Spritzgießen im Fokus von Industrie 4.0
21.09.2017 -
Das Spritzgießen ist ein in der Kunststoffindustrie weit verbreitetes Umformverfahren, mit dem sich Formteile in großer Stückzahl kostengünstig fertigen lassen. Die Erfassung und Kontrolle thermischer Einflussfaktoren trägt im Prozess wesentlich zur Qualitätssicherung bei. Wärmebildkameras leisten dabei exzellente Dienste.
Nicht beherrschte und instabile Prozesse sind die am häufigsten anzutreffenden Kostenfresser in der Spritzgießverarbeitung. 60–70 % aller formteilbezogenen Fehler, welche verantwortlich für unzureichende Qualität und zu lange Zykluszeiten sind, haben ihre Ursache in der Temperierung der Spritzgießwerkzeuge.
Durch den Einsatz eines speziell für die Kunststoffverarbeitung entwickelten Online-Qualitätsüberwachungssystems IR-Thermocontrol der Firmen GTT Willi Steinko GmbH und Plexpert GmbH lassen sich thermische Fehler bei der Spritzgießverarbeitung „inline“ schon bei ihrer Entstehung detektieren. Zentrale Elemente dieses Systems sind kompakte Wärmebildkameras der Firma Optris.
In Kombination mit der Software PI Connect werden die Daten zum Online-Qualitätsüberwachungssystem übetragen. Dies ist die Basis für den Einrichter, Verfahrenstechniker und Qualitätsverantwortlichen schnell, sicher und zielführend zu qualitativ guten Bauteilen bei möglichst kurzen Zykluszeiten zu kommen. Die erreichten Zeit- und Energieeinsparungen senken die Stückkosten bei der Produktion der Formteile.
Das System liefert diese wichtigen Daten und zeigt sowohl kurzzeitig auftretende Effekte, als auch Trends wie z. B. eine schleichende Temperaturerhöhung im Serienprozess an. Die einfache und schnelle Installation an jeder beliebigen Spritzgießmaschine ermöglicht eine maximale Flexibilität und Verfügbarkeit des Systems.
Referenzbildmethode
Die prozessorientierte Benutzerführung erleichtert die Definition von Kontrollgrenzen und liefert Temperaturabweichungen automatisch über eine Referenzbildmethode. Damit werden auftretende Unterschiede sofort sichtbar. Das Qualitäts-Modul erstellt in jedem Zyklus ein Bild des Formteils. Vom ersten Gut-Teil wird ein Referenzbild generiert. Jede folgende Aufnahme wird mit dem Referenzbild verglichen. Kommt es an einer beliebigen Stelle zu einer Abweichung, wird ein Alarm ausgegeben. Diese Technologie findet z. B. Anwendung im 2K-Spritzgießen sowie bei der Kombination von Schaum- und Kompaktspritzgießen.
In einem weiteren Beispiel aus dem Automotiv-Bereich werden im Prozess auftretende Störungen direkt sichtbar. Die in Abbildung 4 dargestellte Anwendung zeigt eine während der Fertigung auftretende thermische Schwachstelle in der Weise, dass der linke Bereich (Abb. 4 links) gegenüber dem rechten eine geringere Oberflächentemperatur aufweist. Dies führte dazu, dass das Bauteil um nahezu 2,5 mm kurzer gefertigt wurde. Die Ursache für die Dimensionsabweichung lag darin, dass der erforderliche Nachdruck nicht wirksam werden konnte. Die Werkzeugtemperierung wurde daraufhin in diesem Bereich angepasst und somit optimiert (Abb. 4 rechts).
Blick in die thermische Zukunft:
Das „Plug and Work“-System IR-Thermocontrol fördert thermische Unzulänglichkeiten deutlich zu Tage. Für jeden verständlich werden beispielsweise zu hohe Temperaturdifferenzen an Spritzgießteilen und Werkzeugen angezeigt.
Wer Fertigungsverantwortung trägt und auf Qualität und Kosten achtet, ist ohne die permanente Nutzung eines thermischen Qualitätsüberwachungssystems im Betrieb blind. Das bisherige Handauflegen zur Ortung heißer, warmer oder kalter Zonen auf dem Bauteil oder der Werkzeugoberfläche gehört damit endgültig der Vergangenheit an.
Die häufigsten thermischen Probleme und deren Ursachen
Erscheinungsbild |
Thermische Problemzuordnung |
Häufigste Ursache |
Dimensionsprobleme, mangelnde mechanische Eigenschaften |
Zu hohe Temperaturabweichungen an der Werkzeugwandung |
Asymmetrisches Temperierkanallayout, unzureichende Wärmeabfuhr, Überbrücken von Temperierkanälen |
Formteilverzug |
Zu hohe Temperaturabweichungen an der Werkzeugwandung, partiell oder über das gesamte Formteil |
Asymmetrisches Temperierkanallayout, unzureichende Wärmeabfuhr, Überbrücken von Temperierkanälen |
Oberflächenmarkierungen durch Glanz- und Mattstellen, Gratbildung |
Thermische Abformungen von Einsätzen und Auswerferstiften, Domen, Retainern, Verrippungen und Durchbrüchen |
Mangelhafte Wärmeabfuhr, nicht ausreichende Isolierung von Heißkanalsystemen und HK-Düsen, nicht temperierte Formteilpartien |
Deutlich zu lange Kühlzeiten/Zykluszeiten |
Mangelhaft ausgelegte Werkzeugtemperierung, hohe Druckverluste innerhalb des Temperiersystems, Hotspots auf dem Formteil |
Verstopfte Kühlkanäle, mangelhafter technischer Zustand der Temperier- und Kühlgeräte, aggressiver Wasserzustand, nicht oder nicht ausreichend behandeltes Wasser |