35 Jahre iC-Haus: Ein Interview mit Geschäftsführer Heiner Flocke
04.06.2019 -
Das Interview mit Heiner Flocke, der gemeinsam mit seinem Partner Manfred Herz vor 35 Jahren das Unternehmen iC-Haus gründete, war schnell und unkompliziert vereinbart. Das Gespräch sehr offen. Heiner Flocke gibt Einblicke in das Damals und Heute des Unternehmens und erzählt, warum neben Kompetenz auch etwas Glück dazu gehört, will man ein Unternehmen gründen.
Starten wir mit einer Verständnisfrage: Was sind ICs?
Heiner Flocke: ICs sind fingernagelgroße Blättchen aus Silizium, die beispielsweise einige 100.000 Basisfunktionen enthalten – Analog, Digital, Sensorik auf einem kleinen Mikroelektronikblättchen oder eben auch Chip genannt. Eingesetzt werden sie unter anderem in Sensoren, Antrieben, der Automatisierung, in Fahrzeugen, der Medizintechnik oder auch in mobilen Telefonen.
Und wie kommt man als junger Mensch darauf, ein Unternehmen für ICs zu gründen?
Heiner Flocke: Ich sage es mal so, wir haben nichts anderes gelernt (lacht). Von der Technik begeistert, habe ich mich nach dem Abitur für ein Studium der Elektrotechnik in Aachen entschieden und später in Halbleiterschaltungstechnik promoviert. Danach war der Weg irgendwie vorgezeichnet. Nach ein paar Jahren als Angestellter bei einem kleinen Halbleiterhersteller im Rheinland, haben wir, das heißt, mein Partner Manfred Herz und ich, entschieden, uns selbstständig zu machen. Und zwar mit der Idee fabless Chips zu bauen, die wir dann auch als unsere – deshalb auch iC – Chips, das heißt als unsere Marke verkaufen wollten.
Das heißt, Ihr Sparbuch wurde mit Mitte 30 für die Gründung des eigenen Unternehmens „geopfert”?
Heiner Flocke: Auch, aber vor 35 Jahren gab es noch die technologieorientierte Untenehmensgründung, die uns sehr geholfen hat. Es handelte sich hierbei um eine Initiative des Bundesministeriums, die Start-ups finanziell gefördert hat. So waren wir in der Lage, eine gewisse Grundausstattung anzuschaffen. Und gerade am Anfang war es zwingend, dass die Chips funktionierten, dass man dafür Kunden fand und dass diese auch pünktlich bezahlten. Danach hat sich das Wachstum kontinuierlich aus den Erträgen fortgesetzt. Und auch heute noch sind wir ein Inhaber geführtes Unternehmen, ohne großen Einsatz von Fremdkapital.
Welche Entscheidungen haben Ihren damaligen Weg nachhaltig beeinflusst?
Heiner Flocke: Es gab tatsächlich ein paar Basisentscheidungen, die ich rückblickend als wesentlich betrachte. Zum einen die der Design-Software. Wir hatten damals das Glück, einen Mitarbeiter an Bord zu haben, der mit der CAD-Programmierung vertraut und nicht zu bremsen war , eigene Software zu schreiben. Denn eigene CAD-Anlagen hätten wir uns damals gar nicht leisten können. Daher wollten und mussten wir natürlich einiges selber machen. Und das funktionierte recht gut.
Als weiteren Punkt hatten wir von vornherein entschieden, an der Produktion teilhaben zu wollen. Das heißt, wir wollten eigene Chips bauen. Damit stand die Frage im Raum: Wie teste ich diese? Hier haben wir ein System am Markt gefunden, das wir ein wenig modifiziert und verfeinert haben. Inzwischen haben wir viel in eigene Testsysteme investiert und diese vernetzt.
Können Sie kurz den Weg von der Idee zum IC umreißen?
Heiner Flocke: Im ersten Schritt beginnt man damit, mit Hilfe von CAD ein digitales Modell des Chips zu entwickeln, was ein relativ komplexer Entwicklungsvorgang ist und durchaus Perso- nen-Monate oder auch Jahre dauern kann. Wenn das Layout erstellt ist, geben wir es in die sogenannte Wafer-Fab, das heißt in eine Technologie , die auch einige 100 lithografische Verfahren unter Reinstraumbedingungen einschließt. Die Investitionssumme für solch eine Wafer-Fab liegt etwa im Bereich einer Milliarde Euro und ist damit kein Mittelstandsthema, deshalb haben wir uns auch für den Weg einer fabless company entschieden.
