Interview mit Christof Zollitsch, Geschäftsführer Stemmer Imaging GmbH
Industrie 4.0 – Vision oder Wirklichkeit?
Aus Anlass des zweiten Technologieforums Bildverarbeitung am 3. und 4. November sprach inspect mit Christof Zollitsch, Geschäftsführer bei Stemmer Imaging in Puchheim bei München. Spätestens seit der diesjährigen Hannover Messe beherrscht das Thema „Industrie 4.0“ die Schlagzeilen – nicht nur in der einschlägigen Fachpresse. Viele messen der Bildverarbeitung dabei die Rolle einer Schlüsseltechnologie bei. Das klingt nach goldenen Zeiten für die Branche.
inspect: Herr Zollitsch, „Industrie 4.0“ und das „Internet der Dinge“ sind in aller Munde. Inwieweit sprechen wir – Ihrer Einschätzung nach – hier von einer Vision für morgen oder von bereits heute realisierten Prozessen in der Industrie?
C. Zollitsch: Ziel von Industrie 4.0 ist ja die „intelligente Fabrik“, die unter anderem über Eigenschaften wie hohe Flexibilität, Lernfähigkeit und Ressourceneffizienz verfügen und den automatischen Datenaustausch zwischen den verschiedenen Systemen in der Fertigung ermöglichen soll. Seit dieses Schlagwort in aller Munde ist, wurden ja viele Anstrengungen unternommen, das Konzept in reale Anlagen umzusetzen und es gibt dabei sicher auch erste erfolgreiche Lösungen. Nach meiner Einschätzung ist Industrie 4.0 zum aktuellen Zeitpunkt jedoch noch deutlich im Stadium einer Vision und weit davon entfernt umfassend im Einsatz zu sein.
inspect: Welche Relevanz hat Machine Vision für die Industrie 4.0 und – umgekehrt – welchen Einfluss hat dies auf die aktuellen Entwicklungen in der Industriellen Bildverarbeitung?
C. Zollitsch: Aus meiner Sicht werden einige der Ziele von Industrie 4.0 in der Bildverarbeitungswelt bereits seit Jahren erfolgreich umgesetzt. Um ein Beispiel zu nennen: Selbstverständlich werden Prüfdaten aus der Herstellung von Blechen an Hersteller von Kfz-Karosserieteilen weitergegeben und sind ausschlaggebend dafür, ob diese Bleche für sichtbare Fahrzeugteile wie Kotflügel oder Motorhaube verwendet oder ob sie z.B. aufgrund von leichten Kratzern nur im nicht sichtbaren Bereich wie im Unterboden verbaut werden. Um den Anforderungen von Industrie 4.0 zu entsprechen, ist jedoch eine optimierte und direkte Vernetzung der Bildverarbeitung mit den Produktionsanlagen und eine geeignete Datenbankanbindung erforderlich. Nur so ist eine flexible Fertigungssteuerung möglich. Diese enge Einbindung der Bildverarbeitung ist auch Voraussetzung dafür, dass eine Nachverfolgbarkeit der Produktionsdaten gewährleistet ist, wie sie bei sicherheitsrelevanten Produkten wie z.B. Bremsen oder Lenkungsbauteilen an Fahrzeugen aus Haftungsgründen unabdingbar ist.
Viele industrielle Bildverarbeitungssysteme sind bereits heute mehr als nur reine Inspektionssysteme, da sie bei entsprechender Auslegung und Aufbereitung der Ergebnisse eine frühzeitige Erkennung von Trends in den Produktionsprozessen erlauben und so ebenfalls dem Gedanken von Industrie 4.0 entsprechen. So lässt sich z.B. die zunehmende Abnutzung eines Werkzeugs anhand steigender Fehlerzahlen oder an der fortschreitenden Verschlechterung der Qualitätsmerkmale der gefertigten Produkte erkennen. Insgesamt sehe ich die Bildverarbeitungstechnologie mit ihren großen Möglichkeiten als elementaren Bestandteil von Industrie 4.0: Ohne Bildverarbeitung ist dieses Konzept gar nicht realisierbar. Durch die hohen Anforderungen an sensorische Systeme stellt Industrie 4.0 aber auch eine große Chance für die Bildverarbeitung dar sich in der Produktion als Schlüsseltechnologie weiter zu etablieren. Bildverarbeitung ist wie keine andere Technologie in der Lage bestimmte Fehlertypen zu klassifizieren. Diese Fähigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für die flexible Fertigung im Sinne von Industrie 4.0.
inspect: Was bedeutet das konkret für Ihre Marktstrategie als Technologielieferant für die Bildverarbeitung – heute und in der nahen Zukunft?
