Wärmebildkameras als Basis für neue zivile Anwendungen
Eine faszinierende Technologie auf dem Weg zum Konsumenten
Wir leben in einer Zeit, in der sich neue Technologien schneller als je zuvor durchsetzen. Jetzt öffnet sich für eine weitere Innovation die Tür zu vielen nützlichen zivilen Anwendungen. Es ist eine Technologie, die nicht nur unser Leben verändern, sondern sogar Leben retten wird. Diese Innovation ist die Wärmebild-Technologie.
Manchmal sind neue Produkte bei ihrer Einführung noch sehr teuer. Aber wenn die Technik-affinen "early adopters" sie mögen und wenn diese Produkte erst einmal in die Massenproduktion gehen, sinken die Preise deutlich und die neuen Produkte werden schnell zu einer Selbstverständlichkeit. Ein Beispiel ist das Mobiltelefon: Anfangs noch klobig und teuer, wurde daraus in wenigen Jahren ein handliches unverzichtbares Produkt, das jeder nutzt. Andere Beispiele kommen aus dem militärischen Sektor: Radar, Düsentriebwerke, das Internet oder GPS. So wurde zum Beispiel das GPS in den frühen 70er Jahren vom US-Verteidigungsministerium für die Raketensteuerung entwickelt. Als es in den ersten Autos als zivile Anwendung zum Einsatz kam, war es noch ein sehr teures System. Heute ist ein GPS in praktisch jedem neuen Auto vorhanden.
Eine Technologie, die sich in diese prominente Reihe von bedeutenden Entwicklungen einreihen wird, ist die Wärmebild-Technologie. Während herkömmliche Kameras Licht im sichtbaren Wellenlängenbereich benötigen, erzeugen Wärmebildkameras Bilder aus unsichtbarer Infrarot- oder "Wärme"-Strahlung. Basierend auf minimalen Temperaturunterschieden zwischen einzelnen Objekten kann die Thermografie scharfe, klare Bilder erzeugen. Im Gegensatz zu anderen Technologien - so wie z. B. der Restlichtverstärkung - benötigt die Infrarotkamera keinerlei Lichtquelle, um ein Bild mit feinsten sichtbaren Details deutlich darzustellen.
Wärmebildkameras - der Anfang
Die erste Wärmebildkamera für das Militär wurde 1958 von der schwedischen Firma AGA, die heute als Flir Systems bekannt ist, entwickelt. Die erste kommerzielle Infrarotkamera wurde im Jahre 1965 entwickelt. Sie wurde für Untersuchungen von Stromleitungen verwendet. Es dauerte bis 1973, bis die erste "tragbare" akkubetriebene Infrarotkamera auf dem Markt war. Bei der zu diesem Zeitpunkt verwendete Technologie war die Kamera mit flüssigem Stickstoff gefüllt, um den in das System integrierten Infrarotdetektor abzukühlen. 1997 kam dann der ungekühlte Wärmedetektor auf den Markt, auch Mikrobolometer genannt. Dieser Detektor hatte keine beweglichen Teile mehr und war daher weniger störanfällig. Er war auch deutlich weniger aufwändig zu produzieren, was den Wärmebildkamera-Herstellern erlaubte, die Preise für ihre Produkte zu senken.
Von militärischen zu industriellen Anwendungen
Letztlich verhalf erst der Mikrobolometer-Detektor der Technologie zum Durchbruch für Anwendungen im kommerziellen industriellen Bereich. Als erste erkannten große Hersteller die Vorteile der Thermografie, denn Wärmebilder können wertvolle Informationen über elektrische Geräte liefern. Sicherungen, Anschlüsse, Kabel, auch Hochspannungsanlagen wie Transformatoren, Stromleitungen u.v.m. können mit einer Wärmebildkamera vergleichsweise einfach untersucht werden. Instandhaltungsprofis erkennen im Wärmebild Anomalien, bevor ein echtes Problem auftritt, dem dann zwangsläufig ein meistens ziemlich kostspieliger Ausfall folgen würde.
In den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen derselben Unternehmen entstand gleichzeitig ein gewisser Enthusiasmus hinsichtlich der Möglichkeiten der Thermografie. Wärmebildkameras können in einem frühen Produktentwicklungsstadium eingesetzt werden, denn in der Entwicklungsphase, bevor die Massenproduktion startet, werden die Geräte gründlich getestet. Dank der Infrarot-Technologie können Unternehmen diese Entwicklungsphase deutlich verkürzen und so schneller einen Return on Investment erreichen.
