Automatisierung

Sichere Void-Erkennung mit schnellem Inline-Röntgensystem

Automatische Röntgeninspektion von Leiterplatten

18.12.2020 -

Auch wenn die Technologien verschieden sind, kommt es bei automatischen Inline-Röntgensystemen (AXI) unter dem Strich genauso wie bei der automatischen optischen Inspektion (AOI) auf das schnelle Handling der Baugruppen und eine hohe 3D-Bildqualität an. Ein Beispiel für den gezielten Einsatz von Röntgeninspektion ist die sichere Erkennung von Lötfehlern auf Leiterplatten, wie im Falle von elektronischen Produkten mit Ball Grid Arrays (BGAs) oder Licht emittierenden Dioden (LEDs).

Lötfehler, wie Lunker oder Hohlräume (sogenannte Voids), auf Leiterplatten können unterschiedliche Ursachen haben. Die Röntgeninspektion ist allerdings die einzige zerstörungsfreie Methode, um diese kleineren und größeren Einschlüsse in Lötstellen exakt zu lokalisieren. Lotpasten unterscheiden sich je nach Zusammensetzung in ihrem Verhalten, welches zusätzlich auch von den Materialien abhängt, mit denen sie im Fertigungsprozess fest verbunden werden. Schadstoffe etwa, die auf der Leiterplatte nach einer Reinigung zurückgeblieben sind, gelten als eine der Ursachen für Voids. Und wurde Lotpaste zu lange gelagert, kann das unter Umständen ebenfalls zu entsprechenden Qualitätsverlusten führen. Als weitere Einflussgröße kommen die spezifischen Parameter hinzu, die im Rahmen der Fertigung am Reflow-Ofen gewählt werden. Hat zum Beispiel in der Lötstelle eingeschlossenes Flussmittel zu wenig Zeit, um während des Lötprozesses nach außen zu entweichen, können sich solche Einschlüsse bilden.
Als Handlungshilfe für Anwender, um ihre Prozesse zu optimieren, dienen die Richtlinien des Elektronik-Fachverbands IPC: Anforderungen an gelötete elektrische und elektronische Baugruppen sind in der IPC J-STD-001 und Abnahmekriterien für elektronische Baugruppen in der IPC-A-610 beschrieben. Speziell für BGAs findet man in der IPC-7095D hilfreiche Informationen zu Voids und zur Void-Vermessung.

Auf Erfahrung beruhende Grenzwerte

Eine Standardeinstellung in der Inspektions-Software von Viscom für BGA-Lötstellen ist zum Beispiel, dass die Summe der Fläche aller Voids die Grenze von 25 Prozent der Lötfläche nicht überschreiten darf. „Dieser voreingestellte Grenzwert beruht auf langjähriger Erfahrung bei Viscom, ist aber selbstverständlich je nach spezifischer Prüfaufgabe in der Fertigung individuell veränderbar“, erläutert Axel Klapproth, Leiter Applikation Geschäftsbereich Serienprodukte von Viscom. Durch die 3D-Inline-Röntgeninspektion erhält der Anwender horizontale und vertikale Schichten des Prüfobjekts, was im Bereich der Vermessung von Voids neue Möglichkeiten eröffnet. Interessant sind zum Beispiel die Abstände zwischen Substrat und Bauteil. Zum BGA etwa ist in der IPC-7095D unter anderem nachzulesen, dass die Lage der Hohlräume in der Lötstelle weitaus kritischer sein kann als ihre Größe und Anzahl. Kleine Lücken an der Grenze der Lötstelle zur Kontaktfläche können demnach entscheidenden Einfluss auf die Bruchstelle haben, sobald ein Riss erstmal beginnt.
Im Rahmen einer Prozessqualifizierung lassen sich mithilfe der Void-Messergebnisse verschiedene Lotpasten, Reflow-Einstellungen oder auch unterschiedliche Oberflächen so lange testen und statistisch untermauern, bis festgelegte Ziele tatsächlich erreicht werden. Moderne Software ermöglicht es dabei, einzelne Voids zu vermessen und den gesamten prozentualen Void-Anteil zu berechnen sowie Ergebnisse übergreifend auszuwerten.

