Rohrinnenseiten berührungslos inspizieren
Freischwebendes, kabelloses Prüfsystem
Die Innenseiten von langen Hohlkörpern, wie Rohren, lückenlos zu prüfen, ist eine komplexe Angelegenheit. Ein freischwebendes, kabelloses System vereinfacht diese Inspektionsaufgabe nun erheblich. Neben der optischen Prüfung, wie sie im hier beschriebenen Prototypen zum Einsatz kam, lassen sich auch Thermografie- oder Wirbelstrom- oder Terahertz-Verfahren einsetzen.
Eine lückenlose Qualitätskontrolle der Innenseite von räumlich lang ausgedehnten Hohlkörpern, wie extrudierte Kunststoffrohre oder aus Verbundmaterial (GFK – glasfaserverstärkter Kunststoff oder CFK – kohlestofffaserverstärkter Kunststoff) hergestellten Röhren ist, insbesondere aufgrund der erschwerten Zugänglichkeit, eine große prüftechnische Herausforderung. Während die Außenseite relativ einfach zum Beispiel mittels optischer oder thermografischer Verfahren untersucht werden kann, ist die Inspektion der Innenseite ohne zusätzlichen handhabungstechnischen Aufwand zunächst auf Prüfverfahren beschränkt, die das Material des Prüflings in ausreichendem Maße von außen durchdringen und so Informationen aus seinem Inneren liefern können.
Diese Verfahren, etwa Röntgen- oder Ultraschallprüfung, sind jedoch entweder mit hohem apparativen Aufwand und sicherheitstechnischen Aspekten (Strahlungsschutz) und den damit einhergehenden hohen Kosten verbunden oder setzen für eine hochauflösende Prüfung entsprechend passende Materialeigenschaften voraus (hohe Schallgeschwindigkeit, isotropes Medium, etc.). Außerdem ist die hochauflösende Rekonstruktion der Innenseite aus den gewonnenen Daten hinsichtlich Rechenleistung und Verarbeitungszeit anspruchsvoll, was eine Online-Prüfung erschwert oder unmöglich macht.
Systeme, wie Molch-, Roboter- oder Lanzenlösungen, die die Innenseite direkt erreichen, sind meist durch Rahmenbedingungen wie Kabel- und Lanzenlänge oder Batterielaufzeiten sowohl in ihrer Einsatzdauer als auch in ihrer Reichweite beschränkt [1][2]. Zudem fällt ein zusätzlicher Aufwand für das Präparieren der Prüflinge (Positionierung, gegebenenfalls das Zerteilen in prüfbare Segmente etc.) sowie beim Einbringen des Prüfsystems an.
Das vom Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren (IZFP) entwickelte Prüfsystem Hobits überwindet die größten Hürden für eine effiziente Prüfung der Innenseite und ist somit eine elegante Lösung zum Beispiel für Hersteller von Kunststoffrohren.
Magnetisch schwebend und kabellos
Der Sensorträger Hobits (Hollow Object Inside Testing System) ermöglicht erstmals die kontinuierliche Innenprüfung von nichtmagnetischen und nichtleitenden Hohlkörpern. Das System nutzt eine am Fraunhofer IZFP entwickelte magnetische, selbstregelnde Lagerung, um einen Sensor schwebend im Inneren des Prüflings zu positionieren.
Dabei erkennt das System die Lage der schwebenden Sensorplattform mittels Induktion. Die so kontinuierlich gewonnene Positionsinformation des Sensorträgers dient dann der externen elektromagnetischen Positionsregelung als Regelgröße. Durch diesen stetigen Regelprozess wird der Sensorträger durch kontinuierliches Nachstellen der elektromagnetischen Lager auf seiner Position im Prüfling gehalten. Während der Prüfung hat das Gerät dadurch keinen Kontakt mit dem Prüfobjekt.
