Bildverarbeitung

Optik ist die schnellste Bildverarbeitung

Interview mit Maximilian Baum von Jos. Schneider

29.08.2013 -

Die Jos. Schneider optische Werke GmbH kann in diesem Jahr auf eine 100-jährige Geschichte zurückblicken. Heute bilden Produkte für die Fotografie, die Filmindustrie und besonders für die industrielle Anwendung das Portfolio des Unternehmens. Maximilian Baum, Produktmanager Industrial Optics bei der Jos. Schneider Optische Werke GmbH, sprach mit inspect über die Bedeutung moderner Optiken für die industrielle Bildverarbeitung. 

inspect: Industrielle Anwendungen stellen besonders hohe Anforderungen an die Entwicklung und Produktion optisch-feinmechanischer Produkte. Auf welche Erfahrungen und Kompetenzen aus der Unternehmensgeschichte können Ihre Entwickler beim Design industrietauglicher Produkte heute noch aufbauen?

M. Baum: Neben dem detaillierten Wissen über die Anforderungen unserer Kunden können wir auf Tausende unterschiedliche optische Designs zurückgreifen, verbunden mit unseren umfassenden Kenntnissen und Erfahrungen in der Produktion von optischen Bauteilen. Seit mehr als 20 Jahren baut Schneider-Kreuznach spezielle Optiken für den Einsatz unter extremen industriellen Bedingungen. Die Spezifikation unserer Produkte orientiert sich an den jeweiligen Industrienormen, nach denen sie gebaut und geprüft werden. Das verhindert im Einsatz teure Ausfallzeiten und garantiert das zuverlässige Funktionieren bei jeder Aufgabe. Die Erfahrungen aus alten Fertigungstechnologien konnten wir erfolgreich auf unsere State-of-the-art Fertigung mit CNC-gesteuerten Maschinen übertragen.
Wir waren auch eines der ersten Unternehmen der Optikindustrie, das optische Systeme mit Hilfe eines Computers berechnete, und wir führten die anspruchsvolle Asphärentechnologie ein, welche zur Gewichtsreduzierung in Objektiven beiträgt. Unsere Industrieobjektive inspizierten die Hitzeschilde der Space Shuttles und werden aktuell in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) eingesetzt, wo sie unter schwierigsten Bedingungen die rasanten Fahrten der Rennfahrer fehlerfrei übertragen. Wir können also bei der Produktentwicklung auf einen großen Pool an Erfahrungen zurückgreifen.

inspect: Die industrielle Bildverarbeitung ist ein Treiber für die technologische Weiterentwicklung optischer und feinmechanischer Lösungen, wie sie von Schneider-Kreuznach realisiert werden. Was hat die Kameraentwicklung in den letzten zwei Jahrzehnten hier bewirkt?

M. Baum: Mit der Entwicklung von 30 µm Korngrößen bei analogen Anwendungen vor 20 Jahren bis zu heutigen Pixelgrößen von 1,67 µm und kleiner sind natürlich auch die Anforderungen an die Objektive gestiegen: Größere Auflösungen bei gleichzeitig hohem Kontrast, gestiegene Vielfalt der Sensoren und Diversifizierung von Kameraanschlüssen sowie Mikrolinsen und elektronische Verbesserungsmöglichkeiten. Die Anwendungsgebiete für bildverarbeitende Systeme werden immer breiter. Unsere Objektive müssen dabei die zunehmenden technischen Anforderungen erfüllen und sich gleichzeitig auch unter Kostengesichtspunkten behaupten.Die Frage nach dem Einfluss der Kameraentwicklung ist absolut berechtigt, da für den Kunden das Zusammenspiel zwischen Optik und Kamera essenziell ist. Beides muss aufeinander abgestimmt werden, und wenn sich die eine Komponente ändert, muss sich die andere Komponente anpassen. In der Grundlagenforschung achten wir darauf, für die nächste Kamerageneration gerüstet zu sein. Dies stellt insofern eine interessante Herausforderung für unsere Entwickler und das Produktmanagement dar, weil nie bis ins Detail feststeht, welche Spezifikationen die nächsten Kameragenerationen mit sich bringen werden.

inspect: Wie meistern Sie die Herausforderungen, die sich aus der stetigen Weiterentwicklung und Veränderung der Sensorik und der Miniaturisierung der Kameras ergeben?