3D-Röntgeninspektion am Beispiel ­von LEDs

Um festgelegte Grenzwerte dann im laufenden Fertigungsprozess konstant einzuhalten, muss die Inspektion auch hier sehr verlässlich und genau sein. Das Ziel ist es schließlich, sehr gute Lötstellen in jedem gefertigten Produkt zu erhalten. Dass Voids die Produktqualität beeinträchtigen können, ist zum Beispiel auch bei LEDs bekannt. Für Licht emittierende Dioden gibt es heute von der Innenbeleuchtung bis hin zu Straßenlaternen und Displays unzählige Einsatzmöglichkeiten und für Industriedesigner bei der Umsetzung ihrer Lichtideen viel Spielraum. Schon vergleichsweise früh hat die Automobilindustrie auf diese Technologie gesetzt, sodass sie schon lange in Leuchten, Blinkern und Scheinwerfern von Fahrzeugen zu finden ist. Bekannte Vorteile sind die lange Lebensdauer, die hohe Lichtausbeute und der niedrige Energieverbrauch.

Wärmeabführung ist entscheidendes Qualitätsmerkmal

LEDs strahlen zum einen Licht und zum anderen Wärme aus. Entscheidend für ihre Qualität und Langlebigkeit ist die schnelle Abführung dieser Wärme. Wenn man dazu in der IPC-A-610, Ausgabe G, nach Standards sucht, findet man zu Bauteilen mit Unterseiten-Anschlüssen an Wärmesenken den Hinweis, dass Abnahmekriterien für den nicht sichtbaren Bereich der Lötstellen der thermischen Ebene dort nicht beschrieben sind und durch eine Vereinbarung zwischen Anwender und Hersteller festgelegt werden müssen. Für die Wärmeübergangsschicht sind diese demnach prozess- und design­abhängig, wobei unter anderem Anwendungshinweise der Bauteilhersteller (application notes), Lotabdeckung, Poren, Lothöhe und so weiter berücksichtigt werden. Beim Verlöten dieser Bauteiltypen lassen sich Poren und Blasen in der thermischen Ebene nicht vollständig vermeiden. Insbesondere Voids, also Hohlräume in den Lötstellen, können aber verhindern, dass die Wärme vom Chip und der Sperrschicht des Halbleiterbauelements optimal abgeleitet wird. Stark abhängig von der Sperrschichttemperatur sind die Lebensdauer (Betriebsstunden), die Wellenlänge (Farbe) und auch die Lichtausbeute (Helligkeit) der LEDs.

Hohe Effizienz bei strengen Vorgaben

Gerade im Automotive-Bereich sind Fertigung und Kontrolle mit LEDs bestückter Leiterplatten oft bei EMS-Dienstleistern (Electronic Manufacturing Services) angesiedelt. Diese müssen strenge Vorgaben ihrer Auftraggeber erfüllen und gleichzeitig möglichst effizient produzieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. „Es sind in diesem Fall die Markenhersteller, die in entsprechenden Datenblättern sehr genau festlegen, wie groß der Void-Anteil in den Lötstellen prozentual sein darf. Dasselbe gilt beispielsweise auch für die Anzahl und Größe von Lotperlen, wo bei LEDs ebenfalls mithilfe des Inline-Röntgens Grenzwerte sicher eingehalten werden“, so Vertriebsingenieur Andreas Gladis, der für Viscom die Kundenbetreuung und den Ausbau des Kundenstamms in zahlreichen Ländern Süd- und Südosteuropas verantwortet. Zur Void-Vermeidung tragen zum Beispiel Prozessöfen mit Vakuumkammer bei. Sehr gut erkennen kann man sie wiederum, wie bei BGAs so auch bei LEDs, mit 3D-Röntgengeräten. Während für die Stichprobenprüfung ein vielseitig einsetzbares manuelles System ausreicht, erfolgt die hundertprozentige vollautomatische Inspektion mit einem System in der Fertigungslinie. Die von außen verborgenen Voids kann man auf diese Weise vollständig erfassen und analysieren.

