Automatisierung

Trotz Tarnung entdeckt

Layout-unabhängige Fehlererkennung von Leiterplatten durch AOI-Systeme mit Schrägblickinspektion

21.05.2010 -

Systeme zur automatischen optischen Inspektion (AOI) sind im Fertigungsprozess von elektronischen Baugruppen zu einem wesentlichen Bestandteil für die Qualitätssicherung geworden. Um die Leiterplatten auch unabhängig von deren Layout und Bestückung zu kontrollieren, ist eine Schrägblickinspektion erforderlich. Doch ein solches Modul ist nicht ganz einfach zu entwickeln, weiß Göpel electronic aus Erfahrung.

Bei der Fertigung elektronischer Baugruppen gehören Lifted Leads (oder Pin-Auf-Lieger) zu den kritischen Fehlern. Sie entstehen beispielsweise durch hochgebogene Pins im Vergleich zu den Nachbarpins oder durch verminderte Benetzung, wenn ein Pin oxidiert ist. Im elektronischen Funktionstest nach der Montage kann durchaus ein elektrischer Kontakt zwischen Pins und Pad möglich sein. Im realen Einsatz kann dies jedoch zu Unterbrechungen und damit zum Funktionsausfall der Baugruppe führen. Diese Lifted Leads gehören nicht nur in die Kategorie kritische Fehler, sie sind zudem schwer identifizierbar, da sich ihre Erscheinungsbilder stark unterscheiden. Zahlreiche Parameter beeinflussen die Ausprägung der Lifted Leads und der Lötstelle. Dazu gehören Länge und Breite des Pads, ebenso wie die Höhe des Pins und die Eigenschaften des Lots: das Fließverhalten, die Menge und der Lot-Anfluss am Pin. Auf diese Weise ergeben sich zahlreiche Kombinationen und damit Erscheinungsformen. In der Praxis können auch Lifted Leads auftreten, welche sich durch eine orthogonale Inspektion erkennen lassen. Dies ist jedoch maßgeblich vom Layout der Baugruppe und von der verwendeten Lotmenge abhängig.

Ein schräger Blick genügt noch nicht
Bei Inspektionssystemen gilt der Schrägblick als das Systemdesign für die maximale Fehlererkennung. Doch eine kritische Betrachtungsweise von AOI-Systemen mit Schrägblickmodul ist notwendig, da verschiedene Parameter unterschiedliche Auswirkung auf dessen Leistungsfähigkeit haben:
Das Betrachtungsfeld des Schrägblicks ist verantwortlich für die Prüfgeschwindigkeit des Gesamtsystems. Da bei komplexeren Baugruppen mit einer größeren Zahl von ICs der nahezu flächendeckende Einsatz des Schrägblicks benötigt wird, ist das Field-Of-View (FOV) entscheidend für die benötigte Prüfzeit.
Die Schärfentiefe und Bildqualität des Schrägblicks ist sowohl über das gesamte Betrachtungsfeld auf der Baugruppe als auch in Hinblick auf die Höhen-Ausdehnung der Bauteile von entscheidender Bedeutung und wirkt sich maßgeblich auf die Inspektionsqualität und -geschwindigkeit aus. So gibt die alleinige Bewertung von Frontmenisken an Pin-Lötstellen nur einen begrenzten Gewinn an Informationen hinsichtlich der Lötqualität. Eine seitliche Betrachtung der IC-Pins hingegen ermöglicht eine optische Inspektion, welche einer IPC-konformen Prüfung deutlich näher kommt.

Ausreichende Auflösung
Speziell für die Prüfung von Fine-Pitch ICs bis 0,3 mm Rastermaß ist eine ausreichende Auflösung für eine sichere Fehlerkennung notwendig. Befinden sich vor den zu inspizierenden Pins höhere Bauteile, ergeben sich Verdeckungen bei einer schrägen Betrachtungsweise. Teilweise wird versucht, diese Situation durch Design-Richtlinien zu umgehen, doch ist deren Umsetzbarkeit nicht gegeben.
Eine mögliche Durchbiegung der Leiterplatte während des Prüfvorgangs kann einen Versatz der Prüfpositionen im Kamerabild der Schrägblick-Aufnahme hervorrufen. Geeignete Kompensationsalgorithmen wirken diesem Effekt entgegen.
Bauteile in Winkellagen ungleich von 90°-Schritten stellen einen erhöhten Aufwand hinsichtlich der Programmierzeit dar, da in der Bibliothek keine Prüfdefinitionen vorhanden sind und eine manuelle Anpassung notwendig ist.
Neben der Bildaufnahme mittels Schrägblick ist eine intelligente Prüffunktion notwendig, welche eine sichere Fehlererkennung unter allen oben genannten Umständen bei minimaler Pseudofehlerrate ermöglicht.

