„Unsere Branche lebt stark von der Kooperation und dem partnerschaftlichen Austausch.“
17.03.2025 - Vorstandsvorsitzender der VDMA-Fachabteilung Machine Vision im Interview
Dr. Olaf Munkelt, Vorstandsvorsitzender der VDMA-Fachabteilung Machine Vision, spricht über seine Rolle, die Herausforderungen und Ziele der Branche. Er betont die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Bildverarbeitungsindustrie, die Rolle von Künstlicher Intelligenz und Interoperabilität sowie die Notwendigkeit von Innovation und Schnelligkeit angesichts wachsender Konkurrenz, insbesondere aus China.
inspect: Können Sie uns einen Überblick über Ihre Rolle und Aufgaben als Vorstandsvorsitzender der VDMA-Fachabteilung Machine Vision geben?
Dr. Olaf Munkelt: In dieser Rolle sehe mich als Primus inter pares. Unsere Branche lebt stark von der Kooperation und dem partnerschaftlichen Austausch. Das soll sich auch in der Zusammenarbeit in der Fachabteilung sowie mit der Geschäftsstelle des VDMA für Machine Vision widerspiegeln. Dazu kommt: Die Mitgliedsunternehmen der Fachabteilung kommen aus unterschiedlichen Ecken der industriellen Bildverarbeitung, also aus der Systemwelt, der Komponentenfertigung oder der Software-Entwicklung und bringen so vielfältige Kompetenzen mit. Die unterschiedlichen Perspektiven der Mitgliedschaft in die Arbeit des Vorstands einfließen zu lassen, gehört ebenfalls zu meinen Aufgaben, und insofern nehme ich eine Moderatoren- und Mentorenrolle ein.
inspect: Welche Ziele haben Sie sich für Ihre vierjährige Amtszeit gesetzt?
Munkelt: Mitte Januar 2025 hatten wir unsere konstituierende Vorstandssitzung. Bevor wir über Ziele und Aktivitäten diskutiert haben, haben wir uns über die Herausforderungen für die europäische Bildverarbeitungsindustrie ausgetauscht. Wir waren uns alle einig: Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Bildverarbeitungsindustrie ist das wichtigste Ziel. Wir müssen uns den Spiegel vorhalten und die Frage beantworten: Wie können wir unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder erhöhen? Im Augenblick gibt es viele Themen, die dazu führen, dass unsere Branche schwächelt. Aufgabe ist es, für die verschiedenen Herausforderungen zum einen Aufmerksamkeit zu erzeugen und zum anderen Handlungsempfehlungen abzuleiten und unseren Mitgliedsunternehmen an die Hand zu geben. Diese müssen praktikabel und auch umsetzbar sein. Daran wollen wir uns messen lassen.
inspect: Welche kurz- und langfristigen Projekte der Fachabteilung stehen derzeit im Fokus?
Munkelt: Unter kurzfristigen Projekten subsummiere ich die Themen, die man dem Tagesgeschäft unserer Fachabteilung zuordnen kann. Dazu zählt die Sichtbarkeit unserer Branche, insbesondere auf Messen zu erhöhen. Was viele nicht wissen: Die Fachabteilung ist ideeller Träger der Messe Vision in Stuttgart. Markttransparenz herzustellen, indem Marktdaten und Marktzahlen aufbereitet werden, ist ebenfalls Teil unserer wiederkehrenden Arbeit. Das ist eine Dienstleistung, die der VDMA seit vielen Jahren anbietet und die eine hohe Qualität aufweist.
Bei den langfristigen Projekten möchte ich das Thema Interoperabilität herausheben. Dort wird es auch zu einer personellen Verstärkung in der VDMA-Geschäftsstelle kommen.
inspect: Wie bewerten Sie die derzeitige globale Lage der deutschen Bildverarbeitungsindustrie?
Munkelt: Die Situation ist auch dadurch gekennzeichnet, dass wir eine Nachfrageschwäche bei wichtigen Kundenindustrien sehen. Die deutsche Automobilbranche zeichnet für rund 18 Prozent des Umsatzes der Systemhersteller der industriellen Bildverarbeitung hierzulande verantwortlich. Über die Lage der Autobauer und auch der Zulieferfirmen kann man jeden Tag in der Zeitung lesen. Aber auch im asiatischen Raum schwächeln Branchen, die für uns lange Zeit Wachstumstreiber waren. Beispiele sind die Elektronik- und Halbleiterfertigung. In den USA erleben wir derzeit allerdings eine positive Entwicklung. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist das Thema Wettbewerbsfähigkeit und Konkurrenzsituation.
inspect: Welchen Herausforderungen steht die Industrie derzeit gegenüber? Und wie kann sie diese überwinden?
