Von PC-basierter Bildverarbeitung zu Industrial Embedded Vision
18.02.2019 -
In die Welt der industriellen Bildverarbeitung halten zunehmend Embedded Vision-Lösungen Einzug. Bislang werden für Embedded Vision-Anwendungen meist sehr einfache Kameramodule eingesetzt. Diese wurden überwiegend für Anwendungen aus der Unterhaltungselektronik entwickelt und sind nicht für industrielle Anwendungen konzipiert. Doch die Vorteile dieser embedded Lösungen, wie etwa geringere Kosten, niedriger Energieverbrauch und ein kompaktes Design (SWaP-Faktor, reduced Size, Weight and Power) machen einen Wechsel von PC-basierten zu embedded Lösungen auch im industriellen Bereich interessant.
Vor diesem Hintergrund haben sich in letzter Zeit verschiedene technologische Ansätze entwickelt, die sich der Aufgabe stellen, die Vorteile der embedded Systeme und die Anforderungen der industriellen Bildverarbeitung zu verbinden. Dies macht es dem Anwender nicht einfacher, aus dem Angebot die für ihn passende Lösung finden. In der Evaluierungsphase für eine neue Bildverarbeitungslösung müssen verschiedene Aspekte erwogen und Voraussetzungen geprüft werden.
Ausgangssituation
Am Anfang des Entscheidungsprozesses könnte eine Ausgangssituation wie folgt aussehen: In einer typischen industriellen Bildverarbeitungsanwendung werden überwiegend Machine Vision Kameras mit den gängigen Schnittstellen USB3 Vision oder GigE Vision verwendet. Die in der industriellen Bildverarbeitung üblichen Leistungsfähigkeit und Funktionsumfang der Kameras werden als gegeben vorausgesetzt. Für die Bildverarbeitung und Bildvorverarbeitung nutzt der Anwender den GenICam Standard und ist an die GenICam Feature Definitionen gewöhnt, die den Funktionsumfang der Kamera beschreiben. Die Softwareanbindung an eine anwendungsspezifische Lösung geschieht durch die Nutzung eines anbieterspezifischen Software Development Kits (z.B. Allied Visions Vimba SDK) oder Software von Drittanbietern (wie z.B. Matlab oder Halcon). Je nach Anforderungen an Leistungsfähigkeit und den integrierten Sensor reicht die Preisspanne für die eingesetzte Kamera von 300,- bis 2.000,- €. Üblicherweise werden die Kameras in Kombination mit einem Laptop oder PC betrieben. Aufgrund von Preisdruck oder neuen Produktentwicklungen können erste Überlegungen angestoßen werden, auf ein embedded System zu wechseln, wobei keine Abstriche bei der Leistungsfähigkeit und den Funktionalitäten der Bildverarbeitung gemacht werden sollen.
PC-basiertes versus embedded System
Bei der Entscheidung zwischen einer embedded oder einer PC-basierten Lösung liefern grundlegende Fragestellungen richtungsweisende Antworten. Selbstverständlich haben jede Anwendung und jedes System individuelle Anforderungen und jedes einzelne System muss spezifisch analysiert werden. Trotzdem können bei jedem Designprozess grundlegende Faktoren als Entscheidungshilfen herangezogen werden.
Wenn beispielsweise die geringe Größe und ein geringes Gewicht der Kamera oder des Systems eine wichtige Rolle spielen, liegt aufgrund des kompakten, gehäuselosen Designs der Einsatz eines embedded Boards und eines Kameramoduls anstelle einer PC-basierten Lösung nahe.
Ist der Stromverbrauch ein kritischer Faktor, sei es, um eine Hitzeentwicklung zu vermeiden, oder eine lange Laufdauer bei mobilen Anwendungen zu erreichen, liegen die Vorteile auch bei einem embedded System.
PC-basierte Systeme eignen sich nicht ohne Weiteres für den Einsatz unter extremen Bedingungen, wie z.B. in extremer Hitze. Hier empfiehlt sich der Einsatz einer embedded Lösung.
Eine wichtige Fragestellung ist die der Kostenvorgabe. Embedded Systeme sind um einiges kostengünstiger als PC-basierte Lösungen. Hier müssen vor allem die Leistungsanforderungen der Bildverarbeitung beachtet werden. Embedded Systeme sind oftmals weniger leistungsfähig, reichen aber für viele Anwendungen aus. Hier lohnt es sich, sich mit den verschiedenen embedded Systemen genauer auseinanderzusetzen: Kann ein SBC (Single Board Computer), ein embedded board oder ein SOM (System-on-Module) mit Carrier Board die Anforderungen nicht nur hinsichtlich Leistungsfähigkeit, sondern auch hinsichtlich Anschlüssen oder Softwareumgebung erfüllen?
Lösungen für Embedded Vision
Sprechen die Bedingungen und die geplante Anwendung für den möglichen Einsatz einer embedded Lösung, stellen sich damit neue Herausforderungen für die konkrete Umsetzung: die Wahl der passenden Kamera bzw. des passenden Gesamtsystems. Bei vielen existierenden Lösungsangeboten stoßen die Entwickler an Grenzen oder unliebsame Nachteile.
Die meisten existierenden industriellen Kameras basieren auf einem FPGA (Field Programmable Gate Array) mit einem Board Stack Design. Die Nutzung eines FPGAs bringt nicht nur hohe Kosten mit sich. Aufgrund des FPGA-Designs ist der Stromverbrauch ebenfalls hoch, da unabhängig von der tatsächlichen Verwendung der Funktionen permanent der Stromverbrauch so hoch wie bei vollem Betrieb aller Funktionen ist. Die aufeinandergestapelte Struktur ist dabei vibrationsanfällig und erfordert mehr Platz.
