beschleunigungsaufnehmer - und eine spezielle Software. Bei Bedarf kann mit weiteren Optikeinheiten auf ein Vibrometer-System mit bis zu 48 Kanälen erweitert werden. Jede Optikeinheit enthält ein 8-Kanal-Interferometer, eine gemeinsame Laserlichtquelle (augensicher) sowie Anschlüsse für acht Faserköpfe. Da sich die bis zu 48 Faserköpfe praktisch beliebig anordnen lassen, sind ganz unterschiedliche Messaufgaben realisierbar.
Die Multisensor-Anordnung, etwa auf einem Stativ, ermöglicht es, beispielsweise Amplituden- und Phasenverteilung auf der Oberfläche vollflächig auszuwerten. Bei transienten, nicht reproduzierbaren Vorgängen erfasst das Multipoint Vibrometer dann komplette dynamische Strukturen in Echtzeit in nur einer einzigen Messung. Bei Bedarf lassen sich die Messköpfe auch frei im Raum um das Messobjekt herum anordnen. Durch die so gewonnenen Erkenntnisse können transiente Vorgänge oft besser gedeutet werden, da beim Auswerten der Ergebnisse alle Blickwinkel bekannt sind. Fokussiert man drei Sensoren auf einen Punkt, sind sowohl In-Plane- als auch Normalkomponenten der Schwingungen messbar, also auch dreidimensionale Schwingungsmessungen möglich.
Software schafft Überblick
Die MPV-Software unterstützt dabei sämtliche Aufgabenstellungen. Sie ist speziell darauf ausgelegt, mit vielen Kanälen die Prüfdaten auf räumlich ausgedehnten Testobjekten zu erfassen und die Konfiguration des Systems zu verwalten. Darüber hinaus bietet sie gleich eine ganze Reihe praxisgerechter Features, die die Messungen komfortabel machen und eine hohe Testqualität unterstützen.
So spart zum Beispiel eine automatische Messpunktidentifikation beim Einrichten des Prüfaufbaus Zeit und verhindert Fehlversuche. Für die Messung lassen sich dann die Geometriedaten der Prüfobjekte direkt aus dem CAE-System oder aus Simulationsprogrammen importieren. Legt man darüber anschließend die Messergebnisse, erhält man sehr anschauliche, aussagekräftige Bilder. Genauso elegant lassen sich aber auch die Flächennormale errechnen, was den Akustikern entgegenkommt. Da die Software mit Objektkoordinaten arbeitet, ist ein direkter Vergleich mit Simulationsdaten oder akustischen Simulationen möglich. Für die Analyse werden die Schwingungen getrennt nach Zeit und Frequenz flächenhaft als 3D-Modell angezeigt. Zur Nachbearbeitung und Dokumentation sind Exportfilter in verschiedene Formate erhältlich. Das Multipoint Vibrometer erschließt der optischen, berührungslosen und damit rückwirkungsfreien Schwingungsmessung eine neue Dimension, von der zahlreiche Anwendungen profitieren können.