Munkelt: Wir erleben, dass die Konkurrenzsituation deutlich härter wird. Gerade aus China drängen Player auf den europäischen Markt. Die USA schotten sich ja bereits seit einiger Zeit gegen chinesische Konkurrenz auf verschiedenen Wirtschafts- und Technologiefeldern ab.
Neue Konkurrenz und Wettbewerb ist vom Grundsatz richtig und wichtig. Den nehmen wir gerne an, zumal auch die europäische Machine-Vision-Branche in China aktiv ist. Unsere Sorge ist jedoch die, dass die Spielregeln nicht überall die gleichen sind. Der chinesische Staat fördert sehr gezielt die Industrien und auch die Unternehmen, die er für förderungswürdig hält. Das führt zu Wettbewerbsverzerrungen. Als Branchenverband können wir das Problem nicht lösen, sondern müssen uns mit der Bitte an die Politik wenden, sich das genau anzusehen. In anderen Branchen wurden die Marktungleichheiten von der Europäischen Union erkannt und sie hat durch die Einführung von Zöllen entsprechend gehandelt.
inspect: Wie bewerten Sie die Zukunft der deutschen Bildverarbeitungsindustrie angesichts der wachsenden Konkurrenz, insbesondere aus China? Und wie kann hier der VDMA einwirken?
Munkelt: Die marktverzerrende Wirkung durch die Subventionen des chinesischen Staates ist die eine Seite. Hier ist die Politik gefragt. Aber auch wir Unternehmen stehen in der Verantwortung, tätig zu werden. Unser Ansatz ist, dass wir innovativer und schneller werden müssen sowie unsere Produkte und Dienstleistungen zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten müssen. Diese Fragen zu beantworten, wird der Schwerpunkt unserer Arbeit beim VDMA in den nächsten Jahren sein.
inspect: Welche technologischen Entwicklungen und Trends sehen Sie als besonders relevant für die Maschinenbauindustrie?
Munkelt: Klare Antwort: Künstliche Intelligenz. Entscheidend wird sein, wie wir die Fragen, die sich daraus ableiten, beantworten können: Wie können wir KI gut einsetzen? In welchen Szenarien liefert sie wirklich einen Mehrwert? Hier taucht das vorhin schon erwähnte Schwerpunktthema Interoperabilität wieder auf. Es geht darum, dass die verschiedenen Daten, die in der Produktion entstehen, über sämtliche Aggregationsstufen nutzbar sein müssen. Und dass diese Nutzung der Daten auch in der Hand derer bleibt, die sie erzeugt haben. Inwieweit die regulatorischen Voraussetzungen – ich habe da zum Beispiel den EU AI Act vor Augen – praxistauglich sind oder doch eher ein Hindernis, wird sich zeigen.
Bezogen auf die Arbeit des VDMA heißt das: Wir erleben gerade, dass die Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz sehr groß sind und zudem in kurzen Zyklen erfolgen. Unsere Aufgabe ist es, Mitgliedsunternehmen Bewertungsmöglichkeiten an die Hand zu geben, die für verschiedene Szenarien geeignet und auch nachhaltig sind. Investitionen müssen sich ja auch rechnen und wenn beispielsweise ein KI-Modell in zwei oder drei Jahren nicht mehr zur Verfügung steht oder nicht mehr kompatibel ist, ist das ein Problem.
inspect: Was motiviert Sie, sich im VDMA zu engagieren?
Munkelt: Der Austausch mit Gleichgesinnten steht an erster Stelle, denn gerade in diesen unruhigen Zeiten ist es wichtig, sich zu Best Practices auszutauschen. Aus langjähriger Erfahrung weiß ich, dass Themen, die für das eigene Unternehmen relevant sind, ebenso für andere Unternehmen von Bedeutung sind. Von der Austauschplattform VDMA profitieren alle.
inspect: Würden Sie Schulabgängern raten, sich die Bildverarbeitungsbranche genauer anzuschauen? Warum?
Munkelt: Das habe ich bereits und mit Erfolg meinen eigenen Kindern geraten. Sie waren überrascht von der Vielfalt der Themen unserer technologisch getriebenen Branche. Die industrielle Bildverarbeitung bietet nicht nur Technik, sondern viele weitere Facetten. Zum Beispiel die internationale Vernetzung oder die Möglichkeit, in verschiedene Produktionsprozesse hineinzuschauen. Aber auch auf einer höheren Ebene ist die industrielle Bildverarbeitung ein Zukunftsthema. Machine Vision ist der Hidden Champion der Automatisierung. Mit anderen Worten: Unser Branche hat noch sehr viel Potenzial!
Autor
David Löh, Chefredakteur der inspect