M. Baum: Wir haben in den letzten Jahren sehr stark in den Bereich der neuen Fertigungstechnologien investiert und auch weitere eigene Messsysteme entwickelt. Darunter fallen auch selbst entwickelte Fertigungsmethoden für Objektive und optische Einzelelemente, die einzigartig in der Branche sind, angefangen von der Herstellung der Teile bis hin zur Montage von Baugruppen und Objektiven.
Auf die Miniaturisierung reagieren wir mit der neuen Produktreihe Xenon-Ruby, die die Ansprüche an Leistung und Robustheit unter wechselnden äußeren Einflüssen erfüllt. Hierbei haben wir das Gewicht und die Baugröße der Objektive auf ein Minimum reduziert, ohne einen Kompromiss bei der Stabilität und Robustheit zu machen. Des Weiteren wird jedes Objektiv 100% geprüft, um sicherzustellen, dass alle das gleiche Niveau in der Abbildungsleistung besitzen. So wird garantiert, dass unsere Kunden sich nicht lange mit der Kalibrierung der Objektive auseinandersetzen müssen, sondern das Objektiv montieren, fokussieren und direkt starten können.
Darüber hinaus verbessern wir stetig unsere bestehenden Produkte, beispielsweise durch eine bessere Fixierung der Komponenten zur optischen Achse oder das Verkleben von allen Linsen in einem Objektiv zur Stabilisierung der Abbildungsleistung. Die Produktlebensdauer hat sich durch die Veränderung der Sensorik und der Miniaturisierung der Kameras verkürzt, Produkte müssen schneller in Serie gehen, denn time-to-market spielt heute eine noch größere Rolle als vor ein paar Jahren.

inspect: Die Kundenanforderungen an die Optik für industrielle Anwendungen sind sehr spezifisch. Seien es nun besondere Abbildungsbedingungen oder ungewöhnliche Umgebungsbedingungen. Wie kann man dem als hoch spezialisierter Entwickler und Anbieter gerecht werden?

M. Baum: Bei kundenspezifischen Projekten ist es noch am einfachsten: Zusammen mit dem Kunden arbeiten wir eine Spezifikation aus, die im Anschluss daran erfüllt werden muss. Bei Standardprodukten stellt sich dies in der Regel schon schwieriger dar: Welche Kameras und Sensoren werden bei verschiedenen Anwendungen bevorzugt? Welche Abbildungsmaßstäbe sind erwünscht? Welche Einbaubedingungen gelten? Welches Preisniveau muss getroffen werden?
Wir haben unseren Fokus auf hochwertige Produkte gelegt. Unsere Objektive werden in eine Maschine eingebaut und verrichten unauffällig und zuverlässig ihren Dienst, ohne während der gesamten Betriebsdauer gewartet oder ausgetauscht werden zu müssen. Ein Objektiv oder ein Filter ist meist noch funktionstüchtig, wenn der Rest des Systems, in dem es eingebaut ist, schon ausgedient hat. Dies ist auch der Vorteil unserer Objektive: Sie sind immer für die maximal denkbare Belastung ausgelegt und somit für ein breites Anwendungsspektrum geeignet.
Meistens werden mit einem Produkt mehrere Anwendungsfälle abgedeckt, und da helfen uns die 100 Jahre Erfahrung, die wir im Design von Objektiven haben. So nutzen wir Synergien und haben jetzt eine Palette sich gegenseitig ergänzender Produkte.

inspect: Wenn Sie einige Highlights aus jüngster Zeit herausheben sollten, welche Produkte oder technischen Lösungen aus Ihrer Unternehmen fallen Ihnen da ganz spontan ein?