Hohe Stückzahlen
Der verstärkte Einsatz der Wärmebildtechnik durch Industrieunternehmen hat schließlich erste vorsichtige Schritte in Richtung einer Serienfertigung möglich gemacht. Vor einigen Jahren entschied sich dann mit BMW ein Weltkonzern, eine Wärmebildkamera für die Nachtsichtunterstützung in der Siebener-Reihe anzubieten. Die Infrarotkamera reduziert das Risiko bei Nachtfahrten signifikant, denn sie sieht bis zu fünfmal weiter als der Lichtkegel der Scheinwerfer reicht. Das erhöht die Sicherheit und senkt die Wahrscheinlichkeit von nächtlichen Unfällen. Später stand dieses "BMW Night Vision"-Modul auch als Extra für die Fünfer- und Sechser-Baureihen zur Verfügung. Die hohe Nachfrage nach dieser Sicherheitsoption erlaubte Flir eine deutliche Produktionssteigerung. Heute produziert das Unternehmen allein für die Nachfahrtunterstützung tausende von Infrarotkameras. Eine Folge dieser Massenproduktion war auch eine deutliche Preissenkung.
Aber die Serienproduktion wurde nicht nur von der starken Nachfrage aus dem Konsumgüterbereich gestützt. Drohnen oder sogenannte UAVs (Unmanned Aerial Vehicles) werden immer häufiger auch zivil eingesetzt. Diese funkgesteuerten Fluggeräte können mit Videokameras ausgestattet werden, die mit einer Bodenstation korrespondieren. Das Militär erkannte zuerst, dass Wärmebilder einem Flugzeug ermöglichen, in völliger Dunkelheit zu fliegen und Ziele durch Rauch und Wolken zu erkennen. Zivile Anwendungen folgten schnell, und heute detektieren dieselben Fluggeräte zum Beispiel auch Waldbrände und werden für Inspektionen aus der Luft eingesetzt, z. B. im Photovoltaik- und im Hochbaubereich.
Weitere Anwendungen der Wärmebild-Technologie
Schifffahrt
Kapitäne navigieren oft auch nachts. Das Schiff selbst, dessen Passagiere, Fracht und Besatzung müssen dabei geschützt werden. Eine Wärmebildkamera ermöglicht dabei auch nachts klare Sicht. Der Kapitän erkennt so rechtzeitig die Verkehrssituation auf Schifffahrtsrouten, Bojen, hervorspringende Landzungen, Brückenpfeiler, Felsen, andere Schiffe oder schwimmende Gegenstände, die das Schiff beschädigen könnten. Sogar kleine Objekte wie treibender Müll, die ein Radar nicht entdeckt, sind auf dem Infrarotbildschirm deutlich sichtbar. Und auf einem Schiff kann eine Wärmebildkamera sogar Leben retten. Bei der Suche nach einer über Bord gefallenen Person ist wegen der schnell fortschreitenden Auskühlung der Faktor Zeit von größter Bedeutung. Aufgrund seiner Körperwärme kann ein Ertrinkender im Wärmebild schnell lokalisiert und aus dem Wasser gerettet werden.
Feuerwehr
Feuerwehrleute verwenden Wärmebildkameras seit Jahren, um in absoluter Dunkelheit und durch Rauch zu sehen, sowie Hot-Spots in Böden, Wänden und Decken zu erkennen. Die Fähigkeit von Wärmebildkameras, durch Rauch zu sehen, rettet auch Leben, denn potentielle Opfer können sich oft in einem verrauchten Raum befinden. Die Fähigkeit, Temperaturunterschiede von Objekten zu erfassen, ist für Feuerwehrleute von entscheidender Bedeutung, wenn sie z. B. Türen öffnen müssen, die zu Bränden führen, oder den Ort und die Ausweitung eines Brandes schnell und zuverlässig einschätzen müssen. Handgehaltene Wärmebildkameras haben sich hierbei als hervorragende Instrumente erwiesen, wenn sie von erfahrenen und gut ausgebildeten Feuerwehrleuten eingesetzt werden.
Sicherheit und Überwachung
Heute finden Wärmebildkameras auch immer öfter Einsatz in Sicherheits- und Überwachungsanwendungen bei Endkunden. Waren sie früher Grenzpatrouillen und staatlichen Stellen vorbehalten, nutzen heute immer mehr Industrieunternehmen und Wohneigentümer Wärmebildkameras, um ihre Vermögenswerte gegen Diebstahl, Vandalismus oder im Extremfall gegen Terroranschläge zu schützen. Auch Polizei und Strafverfolgungsbehörden nutzen Wärmebildkameras, um Verdächtige in völliger Dunkelheit zu verfolgen.
Such- und Rettungseinsätze
Die Hauptaufgabe von Such- und Rettungs-Profis ist es, Menschen wiederzufinden, die in Not geraten sind, orientierungslos, krank oder verletzt und dies auch in entfernten oder schwer zugänglichen Gegenden wie im Gebirge, in der Wüste, im Wald oder im Wasser, in Ufernähe oder auf offener See. Hierfür können Wärmebildkameras z. B. an Hubschraubern installiert werden. Eine solche luftgestützte Wärmebildkamera erkennt menschliche Aktivitäten in ansonsten abgelegenen Gebieten mit größter Sicherheit, so dass ein mögliches Opfer gefunden werden kann, bevor es zu spät ist. Eine Wärmebildkamera schafft das in tiefster Nacht, zu Land, zu Wasser oder in der Luft.