Wir als iC-Haus haben aber Zugriff auf solche Technologien, das heißt wir geben unseren Entwurf unkommentiert in die Wafer-Fab, in der ein sogenannter Maskensatz mit 30 verschiedenen Masken gefertigt wird, der wiederum für die erwähnten lithografischen Verfahren notwendig ist. Zurück bekommen wir einen Wafer bestehend aus zahlreichen Chips mit unseren Schaltkreisen, also ein Abbild unseres Layouts, welches wir urspünglich in die Technologie gegeben haben. Wir sind dann wiederum für die Funktion verantwortlich, denn der Halbleiterhersteller garantiert nur die Einhaltung seiner Prozess-Parameter.
Und bei iC-Haus wird dann nochmals die Funktionsfähigkeit jedes Chips getestet?
Heiner Flocke: Das ist richtig. Wir als fabless company versuchen alles, was mittelständisch realisierbar ist, bei iC-Haus umzusetzen: Design, Akquise, Assemblierung, Test, Qualifikation, Vertrieb und Applikation. Das heißt wir testen die Wafer, jeden einzelnen Chip.
Ihr Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gut entwickelt, ein fünfter Bauabschnitt ist im Gange. Mit welchen Zielen und Bedenken sind Sie denn vor 35 Jahren angetreten?
Heiner Flocke: Man muss dazu sagen, dass wir uns bewusst dazu entschieden haben, uns selbstständig zu machen. Aber auch ich hatte schlaflose Nächte. Doch wir haben die Chance gesehen und genutzt, etwas in einer Branche zu tun, die längst noch nicht gesättigt war.
Gab es einen Tag, an dem Sie Ihre Entscheidung für die Selbstständigkeit in Frage gestellt haben?
Heiner Flocke: Nein, nie. Wir hatten die entsprechende Kompetenz, gute Partner und Kunden und, ganz wichtig, auch Glück. Zudem ist man in jungen Jahren vielleicht auch noch unbedarfter. Ich hatte in der Anfangszeit natürlich Bedenken, was passiert, wenn der erste Chip nicht funktioniert, der Kunde abspringt oder nicht zahlt oder noch schlimmer, selbst pleite geht. Doch rückblickend haben sich unsere Entscheidungen meist als richtig erwiesen, nicht nur aus technologischer, sondern auch aus strategischer oder personeller Sicht.
Nach über 35 Jahren im Geschäft: Was hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Geschäftswelt verändert?
Heiner Flocke: Damals wurden IC-Projekte nicht immer mehrfach ausgeschrieben, man hat sich getroffen, kennengelernt und Vertrauen ineinander gesetzt. So bekam man seine Chance. Über die Kosten wurde nicht tagelang diskutiert oder seitenstarke Verträge aufgesetzt. Lediglich die Deadlines wurden festgelegt. Und das Ganze hat gut funktioniert. Die Kunden, die uns damals diese Chance gaben, zählen auch heute noch zu unseren größten Kunden.
Wo sehen Sie heute den USP von iC-Haus?
Heiner Flocke: Eindeutig in unserer Performance und dass wir Produkte mit Alleinstellungsmerkmalen haben. Und ich würde sagen, iC-Haus ist heute Marktführer auf dem Gebiet der Positionselektronik (rotativ, magnetisch-optisch) und bei Lasertreibern, wobei es auch in Richtung autonomer Fahrzeuge geht.
Stichwort Entwicklung: Wo sehen Sie hinsichtlich der Weiterentwicklung von ICs noch Potenzial?
Heiner Flocke: Klar fragen wir uns, wie der Encoder in fünf oder zehn Jahren ausschaut. Wo die Trends hinsichtlich Größe, Elektronik, Integration, etc. liegen. Hier sehen wir Trends, auf die wir uns einstellen müssen. Nichts ist so, dass für alle Zeiten unverändert bleibt. Ein großer Schwung, für den wir aktuell die Vorbereitungen auch im Design treffen, ist Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0 und Safety. Wir haben heute als einer der Ersten ein IC vorgestellt, bei dem zwei Encoder redundant aufgebracht sind. Ich bin davon überzeugt, dass man in ein paar Jahren nicht mehr ohne integrierte Safety-Funktionenauskommen wird.
Gibt es Grenzen bei ICs?
Heiner Flocke: Schon, laut Moores Law sollte sich die Komplexität ja alle zwei Jahre verdoppeln. Dies wird sich ein wenig verlangsamen, doch die verschiedenartigen Applikationen werden stetig zahlreicher. Ich sehe für Mikroelektronik, ICs und deren Verbesserungen – gerade in Maschinebau orientierten Bereichen – ein unermessliches Potenzial.
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