M. Baum: Neben den Anwendungen mit Flächenkameras werden bei Inspektionsaufgaben oftmals Zeilenkameras eingesetzt. Auf den Trend der immer länger werdenden Zeilen mit immer kleineren Pixeln haben wir mit unserer neuen Reihe Xenon-Sapphire reagiert: Objektive für Zeilenlängen zwischen 57,3 mm und 82 mm mit bis zu 16 K Auflösung. Wir haben unser Ziel erreicht, die besten Objektive im High-End Bereich auf den Markt zu bringen, was uns unsere Kunden auch bestätigt haben.
Demnächst werden wir eine neue Reihe von Objektiven für Zeilenkameras vorstellen, deren Vergrößerungen zwischen -2,6 x und -5,2 x liegen: Xenon-Diamond. Wie der Name schon verrät, handelt es sich hierbei um die Diamanten unter den Objektiven. Auch hier hören wir auf unsere Kunden, die bei verkürzter Prozesszeit gleichzeitig immer kleinere Fehler detektieren möchten. Unsere Objektive sind hochgeöffnet - also sehr lichtstark - und bilden beugungsbegrenzt ab. Wir bewegen uns mit dieser Baureihe am Rande des physikalisch Möglichen.

inspect: Wo liegen aus Ihrer Sicht die spannendsten Entwicklungsfelder für die Optik und Feinmechanik in den kommenden Jahren?

M. Baum: Wir sehen insbesondere in den optischen Funktionsschichten für Filter und Objektive einen enormen Zuwachs von Möglichkeiten. Wir setzen in Zukunft auch hier auf neue Fertigungstechnologien wie z.B. Sputtern, mit denen neue Anwendungen erst ermöglicht werden. Noch steilere Kantenfilter und höhere optische Dichten beispielsweise für die 3D-Vermessung führen zu noch genaueren Messergebnissen beim Kunden und bieten einen direkten Wettbewerbsvorteil.
Die Anforderungen an die Feinmechanik werden durch den Bedarf von immer höheren Auflösungen bei besser werdendem Kontrast vorangetrieben. Noch präzisere Zentrierung von Objektiven, höhere Genauigkeiten und engere Toleranzen verlangen nach kontrollierten Arbeitsbedingungen bei der Herstellung: exakte Steuerung von Temperatur und Luftfeuchte in der Produktion, Reinräume in der Montage und kurze, effiziente Prozesse in der Logistik.
Beispiel Reinheit: Wir bauen mehr Fertigungsstraßen, deren Umgebung kontrolliert auf dem gleichen Niveau gehalten wird. Nicht nur die sensiblen Teile in unseren Produkten werden in stabilen Prozessen hergestellt und montiert. Wir werden in naher Zukunft noch mehr in eine klimatisierte Fertigung investieren, sowohl in der optischen als auch in der mechanischen Produktion.

inspect: Welche neuen Materialien oder Technologien gibt es im Bereich der Optik, die für völlig andersartige Lösungen bereitstehen könnten, und wird man die irgendwann in Ihrem Produktportfolio finden?

M. Baum: Natürlich spielt die Elektronik eine immer wichtigere Rolle. Wir sind seit 2011 Mitglied des Mirco Four Thirds Konsortiums (MFT) und entwickeln Objektive, die mit der Kamera über eine elektronische Schnittstelle kommunizieren. So können durch das Objektiv verursachte Bildfehler direkt herausgerechnet werden, ohne dass der Anwender dies explizit für jedes Objektiv individuell einstellen muss. Zuerst wird diese Technologie im Consumer Markt vorgestellt, danach werden wir diese Technik auf das spezifische Industrieniveau bringen, d.h. Anpassung der Stabilität und Wiederholbarkeit bei gleichzeitig deutlich höherer Zykluszahl.
Eine andere Technologie zum Bearbeiten von optischen Elementen ist das Pressen von sphärischen und asphärischen Linsen. Hier ist abzuwarten, ob die Kosten auch für kleinere und kundenspezifische Projekte interessant werden. Zurzeit werden Asphären entweder in High-End Objektiven eingesetzt oder blank gepresste, meist beidseitig asphärische Linsen in kleinen Objektiven, die in großen Stückzahlen laufen, beispielsweise in Handy-Optiken.
Darüber hinaus setzen Bildverarbeiter mittlerweile Kameras für andere Wellenlängenbereiche ein, z.B. UV oder IR. Wir haben für den Bereich zwischen 900 und 1.700 nm Wellenlänge (SWIR - Short wave Infrared) bereits vor mehreren Jahren beschichtete Objektive vorgestellt und entwickeln gerade ein neues Objektiv ausschließlich geeignet für SWIR. Hier versprechen wir uns wachsende Marktanteile in der Bildverarbeitung, da sich völlig neue Wege der Inspektion ergeben.

