Automatisierung

Piezoaktoren als treibende Kraft für die additive Fertigung

17.08.2017 -

In der Kunststoffverarbeitung ist das Spritzgießen das Verfahren der Wahl – zumindest bei großen Stückzahlen. Sollen dagegen Einzelteile oder komplexe Geometrien hergestellt werden, sind additive Fertigungsverfahren deutlich effizienter. Hierbei werden die Funktionsbauteile aus feinen Kunststofftropfen aufgebaut. Der zentrale Prozess besteht dabei in der Tropfenerzeugung an der Düse. Ein Piezoaktor taktet den Düsenverschluss.

Die Vielfalt an Materialien und Anwendungen nimmt in der Kunststoffverarbeitung stetig zu. Diesen Trend hat das Maschinenbau-Unternehmen Arburg früh erkannt und bietet neben dem klassischen Spritzgießen ein additives Fertigungsverfahren an. Arburg nennt dieses industrielle Verfahren Arburg Kunststoff-Freiformen (AKF) und hat dafür den sogenannten Freeformer entwickelt. Dieser ermöglicht eine große Designfreiheit und Materialvielfalt. So lassen sich Teile-Geometrien realisieren, die spritztechnisch nicht formbar wären.

Material-Mix möglich

Der Freeformer fertigt additiv aus qualifizierten Standardgranulaten funktionsfähige Bauteile. Standardmäßig ist er mit zwei Austragseinheiten ausgestattet. Damit lassen sich verschiedene Materialien kombinieren, zum Beispiel Hart-Weich-Verbindungen, oder komplexe Geometrien realisieren. Als zweite Komponente kann auch eine wasserlösliche Stützstruktur verwendet werden. Die Stützstrukturen werden anschließend einfach in einem Wasserbad entfernt. Die kompakte Maschine arbeitet staub- und emissionsfrei. Auf Absauganlagen oder Kühlwasser kann verzichtet werden. Das System ist daher auch für den Einsatz in einer Büroumgebung geeignet. Der Bauraum bietet Platz für Teile, die maximal 154 x 134 x 230 Millimeter groß sind.

Funktionsweise des Freeformers

Martin Neff arbeitet bei Arburg, er leitet die Abteilung Kunststoff-Freiformen. Neff erklärt die prinzipielle Funktionsweise des Freeformers: „Zunächst werden die 3D-CAD-Daten des Bauteils mithilfe einer Software maschinengerecht aufbereitet. Aus den daraus gewonnenen schichtweisen Geometrien werden dann funktionsfähige Bauteile werkzeuglos und ohne Nachbearbeitung aufgebaut. Dazu wird zunächst das Granulat in die Maschine eingefüllt. Ein beheizter Plastifizierzylinder mit Schnecke erzeugt daraus eine homogene Schmelze für die Austragseinheit. Deren patentierter Düsenverschluss mit hochfrequenter Piezotechnik ermöglicht schnelle Öffnungs- und Schließbewegungen und erzeugt so rund 200 Kunststofftropfen pro Sekunde.“
Abhängig von der Düsengröße haben die kleinen Tropfen einen Durchmesser von 0,2 bis 0,4 mm. Während der Piezoaktor den Düsenverschluss taktet, bleibt die Austragseinheit mit der Düse in ihrer vertikalen Position. Der bewegliche Bauteilträger wird über Servomotoren so positioniert, dass jeder Tropfen Schicht für Schicht exakt auf der vorher berechneten Stelle platziert wird. Für das Aushärten des Kunststoffs sind keine speziellen Prozesse oder Materialzusätze erforderlich. Die winzigen, ineinander verlaufenden Tropfen verbinden sich beim Auskühlen von selbst. Die dabei entstehende Oberfläche entspricht der eines grob strukturierten Spritzteils. Sie ist zwar tropfenförmig strukturiert, dies aber gleichmäßig und in jeder Richtung. Verlässt ein auf diese Weise additiv gefertigtes Bauteil die Maschine, ist es sofort einsatzbereit.

Piezoaktor taktet den Düsenverschluss

Der zentrale Prozess der additiven Fertigung ist die Tropfenerzeugung an der Düse der Austragseinheit. „Bei der Taktung des Düsenverschlusses für die Tropfenerzeugung haben wir uns für einen Piezoaktor entscheiden, weil wir hier die notwendig hohe Dynamik und Genauigkeit für den Materialaustrag haben“, ergänzt Neff. Das begründet sich in der Funktionsweise: Piezoaktoren wandeln elektrische Energie direkt in mechanische Energie um und ermöglichen Bewegungen mit Auflösungen im Sub-Nanometerbereich. Sie erreichen Stellwege bis etwa einen Millimeter und hohe Dynamik mit Frequenzen bis zu mehreren Tausend Hertz. Die Austrageinheit am Freeformer arbeitet aktuell mit Frequenzen zwischen 60 und 200 Hz „Bei der Geschwindigkeit haben wir also noch Luft nach oben“, freut sich Neff.
Eingesetzt hat Arburg einen Picma-Piezoaktor von Physik Instrumente. Der kundenspezifisch ausgelegte Piezoaktor deckt Stellwege bis 90 µm mit Sub-Nanometer-Auflösung ab, ist bis 3.000 N druckbelastbar und mit einer Ansprechzeit im Mikrosekundenbereich reaktionsschnell. Picma-Aktoren sind konventionellen, polymerumhüllten Piezoaktoren in Leistung und Lebensdauer überlegen, denn sie sind vollkeramisch isoliert. Ihr monolithischer Piezokeramikblock ist durch die keramische Isolierschicht vor Luftfeuchtigkeit und gegen Ausfälle durch erhöhten Leckstrom geschützt und erreicht auch unter extremen Umgebungsbedingungen eine hohe Zyklenzahl.

Für hochdynamische Anwendungen geeignet

Der monolithische Aufbau bedingt außerdem eine hohe Resonanzfrequenz, weshalb sich die Aktoren ideal für hochdynamische Anwendungen eignen. Dass die eigentlich nicht flexible Keramik dabei mitspielt, liegt daran, dass die Bewegung auf Festkörpereffekten beruht. Die Dynamik der Umpolungsprozesse wird durch die elektrische Kontaktierung und die Auslegung der Ansteuerelektronik bestimmt. Für die Taktung des Düsenverschlusses beim Freeformer wird der Piezoaktor von einer eigenentwickelten Elektronik angesteuert, die im Schaltschrank der Maschine integriert ist. Mittlerweile hat der Freeformer in unterschiedlichen Anwendungen bewährt, angefangen von Automotiv- und Consumerbereich bis hin zur Elektronikfertigung und Medizintechnik.

Kontakt

Physik Instrumente (PI) SE & Co. KG

Auf der Römerstr. 1
76228 Karlsruhe
Deutschland

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