Zerstörungsfreie Prüfung von Kunststoffen mit Terahertz-Messtechnik
Blick hinter die Kulissen
Kunststoffe sind ein wesentlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens und können für ihren jeweiligen Einsatzzweck "maßgeschneidert" werden. Je nach Bedarf werden mechanische Festigkeit, Zähigkeit, Temperaturbeständigkeit oder chemische Resistenz immer weiter verbessert, was zu immer leistungsfähigeren Produkten führt. Hier kann die zerstörungsfreie Prüfung mittels vollelektronischer Terahertz-Technik einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung der gewünschten Materialeigenschaften leisten.
Allein bei Mittelklasse-Autos sind inzwischen 1.700 von insgesamt 5.000 Einzelteilen aus Kunststoff. Besonders die Kombination der herausragenden Eigenschaften mit der Korrosionswiderstandsfähigkeit, der Verarbeitbarkeit und der Verfügbarkeit von gut etablierten Massenproduktionstechniken wie Extrusion, Spritzguss und Blasformen tragen zum anhaltenden Erfolg des Kunststoffs bei.
Zur zerstörungsfreien Prüfung von Kunststoffen werden bislang Röntgen, Ultraschall, Thermographie und Mikrowellen eingesetzt. Alle diese Methoden haben ihre individuellen Vor- und Nachteile. Röntgen erfordert einen beidseitigen Probenzugang und besondere Strahlenschutzmaßnahmen. Mit Ausnahme von Luft-Ultraschall ist bei Ultraschall ein Kopplungsmedium erforderlich, so dass diese Untersuchungen in der Regel nicht kontaktfrei sind.
Luft-Ultraschall wird wegen der hohen Dämpfung in Luft im Allgemeinen nur in Transmission eingesetzt, so dass auch hier ein beidseitiger Probenzugang erforderlich ist. Thermographie hat nur eine geringe Eindringtiefe. Die Auflösung bei Mikrowellen liegt aufgrund der großen Wellenlänge im cm-Bereich. Die berührende Ultraschall-Technik und die Röntgen-Technik werden aktuell zum Insitu-Prozessmonitoring verwendet. Wegen der erwähnten Nachteile sind neuere Messtechniken in der Evaluierung.
Terahertz-Messtechnik
Eine dieser neueren Messtechniken ist die Terahertz-Messtechnik, welche auf elektromagnetischen Wellen basiert und somit prinzipiell berührungslos arbeitet. Der Terahertz-Spektralbereich umfasst den Frequenzbereich von 0,1 bis 10 THz und befindet sich somit zwischen dem infraroten Spektralbereich und der Mikrowelle (Abb. 1).
Die meisten der oben genannten Nachteile anderer Messtechniken gelten für diese Messtechnik nicht: So ist der einseitige Probenzugang für Messungen ausreichend und es sind keine besonderen Schutzmaßnahmen notwendig. Darüber hinaus ist die Dämpfung in Luft extrem gering, so dass auch Schäume und hohle Strukturen untersucht werden können.
Während elektrisch leitfähige Materialien wie Metall oder CFK nicht oder nur oberflächennah durchdrungen werden können, ist die Eindringtiefe in dielektrischen Materialien in der Regel sehr hoch. Unpolare Kunststoffe wie PE und PP sind weitgehend transparent, polare Kunststoffe wie PA weisen hingegen eine relativ starke Absorption auf. Wasser absorbiert ebenfalls stark, so dass die Transparenz wasserhaltiger Werkstücke begrenzt ist. Andererseits ermöglicht die starke Absorption einen sehr empfindlichen Nachweis von Wasser in Kunststoffen.
Zwei technische Ansätze
In den letzten Jahren haben sich vor allem zwei technische Ansätze zur Realisierung von industrietauglichen Terahertz-Systemen herausgebildet: laserbasierte Zeitbereichsspektroskopie (engl. Time Domain Spectroscopy TDS) und der vollelektronische Systemansatz.