C. Zollitsch: Wir wollen uns den Herausforderungen von Industrie 4.0 stellen und die damit verbundenen Chancen nutzen. Es ist von jeher ein wichtiges Ziel von Stemmer Imaging, durch die Zusammenarbeit mit führenden Herstellern von Bildverarbeitungskomponenten die optimale Anlaufstelle für alle Fragen rund um diese Technologie zu sein. Unsere Kunden sollen bei uns in Bezug auf die Komponenten, den zugehörigen Service und das vorhandene Know-how das Beste finden, was es am Markt gibt. Dies gilt auch in Verbindung mit Industrie 4.0: Wir werden die technischen Entwicklungen in diesem Bereich genau verfolgen und unsere Erfahrungen nach Möglichkeit mit einbringen, um auch hier im Sinne unserer Kunden immer auf dem neuesten Stand der Technik zu sein.
inspect: Inwieweit beeinflussen diese Entwicklungen Ihr Produkt-Portfolio? Gibt es oder gab es da Veränderungen oder Anpassungen?
C. Zollitsch: Aktuell halten sich die von Industrie 4.0 ausgelösten Veränderungen an Bildverarbeitungskomponenten noch in Grenzen. Es gibt aber bereits Initiativen, die unter anderem eine engere Zusammenarbeit zwischen der SPS- und der Bildverarbeitungswelt anstreben. Ziel ist hier eine verbesserte und einfachere Integration der Bildverarbeitung in die Fertigungsumgebung, was eine wesentliche Voraussetzung für Industrie 4.0 darstellt.
inspect: Was sollten potentielle Anwender von Bildverarbeitungssystemen heute bei der Beschaffung beachten, um ihre Investitionen möglichst zukunftssicher zu machen?
C. Zollitsch: In der heutigen Zeit werden nur noch sehr wenige Anlagen für die jahrelange Herstellung eines einzigen Produkts in hohen Stückzahlen entwickelt. Die Stückzahlen einzelner Serien nehmen häufig ab, deshalb müssen moderne Produktionsstraßen möglichst flexibel gestaltet werden, damit sie schnell und einfach auf andere Produkte umgestellt werden können. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Auswahl der integrierten Bildverarbeitung: Das Auge der Anlage muss in der Lage sein, Fehler auch bei wechselnden Produkten oder schnelleren Produktionszyklen noch sicher zu erkennen. Die Zusammenstellung eines Bildverarbeitungssystems wird damit auch zur Gratwanderung zwischen dem technisch Machbaren und dem wirtschaftlich Sinnvollen. Hier ist Erfahrung bei der Auswahl der Komponenten gefragt, die Stemmer Imaging seinen Kunden gerne zur Verfügung stellt.
inspect: Welche Hilfestellungen und welche speziellen Services können Sie Ihren Kunden hierfür anbieten?
C. Zollitsch: Wir unterstützen unsere Kunden durch vielfältige Maßnahmen bei der Realisierung wettbewerbsfähiger und damit erfolgreicher Systeme und Anlagen. Dazu zählt natürlich die direkte Beratung durch erfahrene Experten zu allen Aspekten der Bildverarbeitung in der Phase der Lösungsentwicklung, die wir bei Bedarf auch durch Machbarkeitsstudien untermauern. Wer zukunftssichere Anlagen bauen will, muss sich zudem auf eine langfristige Liefersicherheit einzelner Komponenten verlassen können. Unsere Kunden profitieren hier von der engen Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten und der Bedeutung, die Stemmer Imaging bei diesen Partnern hat. Aufgrund eigener Entwicklungskapazitäten im Bereich Hard- und Software sind wir darüber hinaus in der Lage, kundenspezifische Komponenten und Teillösungen zu realisieren, die unseren Kunden zu echten Alleinstellungsmerkmalen verhelfen können.
Unter den vielen weiteren Serviceleistungen, die wir anbieten, möchte ich ganz besonders unsere Schulungsaktivitäten hervorheben, die wir in der European Imaging Academy gebündelt haben: In unseren laufenden Trainings zu allen wichtigen Aspekten der Bildverarbeitung schulen wir unsere Kunden und Interessenten und machen sie auf diese Weise fit für die Bildverarbeitung. Das große Interesse an unserem Technologieforum der Bildverarbeitung, das jetzt am 3. und 4. November in Oberschleißheim bei München zum zweiten Mal stattfindet, zeigt deutlich, dass bei den Anwendern dieser Technik ein immenser Wissensdurst vorhanden ist. Ich finde das nicht überraschend: Bildverarbeitung ist ein wichtiger Schlüssel zur Entwicklung erfolgreicher Anlagen. Wer zu diesem Thema mehr weiß als sein Wettbewerb, ist auf dem besten Weg zum Erfolg.
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