Auch die Stromversorgung des Sensors sowie die Datenübertragung verlaufen kabellos: Zur Energieübertragung überträgt, durch Induktion gemäß dem Transformatorprinzip, der außenliegende Stator zum Sensorträger kontinuierlich Energie, die die dortige Sensorik für die Datenaufnahme und -übertragung nutzt.
Das System ist dabei prinzipiell unabhängig von der verwendeten Prüftechnik und lässt sich somit auf unterschiedliche Prüfaufgaben adaptieren. So ist im derzeitigen Prototyp eine optische Prüfung mittels Videokamera realisiert, denkbar sind jedoch auch viele andere Verfahren.
Das magnetische Wirkprinzip der Lagerung und der Energieübertragung ermöglicht den Einsatz in allen nichtmagnetischen, elektrisch nicht oder nur schwach leitenden Materialien, wie Kunststoffe, GFK oder CFK.
Vorteile für die Produktion
Die Vorteile eines freischwebenden, kabellosen Prüfsystems innerhalb der Produktion liegen auf der Hand: Der Prüfling lässt sich ohne weitere Bearbeitung oder zusätzlichen Handhabungsaufwand im Produktionsprozess über den Sensor hinwegbewegen und dabei im Vorbeiflug von innen prüfen. Neben der direkten Zeitersparnis bei der Prüfung selbst entfällt dadurch außerdem der Platzbedarf für Vorbereitung und Zwischenlagerung der Prüflinge. Die berührungslose Inspektion vermeidet zudem ein unerwünschtes Beeinflussen der inneren Oberfläche.
Weitere mögliche Prüfverfahren neben dem optischen
Das zurzeit im Prototyp realisierte optische Verfahren bietet bereits gute Möglichkeiten, um Fehlstellen zu detektieren. Durch den Einsatz von Algorithmen der künstlichen Intelligenz lassen sich jedoch noch weitere Verbesserungen bei der automatischen Fehlerdetektion erzielen. Das optische Verfahren ist wahrscheinlich für viele Prüfanforderungen die erste Wahl. Dennoch kann es je nach Prüfling und zu findendem Fehler sinnvoll sein, ein anderes Prüfverfahren einzusetzen. Aus diesem Grund ist der schwebende Sensorträger Hobits so ausgelegt, dass er als Trägerplattform für unterschiedliche Sensoren dienen kann. Montiert man anstatt einer optischen Kamera, die im sichtbaren Spektrum arbeitet, zum Beispiel eine Thermografiekamera, lassen sich etwa ein Abkühlprozess oder durch externe Wärmezufuhr neben innenliegenden Oberflächenfehlern auch den Temperaturverlauf beeinflussende Volumenfehler in der Wandung erkennen.
Auch der Einsatz nicht bildgebender Verfahren, zum Beispiel der Wirbelstromprüfung für schwach elektrisch leitfähige Materialien oder auch Mikrowellen- und Terahertz-Verfahren, sind denkbar.
Bei solchen Verfahren ist es ebenso möglich, dass diese in direkter Interaktion mit einem außerhalb des Prüflings befindlichen Teils der Prüfelektronik stehen. So könnte ein auf der schwebenden Sensorplattform befindlicher Sensor extern emittierte Signale aufzeichnen oder selbst als Signalquelle für außenliegende Sensoren dienen. Eine Transmissions- oder Dämpfungsmessung durch die Außenwand des Prüflings ist dadurch ebenso vorstellbar.
Das mit dem Sensorträger Hobits angestrebte Ziel, eine Plattform zu entwickeln, die Prüfverfahren auf spezielle Anforderungen adaptieren kann, wurde erreicht. Der größte Vorteil besteht jedoch in der schwebenden Anordnung, die eine Inspektion innerhalb der Produktionslinie emöglicht. Neben der Anwendung von Prüfelektronik, die das Fraunhofer IZFP entwickelt hat, ist es ebenso möglich, Sensorik von Kunden und Projektpartnern auf dem Sensorträger zu applizieren.
Kontakt
Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP
66123 Saarbrücken
Saarland, Deutschland
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