Ersterer basiert auf einem Kurzpulslaser und erzeugt so sehr kurze Terahertz-Pulse mit einem entsprechenden breitbandigen Spektrum. Diese Systeme werden vorrangig zur Schichtdickenmessung und zum Nachweis gefährlicher Substanzen verwendet [1, 2].
Die vollelektronischen Systeme basieren auf Mikrowellenoszillatoren, deren Frequenz mittels Frequenzvervielfachern in den Terahertz-Bereich konvertiert wird. Aufgrund des Oszillator-basierten Ansatzes ist die spektrale Bandbreite dieser Systeme Prinzip bedingt wesentlich geringer als bei gepulsten Systemen. Beide Ansätze unterscheiden sich hinsichtlich der Messgeschwindigkeit und der axialen Auflösung (Auflösung in Strahlrichtung).
Für bildgebende Aufgaben werden vorzugsweise vollelektronische Systeme eingesetzt, da diese Messsysteme insbesondere im unteren Terahertz-Spektralbereich sehr leistungsfähig sind und Terahertz-Wellen in diesem Teil des Spektrums eine sehr gute Eindringtiefe in Kunststoffen aufweisen. Darüber hinaus sind diese Systeme mit mehr als 1.000 Messpunkten pro Sekunde sehr schnell und gewährleisten selbst mittels punktueller Messungen durch eine Sende-Empfangseinheit in vielen Fällen einen ausreichend schnellen Bildaufbau.
Üblicherweise kommt bei vollelektronischen Systemen das FMCW-Prinzip (FMCW: Frequency Modulated Continuous Wave) zum Einsatz. Hier wird die Frequenz der ausgesendeten Welle im Allgemeinen kontinuierlich sägezahnförmig moduliert. Dieses Signal steht dem Empfänger, einem harmonischen Mischer, als Lokaloszillatorsignal zur Verfügung.
Der Laufzeitunterschied zwischen empfangenem Signal und Lokaloszillatorsignal kann mit Kenntnis der Frequenzrampe erfasst werden und somit die Distanz einer reflektierenden Fläche bestimmt werden. Diese reflektierenden Flächen können die Probenoberflächen, innere Grenzflächen zwischen unterschiedlichen Materialien oder Einschlüsse sein. Auf diese Weise erhält man wichtige Tiefeninformationen zur Probe.
Die Anwendung
Die meisten Kunststoffprodukte entstehen durch Aufschmelzen von Granulat und anschließender Formgebung durch Spritzgießen, Extrusion, Blasformen oder einfaches Gießen. Im vorliegenden Beispiel wird Kunststoff nach dem Verflüssigen auf eine Walze gegossen. Zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften werden Fäden um die Walze herum und längs der Walze gespannt, die anschließend vom flüssigen Kunststoff umflossen werden. Nach dem Gießen und Abkühlen wird die Oberfläche mechanisch bearbeitet und am Ende des Produktionsprozesses wird die bearbeitete Kunststoffhülle von der Walze gezogen.
Eines der Qualitätsmerkmale ist die Blasenfreiheit des Kunststoffmantels. Treten während des Gießens oberflächennahe Blasen auf, so können diese von außen erkannt und die Produktion gegebenenfalls direkt abgebrochen werden. Innenliegende Blasen werden allerdings erst am Ende des kompletten Produktionsprozesses sichtbar.
Durch diese späte Kontrolle würden im Schadensfall viele Ressourcen wie Material und Maschinenarbeitszeit verbraucht und die Ersatzproduktion zeitlich verspätet begonnen. Deshalb wird eine inlinefähige Prüftechnik gesucht, die bereits während des Gießens eingesetzt werden kann. Die vollelektronische Terahertz-Technik bietet sich hier wegen der hohen Messgeschwindigkeit (passend zur Produktionsgeschwindigkeit) und der berührungslosen Messung (kurz nach dem Gießen ist der Kunststoff noch weich) an.