Gebäudeinspektionen
Heute gehen wir sehr bewusst mit unserem Energieverbrauch um. Die globale Erwärmung ist in aller Munde, fossile Brennstoffe (u. a. zum Heizen von Gebäuden) sind als wichtigste Verursacher allgemein anerkannt. Deshalb haben viele Länder Gesetze erlassen, die es vorschreiben, Gebäude regelmäßig auf Wärmeverluste hin zu inspizieren. Eine Wärmebildkamera kann Dämmungsprobleme und andere Gebäudeanomalien sehr einfach sichtbar machen. So ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis jedes Gebäude regelmäßig mit einer Infrarotkamera untersucht werden wird.
Optische Gasvisualisierung
Viele Unternehmen sind spezialisiert auf den Transport und die Weiterverarbeitung von Industriegasen und chemischen Verbindungen. Die meisten dieser Substanzen sind allerdings für das bloße Auge unsichtbar. Aber nicht für gasvisualisierende Wärmebildkameras, die eine Reihe von Vorteilen im Vergleich zu herkömmlichen Schnüffelgeräten oder "Sniffern" bieten: Wärmebildkameras scannen deutlich größere Areale viel schneller. Und in Bereichen, die nur schwer mit Kontaktmessgeräten erreicht werden können, sind sie ebenfalls flexibel einsetzbar. Dabei zeigen sich Lecks anhand von Wolken aus Dampf im Infrarotbild, wodurch sie insbesondere im bewegten Bild deutlich zu identifizieren sind. Bei regelmäßiger und rechtzeitiger Leckageortung können schwere Schäden vermieden werden. Und es geht natürlich auch hier um den Schutz von Menschenleben.
Verkehrsüberwachung
Eine der neuesten Entwicklungen ist der Einsatz von Wärmebildern in der Verkehrsüberwachung. Verkehrsplaner auf der ganzen Welt verwenden mittlerweile Wärmebildkameras, um Verkehrsströme zu überwachen und zu verwalten. Beispielsweise in der Überwachung von Autofahrern und Fußgängern im städtischen Gebiet, in der Erfassung der Situation auf Autobahnen und in Tunneln, oder zur Verkehrsdatenerfassung. Hier können Wärmebildkamerasysteme Verkehrssicherheit und Mobilität signifikant verbessern.
Die Zukunft der Wärmebildtechnologie
Ohne Zweifel werden Wärmebildkameras denselben Weg gehen wie viele Produkte vor ihnen. Sie werden immer kleiner, die Bildqualität wird kontinuierlich besser und weitere Funktionen werden zum Standard. Ein Beispiel für die anhaltende Miniaturisierung von Wärmebildkamera-Kernen ist der von Flir im Januar 2014 eingeführte Lepton-Detektor. Lepton ist ein fortschrittlicher langwelliger Infrarot-Imager (LWIR), der im Vergleich mit herkömmlichen IR-Kamera-Kernen um den Faktor zehn preisgünstiger ist. Als komplette IR-Kamera-Lösung bietet er eine radiometrische Auflösung von 80 × 60 Pixeln und kann durch Bildverbesserungsverfahren wie das patentierte Flir-MSX mit einem Realbild kombiniert werden. Lepton ist ultrakompakt und kann z.B. leicht in ein Smartphone eingebaut werden. Das eröffnet einer ganzen Generation neuer elektronischer Instrumente für Arbeit, Haushalt, Freizeit und Spiel uneingeschränkten Zugriff auf die Möglichkeiten der Thermografie.
Die Einführung des Lepton-Kerns fiel mit dem Start der Flir One zusammen, dem ersten Wärmebildsystem für den Konsumerbereich. Als Zusatzgerät bietet das kompakte System Wärmebildtechnik für das Smartphone über eine einfach zu bedienende App. Dieser persönliche Imager repräsentiert einen wichtigen Schritt in Richtung des von Flir angestrebten "Infrarot überall".
Basierend auf dem Lepton-Kern wurden weitere neue, innovative Anwendungen für den günstigen Einstiegsbereich in die Wärmebildtechnologie entwickelt. Im September 2014 kam der Temperatursensor AX8 auf den Markt, der eine frühzeitige Erkennung temperaturabhängiger Probleme in elektrischen und mechanischen Anlagen ermöglicht, insbesondere in der kontinuierlichen Überwachung in Schaltschränken. Mit der C2 entwickelte Flir speziell für gebäudespezifische, elektrische und mechanische Anwendungen die weltweit erste voll ausgestattete Wärmebildkamera im kompakten Taschenformat.
Mittlerweile werden Wärmebildkameras immer häufiger in Endverbraucher-Anwendungen wie der Fahrsichtunterstützung oder der Wohngebäude-Sicherheit eingesetzt. Das Interesse an den Produkten wird stärker, die Produktionsmengen gehen nach oben und die Preise werden weiter sinken. Es ist schwer zu sagen, wohin dieser Trend letztlich führen wird. Aber es kann als sicher gelten, dass sich die Wärmebildtechnologie in den kommenden Jahren in verschiedensten Bereichen unter Profis und Endverbrauchern immer größerer Verbreitung erfreuen wird.