inspect: Als Rechenleistung und Speicherplatz noch knapp und sehr teuer waren, galt es, einen erheblichen Teil der bildanalytischen Gesamtlösung durch eine ausgeklügelte und hochwertige Optik und Beleuchtung zu erreichen. Heute sind bereits die Kameras intelligent. Kann man jetzt bei der Qualität von Optik und Beleuchtung nachlässig werden?

M. Baum: Der Schwerpunkt für die Optimierung hat sich verlagert: Einige Bildfehler können teilweise digital herausgerechnet werden, z.B. Farbquerfehler und Verzeichnung, während auf der anderen Seite die Ansprüche an die Auflösung und den damit verbundenen Kontrast stark gestiegen sind. Darüber hinaus sollte die Kamera in diesem Fall genau wissen, mit welchem Objektiv sie gerade eingesetzt wird, da jede Brennweite individuelle Fehler aufweist.
Die Designregeln haben sich also verändert, jedoch sind die physikalischen Grundprinzipien die gleichen wie in der analogen Bildverarbeitung.
Für den Kunden ist das System entscheidend. Wir hören oft, dass eine Kamera für mehrere tausend Euro gekauft wurde und das „passende" Objektiv für 50 € angefragt wird. Wenn das Objektiv eine schlechte Abbildungsleistung hat, kann das Bildergebnis auch mit großem nachträglichem Aufwand nicht auf das Niveau einer guten Optik gebracht werden. Der Einsatz einer guten Optik bei der Bildverarbeitung spart Zeit und Kosten, weil das Entwickeln von Algorithmen zur Bildverbesserung auf ein Minimum reduziert werden kann.

inspect: Worauf sollte heute ein Bildverarbeiter bei der Suche nach einer passenden optischen Lösung für seine spezifische Problemstellung besonders achten?

M. Baum: Auf der Suche nach einer Lösung spielt das Zusammenspiel im System immer eine wichtigere Rolle als die einzelne Komponente. Auch eine perfekte Optik kann in manchen Fällen nicht für die gewünschte Anwendung geeignet sein. Grundsätzlich sollte im Zweifelsfall immer ein Experte gefragt werden, welche Optik für welche Anwendung geeignet ist. Neben dem Wissen über unsere Produkte bietet Schneider Kreuznach auch Wissen über die Anwendungen und kann so noch bei der Auslegung des Systems unterstützen. Im Zweifelsfall - einfach anrufen.

Kontakt

Jos. Schneider Optische Werke GmbH

Ringstr. 132
55543 Bad Kreuznach
Deutschland

+49-671-601-0
+49-671-601-109

Spannende Artikel zu Fokus-Themen finden Sie in unseren E-Specials. Lesen Sie jetzt die bisher erschienenen Ausgaben.

Zu den E-Specials

Media Kit

Die Mediadaten 2025 sind jetzt verfügbar! Laden Sie sie hier herunter.

Industrie-Lexikon

Begriffe aus der Bildverarbeitung und Automation, die man kennen sollte

Zum Lexikon

Spannende Artikel zu Fokus-Themen finden Sie in unseren E-Specials. Lesen Sie jetzt die bisher erschienenen Ausgaben.

Zu den E-Specials

Media Kit

Die Mediadaten 2025 sind jetzt verfügbar! Laden Sie sie hier herunter.

Industrie-Lexikon

Begriffe aus der Bildverarbeitung und Automation, die man kennen sollte

Zum Lexikon