Während des Gießens dreht sich die Walze und der Gießkopf bewegt sich entlang der Rotationsachse. Auf diese Weise wird die Walze helixförmig umgossen. Der Kunststoff wird heiß auf die Walze gegossen, weshalb die Transparenz des Kunststoffes bei erhöhter Temperatur geprüft werden muss. Zu diesem Zweck wird der Terahertz-Sensor an einer ortsfesten Position der Walze ausgerichtet. Während des Gießens wandert somit die Gießfront am Terahertz-Sensor vorbei.
Durch eine kontinuierliche Signalaufzeichnung kann beobachtet werden, wie die Transparenz der Kunststoffschicht mit zunehmender Zeit bzw. abnehmender Kunststofftemperatur besser wird (Abb. 2). Dies bedeutet, dass gegebenenfalls nicht direkt im Anschluss an den Auftrag gemessen werden kann. Diese Zeitverzögerung wird durch das örtlich versetzte Anbringen des Sensors realisiert.
Nachdem nun ein geeigneter Ort zum Anbringen des Sensors ermittelt ist, sind die nächsten zu lösenden Aufgaben die Ermittlung der kleinsten noch detektierbaren Fehler und die automatisierte Auswertung der Terahertz-Aufnahmen. Durch den helixförmigen Gießprozess entsteht keine glatte, sondern eine strukturierte Oberfläche, die durch Brechung die Strahlausbreitung im Inneren beeinflusst.
Der Einfluss dieser strukturierten Oberfläche wird durch den Vergleich der Terahertz-Aufnahmen einer originalen strukturierten und einer durch die Bearbeitung glatten Oberfläche erkennbar. Während bei der bearbeiteten Probe (Abb. 3 links) die gerade Fadenführung zu erkennen ist, sind die Fäden in der originalen Probe nicht mehr gleichmäßig angeordnet (Abb. 3 rechts).
Zur Ermittlung der kleinsten noch zu detektierenden Fehler wurden auf der Probenrückwand, die sich im Original direkt auf der Walze befindet, unterschiedliche Fehler eingebracht. Es wurden Reihen mit jeweils drei Bohrungen gleicher Größe von 5 mm bis unter 1 mm eingebracht, links Bohrungen mit einem Flachbodenbohrer und rechts mit einem spitzen Bohrer. Flachbodenbohrungen können durch die glatte Ausprägung der Bohrung besser erkannt werden als spitze Bohrungen, da diese eine geringere gerichtete Reflexion aufweisen.
Die Tiefe der Bohrungen ist geringer als 1 mm. Während bei der Bildauswertung durch einen geübten Betrachter alle Bohrungen erkannt werden, kann eine einfache Anpassung eines Softwaremoduls zur Bildauswertung (OpenCV) eine automatische Erkennung fast aller Bohrungen ermöglichen, wie in Abbildung 4 dargestellt.
Die roten Markierungen zeigen die durch die Software erkannten Strukturen bzw. Fehler. Im unteren rechten Bildteil erkennt man noch drei schwach ausgeprägte Bereiche, welche die kleinsten Bohrungen mit Spitze darstellen. Somit ist die Möglichkeit zur automatisierten Bildauswertung potenziell gegeben.
Fazit
Die bildgebende Terahertz-Prüfung kann demnach alle relevanten Anforderungen zur Prozessüberwachung im dargestellten Anwendungsbeispiel erfüllen. Die hohe Flexibilität des beschriebenen Messkonzepts bietet ein breites Portfolio potenzieller Systemlösungen für weitere Anwendungsbereiche. Zusätzlich zum dargestellten Anwendungsfall reicht es von handgeführten Einzelpunktsensoren über schnelle Scanner-Systeme bis hin zu Inline-fähigen Sensornetzwerken für großflächige Prüfungen in der Qualitätskontrolle.
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