Automatisierung

Automatische Inspektion und Fehlererkennung von Lackoberflächen

28.05.2015 -

Ein Fehler im Lack eines Neuwagens ist mehr als ärgerlich - sowohl für den Kunden als auch für den Automobilhersteller. Ein reproduzierbares, vollautomatisches Messsystem, das auf dem Prinzip der Deflektometrie beruht, erkennt daher entsprechende Defekte direkt nach der Lackierung und reduziert somit die Kosten für die Beseitigung solcher Schäden auf ein Minimum.

Ein Autokauf ist eine emotionale Angelegenheit: So ist ein potentieller Käufer nur dann bereit den vollen Preis zu zahlen, wenn er vom Gegenwert der Ware überzeugt ist. Speziell bei Fahrzeugen spielt die optische Perfektion dabei die entscheidende Rolle. Selbst ein relativ kleiner Fehler im ansonsten makellosen Lack lässt den Interessenten an seiner Kaufentscheidung zweifeln. Und trotz optimierten Lackierungstechniken ist dies heute keine seltene Situation.


Um derartige Szenarien zu vermeiden, treiben Fahrzeughersteller einen hohen Aufwand für die Oberflächenüberprüfung. Spezielle Lichttunnel werden verwendet, um Belichtungsbedingungen zu schaffen, mit denen eine Defekterkennung bis in den zehntel Millimeterbereich möglich wird. Doch trotz aller technischen Hilfsmittel sind visuelle Sichtkontrollen nie zuverlässig. Bekanntlich variiert die Erkennungsrate mit der Tageszeit und wird stark von menschlichen Eigenschaften wie Ermüdung oder Konzentrationsschwankungen beeinflusst. Der Sensorspezialist Micro-Epsilon löst dieses Problem mit dem Messsystem ReflectControl. Die manuelle Sichtkontrolle wird durch ein reproduzierbares vollautomatisches System ersetzt, das ähnlich wie ein Lichttunnel arbeitet. Basierend auf dem Prinzip der Deflektometrie, wird die Oberfläche des Fahrzeuges als Spiegel verwendet. Eine Lichtquelle erzeugt wechselnde helle und dunkle Streifen auf dem Fahrzeug. Lackdefekte verursachen Verzerrungen in den gespiegelten Bildern, die automatisch erfasst und klassifiziert werden.

Alternativ können die erkannten Defekte auch automatisch am Fahrzeug markiert werden, was die Nacharbeit erleichtert. Durch die zuverlässige Erkennung von Defekten direkt nach der Lackierung reduziert das Messsystem die Anzahl der Defekte, die in die nachfolgenden Produktionsstufen übernommen werden auf ein Minimum. Angesichts exponentiell steigender Kosten für die Beseitigung eines Defekts, je später er im Prozess entdeckt wird, bietet das System laut Hersteller ein jährliches Einsparpotenzial in Millionenhöhe für jeden Automobilisten.

Prinzip der Deflektometrie
Im Gegensatz zu herkömmlichen optischen Ansätzen, bei denen die Oberfläche von einer Punktlichtquelle beleuchtet und das diffus reflektierte Licht von einer Kamera aufgenommen wird, verwendet die Deflektometrie eine Fläche als Lichtquelle, deren Direktreflexion ausgewertet wird. Grundsätzlich erlaubt dieser Ansatz erst die Inspektion von Objekten mit hochglänzenden Oberflächen, wie zum Beispiel lackierte Teile eines Fahrzeuges, wo alternative Ansätze mit der Auswertung von diffuser Reflexion versagen. Zudem reagiert das System sehr empfindlich auf Änderungen in der Oberflächenkrümmung, was die präzise Fehlererkennung im Bereich weniger Mikrometer erst ermöglicht. Doch Deflektometrie ist nicht gleich Deflektometrie: Das Herzstück der Defekterkennung bildet die verwendete Multi-Image Aufnahme. Dazu erzeugt der Monitor ein sinusförmiges Streifenmuster, das in mehreren Phasenschritten verschoben wird, wobei die Kameras jeweils eine Aufnahme der Oberfläche machen. Anschließend wird das Muster um 90° gedreht und der Vorgang wiederholt.

Dieser Prozess der Datenaufnahme ermöglicht eine perfekt gleichmäßig hohe Auflösung über die gesamte Oberfläche. Dadurch wird jeder Fehler unabhängig von der Position auf der Oberfläche und seiner Ausrichtung erkannt. Zudem werden unvermeidbare statistische Fehlereinflüsse der Bilder nicht als Pseudo-Fehler eingestuft, da sich diese bei der Verrechnung der Bilder selbstständig aufheben. In Verbindung mit komplexen Bildverarbeitungsalgorithmen erkennt ReflectControl alle Defekte, die typischerweise auf der Fahrzeugkarosserie zu finden sind, so zum Beispei Berührungen, Einschlüsse/Wölbungen, einlackierte Fussel/Haare, Kleberückstände, Sprenkelungen, Krater, Lackablösung, Lacktropfen, Läufer, Nadelstiche, Overspray, Pressfehler, Riefen, Rohbaufehler, Schieberabzeichnungen, Schleiffehler, Schweißperlen, Spucker, Stippen, Teil-/Magerlackierung, Verschmutzungen und Wassertropfen.

Prüfung von bis zu 60 Fahrzeugen pro Stunde
Die Inspektion der gesamten Karosserie auf Defekte bis zu 0,3 mm Größe findet bei einer typischen Produktionsgeschwindigkeit von 40 bis 60 Fahrzeugen je Stunde statt. Um dies bewältigen zu können, wird ReflectControl in der Linie an bis zu vier parallel arbeitenden Robotern appliziert. Alle Systeme sind mit einem großen Monitor und vier Kameras ausgestattet. Jede Kamera nimmt acht Bilder pro Messposition auf, wobei jede Prüfung weniger als 1s dauert.

Bei üblichen Robotergeschwindigkeiten können somit rund 30 Positionen innerhalb eines 60 Sekunden Zeitfensters überprüft werden. Mit dem Einsatz von 2MP-Kameras entstehen insgesamt etwa sieben Milliarden Grauwerte, die für jedes Fahrzeug aufgezeichnet und zeitnah verarbeitet werden müssen. Dies kann nur durch optimierte Software in einem dezentralen System erledigt werden.

Das Oberflächeninspektionssystem ReflectControl Automotive ist in mehreren Linien im 3-Schicht-Betrieb zur Lackfehlerkontrolle von 100 Prozent der gefertigten Modelle im Einsatz. Generell kann die Technologie überall dort genutzt werden, wo spiegelnde und glänzende Oberflächen auf Fehler überprüft werden müssen. Weitere Einsatzbeispiele sind die Oberflächenqualitätskontrolle von Displays oder Präzisionsoptiken, die zum Beispiel in modernen Weltraumteleskopen zum Einsatz kommen.

 

Kontakt

Micro-Epsilon Messtechnik GmbH & Co. KG

Königbacher Strasse 15
94496 Ortenburg
Deutschland

+49 8542 168 0
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