Automatisierung

Notbremsassistent rettet Leben

Fußgänger-Schutz mit Stereokameratechnik

16.11.2011 -

Statistiken zeigen, dass Fußgänger im Straßenverkehr noch immer stark gefährdet sind. Aus diesem Grund entwickelt Continental jetzt eine neue Stereokamera, die Fußgänger erkennt, bevor es zu einem Unfall kommt. Ein Notbremsassistenzsystem kann dann eine autonome Bremsung einleiten.

Von den 35.050 Personen, die 2009 im europäischen Straßenverkehr umkamen, waren 6.853 Fußgänger. 70 % davon starben innerhalb einer Stadt oder Ortschaft. Denn das größte Problem im urbanen Straßenverkehr ist die Ablenkung. Ein Moment der Ablenkung reicht aus, um einen Unfall zu verursachen. Hier sind Fußgänger und Radfahrer besonders gefährdet. Die Europäische Union hat auf diesen Sachverhalt reagiert und mehr Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer gefordert, um Unfälle möglichst ganz zu verhindern. Da dies bislang nicht möglich ist, besteht das Zwischenziel zumindest darin, den Aufprall abzumildern. Sogenannte Bremsassistenten sollen den Fahrer in Situationen unterstützen, in denen er zwar auf die Bremse tritt, aber eben nur halbherzig. Wie jedoch aus einer Studie hervorgeht, hat in 37 % aller Fußgängerunfälle mit Todesfolge der Fahrer nie das Bremspedal berührt. Weitere Verbesserungen sind daher nur mit einem vorausschauenden Notbremsassistenzsystem möglich. Continental entwickelt zu diesem Zweck eine Stereokamera, basierend auf einem 6D-Objekterkennungsalgorithmus des Fahrzeugherstellers Daimler, die Hindernisse jeder Art - insbesondere Fußgänger - erkennen kann.

Vorteile des räumlichen Sehens

Wir alle können durch unsere zwei Augen räumlich sehen - unser Gehirn vergleicht die kleinen Unterschiede zwischen den Bildern des linken und des rechten Auges und kann mit ihrer Hilfe Entfernungen gut abschätzen. Eine Stereokamera funktioniert nach dem gleichen Prinzip: Zwei CMOS-Kameras sind im definierten Abstand von 22 cm voneinander montiert. Ein Megapixel-Chip in jeder Kamera liefert Grauskala- und Farbdaten, die anschließend in der Kamera selbst ausgewertet werden. Die Bilder werden miteinander abgeglichen und korreliert. Wird ein Bereich mit ähnlichen Merkmalen von beiden Kameras identifiziert, ist dies die erste Bestätigung eines potentiellen Objekts bzw. Hindernisses.
Doch das Zweiaugenprinzip der Stereokamera hat mehr zu bieten. Anhand der Parallaxenverschiebung zwischen den beiden optischen Lichtwegen kann die Distanz zum potentiellen Objekt direkt berechnet werden. Das Ganze erfolgt mit beeindruckender Präzision: Die Distanzbestimmung geschieht über 20-30 m mit einer Toleranz von nur 20-30 cm. Im Gegensatz zum Radar steht diese Auflösung auch in Situationen zur Verfügung, in denen sich mehrere Objekte nahe beieinander befinden, z.B. parkende Autos. Die Radartechnik hat aufgrund der diffusen Signalrückstreuung Schwierigkeiten, solche benachbarten Objekte voneinander zu trennen. Monokameras wiederum können Distanzen nur schätzen - und dies nur bei Objekten, die sie vorher zu identifizieren gelernt hat. Zwar bietet diese Technik eine annehmbare Leistung für die Erkennung eines Fahrzeughecks und deutlich sichtbarer Fußgänger, aber ungewöhnliche Objekte, wie teilweise verdeckte oder nur seitlich sichtbare Fahrzeuge bzw. Fußgänger, die zwischen parkenden Fahrzeugen hervorkommen, werden nicht identifiziert.

6D statt 3D

Ein weiterer Vorteil der Stereokameratechnik von Continental ist die Analyse der Bewegungsrichtung der Objekte. Der optische Bewegungsfluss äußert sich als Pixelbewegung auf der horizontalen, vertikalen und longitudinalen Achse. Relevante Objekte werden somit anhand gemeinsamer Merkmale in sechsdimensionaler Wahrnehmung bestimmt und charakterisiert. Dadurch bekommt die Objekterkennung eine hohe Robustheit und Fahrerassistenzsysteme damit eine Funktionssicherheit, die auch eine autonome Bremsung ermöglicht. Im Vergleich mit heutigen Sicherheitssystemen wird sich damit die Anzahl der Unfallszenarien, die man adressieren kann, vervielfachen.
Gemäß einer Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) können aktuelle Bremsassistenten bei realistischer Betrachtung etwa 6 % aller schweren Unfälle verhindern. Fügt man die vorausschauende Funktionalität hinzu, verdoppelt sich der Wert auf 12 %. Vermeidet der vorausschauende Notbremsassistent auch Unfälle mit Fußgängern bzw. Radfahrern und entgegenkommenden oder kreuzenden Fahrzeugen, erhöht sich das Potential zur Vermeidung schwerer Unfälle auf etwa 41 %. Die Stereokameratechnik von Continental ist Voraussetzung zur Ausschöpfung dieses Potentials.

Fußgängererkennung: ein Anfang

Das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr schreibt vor, dass der Fahrer stets die Kontrolle über sein Fahrzeug und das Verhalten seiner Systeme behalten muss. Infolge dessen wird heute eine autonome Notbremsung mit maximaler Verzögerung der Bremsenanlage nur ausgelöst, wenn eine Kollision offensichtlich unausweichlich ist. In der Praxis sind das deutlich weniger als eine Sekunde vor dem Aufprall. In Anbetracht dieser knappen verfügbaren Zeit liegt es auf der Hand, dass die Hinderniserkennung äußerst zuverlässig erfolgen muss. Die Stereokamera mit 6D-Objektklassifizierung erfüllt diese Anforderung. Sie erkennt aber nicht nur Fußgänger oder andere Hindernisse jeglicher Art, sie kann auch die Fahrbahn vermessen und im besten Fall nach einem möglichen Ausweichweg suchen. Existiert keine solche Möglichkeit, können das Kollisions-Warnsignal und die unfallvermeidende Notbremsung früher ausgelöst und somit mehrere Hundert wertvolle Millisekunden zur Abbremsung gewonnen werden - die Leben retten können.

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