Von Anwendern unterstützt
Als Basis für die Entwicklung eines leistungsfähigen Schrägblickmoduls erstellte Göpel electronic für eine fundierte Projektbearbeitung einen Katalog, welcher über sämtliche Erscheinungsformen von Lifted Leads und deren Kombinationen verfügt. Auf Grundlage dieses Katalogs ergänzte das Unternehmen in enger Zusammenarbeit mit Anwendern die einzelnen Kategorien der Erscheinungsformen durch reale Muster. Daraus entstand ein Fundus von mehreren tausend Lifted Leads unterschiedlicher Ausprägungsformen. Auf dieser Basis entwickelte Göpel electronic ein Aufnahmeverfahren, welches in der Lage ist, alle katalogisierten Lifted Lead Varianten zu erkennen und das unter verschiedenen Betrachtungs- und Beleuchtungsrichtungen.
Aus den ermittelten Anforderungen wurde ein Schrägblickmodul entwickelt, welches sich durch ein großes Betrachtungsfeld von 42 x 42 mm bei hoher Bildqualität und Tiefenschärfe sowie einer Auflösung von bis zu 10,5 µm/Bildpunkt auszeichnet. Die mit diesem Modul aufgenommenen Bilder waren wiederrum Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Algorithmus, der die automatische Erkennbarkeit dieses Fehlertyps unter sämtlichen Rahmenbedingungen ermöglicht. Dabei wurde besonderen Wert auf eine IPC-nahe Lötstellenanalyse gelegt, was nur bei einer seitlichen Betrachtungsweise der IC-Pins funktioniert. Diese bietet die Möglichkeit, zwei gegenüberliegende Pin-Reihen eines ICs gleichzeitig zu prüfen. Dadurch ergibt sich ein signifikanter Prüfzeitvorteil, da z.B. für einen SO-IC die Bildaufnahme nur aus einer Richtung notwendig wird. Selbst bei Bauelementen mit Pins an allen vier Seiten sind nur zwei um 90° versetzte Inspektionen notwendig.

Verifikation des Algorithmus
Die abschließende Verifikation verlief erfolgreich: Alle verfügbaren, realen Lifted Lead Muster konnten inklusive Fertigungseinsatz zu 100% erkannt werden, ohne die Pseudofehlerrate zu erhöhen. Bei der Entwicklung des Schrägblickmoduls wurde der mögliche Einsatz in kritischen Bestücksituationen berücksichtigt, z.B. bei Verdeckung durch höhere Bauteile. Auch die Prüfung von Bauelementen in beliebigen Winkellagen bedachten die Ingenieure. Aufgrund dieser Überlegungen wurde die Drehbarkeit der Blickrichtung in 1° Schritten über einen Bereich von 360° in das Modul integriert.
Der Nutzen für den Anwender zeigt sich dabei in folgenden Punkten: Bauteile, welche sich in unterschiedlichen Winkellagen auf der Leiterplatte befinden (z.B. 20°) benötigen keine Anpassung der Prüfpositionen und -parameter, da die Blickrichtung lediglich auf die entsprechende Winkellage (z.B. 20°) gedreht werden muss und die Prüfung dann mit einem Standard-Bibliotheksmodell in 0°-Lage vorgenommen werden kann. Sollte die Blickrichtung auf die Lötstellen durch davor stehende Bauteile versperrt sein, so besteht die Möglichkeit, durch eine Drehung um wenige Grad an diesen Bauteilen vorbeizuschauen und somit trotzdem eine sichere Erkennung zu ermöglichen.

Zusammenfassung
Für die Gewährleistung höchster Qualitätsansprüche bei der Fertigung elektronischer Baugruppen garantiert eine leistungsfähige Schrägblickinspektion die Layout-unabhängige und sichere Fehlererkennung. Die Größe des aufgenommenen Betrachtungsfeldes beeinflusst dabei maßgeblich die Prüfgeschwindigkeit des AOI-Systems. Das freie Drehen der Blickrichtung in einem Bereich von 360° gestattet zusätzlich eine komfortable Prüfung von Lötstellen, welche möglicherweise durch davor liegende Bauteile verdeckt sind.
Eine modulare Integration sowohl in in-line als auch in stand-alone AOI-Systeme bietet die Möglichkeit, dieses Modul zur signifikanten Qualitätssteigerung selbst bei kleinsten Losgrößen einzusetzen.

Kontakt

Göpel electronic GmbH

Göschwitzer Str. 58/60
07745 Jena
Deutschland

+49 3641 6896 0
+49 3641 6896 944

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