Waldbrandfrüherkennung in Portugal
Kombination aus Software mit KI-Funktion, Monochrom- und Farbkamera sowie einer NIR-Kamera ermöglicht Überwachungsradius von bis zu 60 Kilometern
Die portugiesische Kleinstadt Sintra ist wegen ihres Naturparks und den teilweise jahrhundertealten Palästen ein beliebter Touristenort – seit 1995 auch Weltkulturerbe. Besonders schwer wiegt da die Gefahr durch Waldbrände. Deshalb wurde vor einigen Jahren ein System zur Früherkennung auf dem Nationalpalast Pena installiert: IQ Firewatch. Denn die frühzeitige Entdeckung, genaue Lokalisierung und gegebenenfalls direkte Alarmweiterleitung sind entscheidend, um Katastrophen zu verhindern. Im Januar 2019 wurde das Überwachungssystem erneuert und mit drei Industriekameras von Baumer ausgestattet. Die Kombination aus Monochrom- und Farbkamera sowie einer Kamera mit hoher Nahinfrarotempfindlichkeit (NIR) ermöglicht einen Überwachungsradius von mindestens 15 Kilometern, bei guten Wetterbedingungen bis zu 60 Kilometern. Noch vor Ort im Überwachungsturm werten ein merkmalbasierter Algorithmus und eine KI die Bilddaten der Kameras aus und alarmieren im Verdachtsfall innerhalb von rund drei Minuten einen Operator, der dann über das weitere Vorgehen entscheidet. Das Zusammenspiel zwischen Kameras und Erkennungsalgorithmus ermöglicht, Waldbrände schon kurz nach ihrer Entstehung zu erkennen und das Risiko von Fehlalarmen zu minimieren.
Mindestlebensdauer von zehn Jahren und Temperaturen bis 65 °C
Die Früherkennungssysteme sind nicht nur in Sintra installiert, weltweit sind rund 350 IQ-Firewatch-Systeme im Einsatz – von Brandenburg bis Kalifornien. Mit den unterschiedlichen Wetterbedingungen gehen besondere Ansprüche an die Hardware einher. Gerade an wärmeren Orten wie Portugal oder dem Westen der USA kann Hitze den Kameras zu schaffen machen. Ein Ausfall wäre das schlimmste Szenario. Abgesehen davon können hohe Temperaturen die Lebenszeit des Equipments verkürzen und zu Störeinflüssen wie Rauschen in den aufgenommenen Bildern führen, was die Erkennung von Bränden erschweren kann.
Der hohe Temperatureinsatzbereich der Kameras VCXG-24M (Monochrom), VCXG-24C (Farbe) und VCXG-22M.R (NIR) war daher ein wichtiger Entscheidungsgrund: „Bei unseren Komponenten legen wir Wert auf eine Lebensdauer von mindestens zehn Jahren“, so Kurt Winter, Geschäftsführer von IQ Wireless. „Wenn man sich ständig am Rand der Toleranzen bewegt, setzt man das aufs Spiel. Dass die Baumer-Kameras bis 65 °C statt den üblichen 50 °C funktionieren, war für uns daher ein erhebliches Argument.“ Davor hatte IQ Wireless selbstkonstruierte Kamerasysteme im Einsatz. Versuche mit Geräten von Baumer wie auch einem anderen Hersteller zeigten jedoch, dass die Baumer-Kameras rauschfreiere Bilder mit einem sehr hohen Dynamikumfang lieferten, wodurch die Erkennung durch das Software-System deutlich genauer und fehlerresistenter wurde. Gleichzeitig können die Kameras durch eine umlaufende M3-Befestigung beliebig montiert werden – für bergige Regionen ist zum Beispiel eine um 90 ° gedrehte mögliche Montage vorteilhaft. „Da passt einfach das Zusammenspiel von Hardware und Software“, so Winter. „Und durch das Software Development Kit Baumer-GAPI waren die Kameras einfach und reibungslos in unser bestehendes System zu integrieren. Die Entscheidung für Baumer ist uns daher leichtgefallen.“
Teilautomatisierte Branderkennung
Für eine 360-Grad-Erfassung wird in Sintra derzeit zwischen vier bis sechs Minuten am Tag und rund 12 Minuten in der Nacht benötigt. Die drei Kameras sind dazu auf einer Turmspitze des Nationalpalastes in einer Schwenk-Neigeeinheit installiert und arbeiten nach dem Prinzip verteilter Rollen zusammen: Die Monochrom-Kamera übernimmt die Sichtung auf große Reichweiten, die Kamera mit hoher NIR-Empfindlichkeit kommt vor allem bei schlechten Lichtverhältnissen und in der Nacht zum Einsatz. Die Bilder der Farbkamera dienen momentan insbesondere dem Operator als zusätzliche Orientierungshilfe bei der Entscheidung, ob es sich bei einer Meldung wirklich um einen Brand handelt. Zukünftig werden aber auch ihre Daten in die automatisierte Detektion eingebunden.
Die Verarbeitungseinheit nutzt einen merkmalbasierten Algorithmus, um die unterschiedlichen Eigenschaften von Rauch, Wolken und Nebel voneinander zu trennen und so eine Unterscheidung zu ermöglichen. Die Kombination mit einer KI in Form eines neuronalen Netzes, das ständig mit neuem Wissen und Daten trainiert wird, erhöht die Genauigkeit der Erkennung weiter. Erst wenn die Verarbeitungseinheit mit hoher Sicherheit einen Brand identifiziert, wird eine Meldung an einen Operator ausgegeben, der anhand der aufgenommenen Bilder die Entscheidung trifft, ob er das System anweist, die Feuerwehr zu informieren.
Wissen der Raumfahrt für Applikationen auf der Erde nutzen
Die Grundlage für dieses System entstand bereits vor 20 Jahren durch die Zusammenarbeit zwischen IQ Wireless und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und macht Erkenntnisse aus der Raumfahrt auch auf der Erde nutzbar. Bei der Rosetta-Mission entwickelte das DLR eine Lösung für die Bestimmung der stofflichen Zusammensetzung des Rosetta-Kometen, insbesondere anhand der Gase, die dieser ausstößt. Recht schnell entwickelte sich die Idee, dass diese Lösung auch auf der Erde zur Erkennung von Waldbränden einsetzbar wäre. Diese machen schließlich auch durch ihre Gasentwicklung auf sich aufmerksam – erst die verdampfende Flüssigkeit des Waldbodens, dann die Rauchpartikel und Verbrennungsgase. Aus dieser Idee wurde eine Kooperation zwischen DLR und IQ Wireless, aus der das System IQ Firewatch entstand, das in den späten 90er Jahren zuerst im Brandenburger Forst installiert wurde. Im Jahr 2012 wurden die Kooperationspartner für diese erfolgreiche Anwendung von Weltraumtechnologie auf der Erde von der US-amerikanischen Space Foundation in ihre Hall of Fame aufgenommen.
Autorin
Nicole Marofsky, Marketing Communication im Vision Competence Center