Alvium-Technologie für Industrial Embedded Vision
Bei der Suche nach einer Antwort auf genau diese Anforderungen und Entwicklungen im Machine Vision Markt hat Allied Vision einen eigenen Lösungsansatz entwickelt. Das Herzstück einer kompletten Kameraserie für embedded Vision ist ein eigens entwickelter ASIC (Application-Specific Integrated Circuit), der eine Bildverarbeitungsbibliothek sowie einen Bildsignalprozessor beinhaltet. Dies ermöglicht den Systemingenieuren, Bildkorrekturen und Vorverarbeitungsaufgaben auf der Kamera anstelle des Embedded Boards durchzuführen und so die Last auf dem Board zu senken. So kommt das System mit einem kleineren, kostengünstigeren Design zurecht, was die Gesamtsystemkosten reduziert.
In dieser revolutionären Alvium-Technologie liegen auch viele weitere Vorteile der Alvium-Kameramodule begründet. Die Hardware ist ein proprietärer ASIC-Chip. Im Gegensatz zu FPGAs verbraucht der Alvium-Chip nur so viel Strom, wie er für die aktivierten Funktionen benötigt. Der Rest, der nicht verwendet wird, verbraucht auch keinen Strom und wird automatisch abgeschaltet.
Das Plattformkonzept der Alvium-Kameraserie bewirkt, dass unabhängig vom Kameratyp immer das gleiche Mainboard verwendet wird. Wenn am Anfang des Designprozesses eine Bare-Board-Version der Kamera eindesigned wurde und später die Auflösung durch die Wahl eines neuen Sensors verbessert werden soll, kann das mechanische Design dasselbe bleiben. Es wird lediglich das Kameramodul ausgetauscht. Auch das Interface zum embedded Board oder Host System und die Softwareansteuerung bleiben gleich. Somit können neben den Systemkosten auch Designkosten reduziert werden.
In der Alvium Kameraserie steckt die Erfahrung aus unzähligen Projekten aus der industriellen Bildverarbeitung, die sich nun in der Industrietauglichkeit des Kameramoduls für embedded Vision widerspiegelt. Die Alvium-Kameraplattform basiert auf einem ultrakompakten Single-Board-Design mit allen elektronischen Komponenten auf beiden Seiten einer 2,7 x 2,7 mm großen Platine, die als Bare-Board-Modul erhältlich ist. Dies gewährleistet nicht nur eine geringe Größe und ein geringes Gewicht, sondern ist auch die robusteste Lösung für Anwendungen, die Stößen und Vibrationen ausgesetzt sind. Die Kamerareihe bietet eine Auswahl an Standardobjektivfassungen (S-Mount, C-Mount oder CS-Mount). Außerdem verfügen die Kameras über eine hochgenaue Sensorausrichtung in sechs Freiheitsgraden. Das bedeutet, dass nicht nur die Position innerhalb der Kamera, sondern auch die Rotation sehr genau kontrolliert werden. Dies ist bei kleinen Sensoren vielleicht nicht sehr kritisch, aber umso mehr, wenn der Sensor größer ist. Die Alvium-Kameraserie unterstützt Sensoren bis zu 1 Zoll Größe und darüber hinaus.
Die Alvium 1800er Serie für Industrial Embedded Vision
Insbesondere die 1800er Serie der Alvium-Kamerareihe versetzt den Anwender aus der industriellen Bildverarbeitung in die Lage, auf Altbewährtes und Bekanntes nicht verzichten zu müssen, und gleichzeitig dem Entwicklungstrend zu embedded Systemen auch für Bildverarbeitungsanwendungen folgen zu können. Die 1800er Serie gibt es in einer Version mit MIPI CSI-2 als auch mit USB3 Vision Interface. Die CSI-2 Version unterstützt neben Video4Linux2 (V4L2) und Direct Register Access auch die Kamerasteuerung über das Generic Control Protocol (GenCP) des GenICam Standards. Um die Umstellung von PC-basierten Lösungen auf Embedded Boards zu erleichtern, wird Allied Vision kostenlos Hybridtreiber zur Verfügung stellen. Diese ermöglichen einerseits eine einfache Softwareanbindung über GenICam an Allied Visions Vimba SDK oder Software von Drittanbietern. Anderseits unterstützen die Treiber auch die direkte Verwendung von V4L2-basierten Open Source Bibliotheken wie OpenCV.
Open Source Treiberpakete vereinfachen die Anpassung
Allied Vision wird die Treiberpakete für eine Reihe von System-on-Chips (SoCs) als Open Source zur Verfügung stellen. Damit lassen sich die Treiber auch von der Embedded Community weiterentwickeln und für eigene embedded Lösungen anpassen. Zur Markteinführung der Alvium Serie werden zunächst NXP i.MX6 und Nvidia Jetson Plattformen unterstützt. Im weiteren Verlauf wird die Unterstützung auf NXP i.MX8 ausgeweitet. Allied Vision wird einer der ersten Kamerahersteller weltweit sein, der einen Kameratreiber für das neue Nvidia Jetson AGX Xavier anbieten wird, dank einer Kooperation mit der Firma Antmicro, einem polnischen Spezialisten für Embedded Technologie.
Entwicklungen wie diese ebnen aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit in puncto Rechenleistung und Bildverarbeitung industriellen Machine Vision-Anwendungen den Weg von pc-basierter Bildverarbeitung zu industriellen Embedded Vision-Lösungen.
Kontakt
Allied Vision Technologies GmbH
Taschenweg 2A
07646 Stadtroda
Deutschland
+49 36428 / 677- 0
+49 36428 / 677- 28