Konzept mit parallelem Leiterplatten-Handling

Inline-Röntgensysteme müssen für das menschliche Auge nicht sichtbare Fehler zuverlässig aufzeigen, entwickeln sich aber auch mit den steigenden Geschwindigkeitsanforderungen in der Elektronikfertigung unaufhaltsam weiter. Hier lassen sich ­heute zum Beispiel Handlingzeiten von bis zu vier Sekunden erreichen indem bis zu drei Leiterplatten gleichzeitig im 3D-AXI-System inspiziert werden. Schnellere 2D- und 2,5D-Prüfungen lassen sich beliebig mit Prüfungen in 3D kombinieren. Besonders bei beidseitig bestückten Leiterplatten gibt es sehr komplexe Überdeckungen. In diesem Fall können mithilfe einer 3D-Rückrechnung auch bei Abschattung durch Bauteile oder bei Multilayer-Boards alle wesentlichen Merkmale in klaren Schnittbildern deutlich sichtbar gemacht werden. Während in ­einem 2D-Röntgenbild immer auch Details der Rückseite zu sehen sind, gibt es im 3D-Schichtbild keine störenden Strukturen mehr. Dabei wird das Erstellen von Prüf­programmen vereinfacht und Pseudofehlern entgegengewirkt. Zur besseren Verifikation gehen die Möglichkeiten eines 3D-AXI-Systems heute je nach Software auch so weit, dass mithilfe der planaren Computertomografie Teil- oder Komplettvolumina der untersuchten Lötstellen erzeugt werden können, die der Anwender dann am Bildschirm flexibel kippen, drehen und zoomen kann.

Röntgen und optische Inspektion ergänzen sich

Damit wird die Relevanz von 3D-AOI keinesfalls in den Schatten gestellt. Um beim Beispiel LEDs zu bleiben: Gerade im Einsatzfeld Automotive gibt es auch sehr genaue Vorgaben für Positionierung und Ausrichtung. Fehler wie minimale Nicht-Koplanarität und Versatz der immer kleiner werdenden LED-Bauteile müssen sicher erkannt werden. „Mit Inspektionssystemen von Viscom ist es heute zum Beispiel möglich, die Position der Licht-emittierenden Fläche sehr genau zu bestimmen, bezogen auf die Bohrungen zur Befestigung am Fahrzeug und die Referenzmarken, sogenannten Fiducials. Dabei wird das Leiterplattenkoordinatensystem in das Koordinatensystem der Befestigungsbohrungen überführt“, so Andreas Gladis. Für die absolute Präzision und Wiederholgenauigkeit der 3D-AOI kann eine exakt gefertigte Höhenstufe als Target dienen, die ein dafür spezialisiertes Labor mit entsprechenden Geräten hochgenau vermisst und zertifiziert. Die automatische optische Inspektion trägt damit ebenfalls entscheidend zur Qualitätssicherung bei. Verdrehungen, x-/y-Offset und Verkippungen lassen sich mit 3D-AOI sehr gut detektieren.

Verschiedene Prüfmethoden im optimierten Prozess

3D-AOI und 3D-AXI sind seit vielen Jahren in optimierter Form innerhalb einer Maschine realisierbar. Leiterplatten bewegen sich schnell und nahezu parallel zwischen den beiden Inspektionsbereichen. Das Konzept ist darauf ausgelegt, die Anteile der verschiedenen Prüfmethoden je nach Bedarf flexibel zu kombinieren. Eine vernetzte Auswertung zusammen mit Ergebnissen aus der Lotpasteninspektion (3D-SPI) verbessert zudem den Prozess.
Die Inspektion von Baugruppen in der Elektronikfertigung ist in ihrer Gesamtheit ein Vorzeigebeispiel für erfolgreich umgesetzte Industrie 4.0: Intelligente 3D-SPI-Systeme kommunizieren mit Pastendruckern und Bestückern. Ergebnisinformationen und Bilddaten aus unterschiedlichen Prüftoren sind an angebundenen Verifikationsplätzen auch für mehrere Fertigungslinien schnell abrufbar und die statistische Prozesskontrolle gibt eine Übersicht über Fehlerverteilungen innerhalb gesetzter Toleranzgrenzen. Die Datenanalyse von erfassten Pseudo- und Echtfehlern liefert wertvolle Erkenntnisse, ob Änderungen im Prozess notwendig sind oder ob zum Beispiel ein Bauteiltyp besonders fehleranfällig ist. Anhand der großen Mengen an Informationen, die Inspektionssysteme für jede einzelne Baugruppe bereitstellen, lassen sich außerdem Querbezüge entlang der gesamten Fertigung herstellen.

Kontakt

Viscom AG

Carl-Buderus-Str. 9 - 15
30455 Hannover

+49 511 94996 0
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