Sensor ermöglicht Doppelnutzung von bestehender Eisenbahntrasse
11.04.2023 - Platzsparender Multisystemsensor für die Ausstattung von Stadtbahnen und Retrofit-Projekten
Die Mobilitätswende in Deutschland nimmt Fahrt auf: Auch die Stadt Bremen möchte durch einen attraktiveren ÖPNV den Individualverkehr reduzieren. Siemens Mobility als Lieferant des dort eingesetzten Stadtbahntyps Avenio und ein Sensorspezialist aus Oberhausen entwickelten gemeinsam eine Zugsicherungskomponente, die die Nutzung einer bereits vorhandenen Güterstrecke für diesen Zweck möglich macht.
Um das Umland besser an die Innenstadt anzubinden, ohne neue Schieneninfrastruktur aufzubauen, werden existente Streckenabschnitte genutzt. Hierfür bot sich die vorhandene Eisenbahntrasse zwischen Bremen und Thedinghausen an, auf der auch Güterzüge verkehren. Diese Doppelnutzung ermöglichte eine zeit- und kosteneffiziente Umsetzung der Ausbaupläne. Die Bremer Straßenbahn AG beauftragte Siemens Mobility, hierfür ein neues Straßenbahnfahrzeug inklusive der geforderten Zugsicherungstechnik zu entwickeln.
Bei der Planung der Fahrzeuge stellte das Unternehmen fest, dass eine Standardlösung zur Wegerfassung diese technische Herausforderung nicht erfüllte: „Die Kundenwünsche an Effizienz, Platzbedarf und Gewicht des Fahrzeugs Avenio Bremen und die Anforderungen der Zugsicherungstechnik konnten durch keinen am Markt vorhandenen Wegimpulsgeber erfüllt werden. Im Zugsicherungssystem Trainguard MT Zub wird regulär ein zertifizierter Wegimpulsgeber aus unserem Hause eingesetzt. Nun wurde jedoch eine Neuentwicklung nötig“, berichtet Carsten Goetze, der das Projekt Zugsicherung seitens Siemens Mobility betreut.
Kundenspezifisches Entwicklungsprojekt
Somit wurde eine Anforderungsspezifikation erstellt, die eine Zulassung im bestehenden Zugsicherungssystem ermöglicht. „Wir erkannten, dass wir uns einen spezialisierten Partner an Bord holen mussten und begannen mit der Suche in unserem weltweiten Lieferantennetzwerk. Einen passenden Sensor ‚aus der Schublade‘ konnte allerdings auch hier niemand bieten“, so Carsten Goetze.
Hilfe bei dieser Problemstellung bot Lenord+Bauer mit seinen kundenspezifischen Multisystemsensoren. In einem gemeinsamen Entwicklungsprojekt wurden die Anforderungen an einen Drehzahlsensor von Lenord+Bauer so definiert, dass er die geforderten Spezifikationen der Bremer Straßenbahn AG als Betreiber erfüllt. Dabei galt es, den sehr begrenzten Einbauraum zu beachten. „Projektmanagement, Systemlieferant und Komponentenhersteller mussten zusammen ein kniffliges Entwicklungsthema lösen“, betont Carsten Goetze.
Das Entwicklungsteam von Lenord+Bauer erstellte mehrere technische Entwürfe auf Basis von bereits vorhandenen Produkten, die gemeinsam abgestimmt wurden. Durch die effiziente Nutzung des Einbauraums konnte durch Lenord+Bauer ein Drehzahlsensor entwickelt werden, der alle Anforderungen erfüllt und so den Einsatz eines weiteren „Standard“-Wegimpulsgebers überflüssig macht.
Verschiedene Signalmuster wurden hierfür in einem kompakten Flanschgehäuse kombiniert. Zwei Kanäle stehen nun für das Zugsicherungssystem und ein Kanal für das Antriebssystem bereit. Durch die galvanische Trennung liefert der Sensor unabhängige Signale für bis zu vier Steuerungen und ist für den Betrieb an verschiedenen Versorgungsspannungspegeln geeignet. Dabei können die spezifischen Signaleigenschaften sowohl für den Gleitschutz als auch für Traktion und Zugsicherung kombiniert werden.
„Ergebnis spart Hardwarekosten, Installationsaufwand sowie Entwicklungs- und Zulassungskosten“
Nach Abschluss der Designphase erhielt Siemens Mobility innerhalb kurzer Zeit Prototypen für den Labor- und Feldtest. Diese durchliefen erfolgreich mehrere Prüf- und Validierungsprozesse im Labor von Siemens Mobility und bewährten sich danach in den Typtests am Fahrzeug. Nach bestandener Prüfung durch die zuständige Zulassungsbehörde im Rahmen des Gesamtzulassungsprozesses wurde der neue Sensortyp bei einem Großteil der Avenio Bremen Fahrzeugen eingesetzt. „Bei dieser Produktentwicklung haben wir bereits an den Einsatz dieses Wegimpulsgebertyps in weiteren Projekten gedacht und daher die Anforderungsspezifikationen sowie Typbezeichnungen entsprechend angepasst. So kann in Zukunft auf die geleistete Arbeit aufgesetzt werden“, so Carsten Goetze.
Er zieht als Fazit: „Die Entwicklung ging Hand in Hand und das Ergebnis spart Hardwarekosten, Installationsaufwand sowie Entwicklungs- und Zulassungskosten. Der platzsparende Multisystemsensor eignet sich nicht nur für die Ausstattung neuer Fahrzeuge, sondern insbesondere auch für Retrofit-Projekte, da vorhandener Einbauplatz optimal ausgenutzt wird.“ Somit eignet sich das Lösungskonzept auch für nachträgliche Ausrüstung mit ETCS (European Train Control System) oder CBTC (Communication-Based Train Control). Dabei kann aus dem bereits etablierten Portfolio an Kabelschutzsystemen frei gewählt werden, die allesamt die hohen Brandschutzanforderungen im Schienenverkehr einhalten. Voraussichtlich ab 2024 wird die Vision realisiert, die Bremer Innenstadt an das Umland anzubinden. Bereits heute werden die Sensoren in die Fahrzeuge eingebaut, um die kommenden Zukunftsanforderungen problemlos erfüllen zu können.
Autorin
Kerstin Frohn, Pressereferentin